Ich wollte es allen beweisen, dass ich keine Alkoholikerin bin. Ich trinke sicherlich gern, aber nur allein, was wollt ihr von mir ich tu doch keinem Weh, vielleicht bin ich gefährdet – aber ich bin doch keine Alkoholikerin. Mensch ich bin 26 und hänge auch nicht auf der Strasse, ich doch nicht.
Schweissausbrüche, komische Wahrnehmungen, Verfolgungswahn – habe ich erlebt.
Ich sollte in eine Klinik, ich war stur, nein dass schaffe ich auch so.
Mit der Hilfe meines Hausarztes und eines Psychologen habe ich den Entzug gemacht – grauslich. Aber ich hatte Freunde und auch wieder eine Familie, die haben mich in diesen 6 Wochen unterstützt. Es war für uns alle der Horror.
So nun bin ich trocken, jetzt kann mir keiner mehr – seht ihr ich hatte doch recht – ich kann auch ohne Suff leben.
Warum habe ich so viele stress auf einmal in meiner Umgebung – es müssen doch alle stolz sein, dass ich nicht mehr trinke, dass wollten die doch.
Erst lange Gespräche brachten mir die Einsicht – ich brauche Hilfe.
Die SHG hat mir nicht viel gegeben – es wurde sich über Autopreise, und andere Sachen unterhalten, aber ich fand ich kam zu kurz.
Ich entschied mich für eine stationäre Langzeitherapie in Motzen. Glücklicherweise (aus heutiger Sicht) konnte ich hier am 13.01.2008 ankommen – trocken.
Über diese Zeit möchte ich nicht viel erzählen – nur so viel, ich brauchte Nachschlag und erst in dieser Zeit habe ich begriffen, dass einzig und allein mein Wille ausschlaggebend ist.
„och sie hat es doch so einfach, die ist ja noch so jung, sie hat ja noch alles vor sich “ – mein Therapeut sagte damals – Falsch sie wird es sehr viel schwerer haben, weil sie so jung ist, sie hat das Leben und die Versuchung noch vor sich, sie geht in ihre alte Umgebung zurück".
Wir sollten berichten was würden wir tun wenn wir einen Rückfall haben Ich werde keinen Rückfall haben, daher habe ich auch keinen Plan. Sicherlich ich weiss was ich machen müsste aber ich werde es nie brauchen.
Meine Prognose sah nicht sehr günstig aus – keine SHG, kein Rückfallprogramm.
Es war nicht leicht, als ich aus der Käseglocke kam (eigentlich wollte ich dort auch nicht weg) – die Snapsflaschen liefen mir als Komikfiguren beim Einkaufen und meinen Träumen nach.
Ich trieb im Fitnessstudio Sport, ich ging trotzdem zum Eishockey (mir wurde gesagt ich solle mich davon fern halten, dort wo getrunken wird), ein irrer Sport (natürlich nur beim Zuschauen).
Ich besuchte keine SHG – aber ich erzählte es jedem der es Wissen wollte – oder auch nicht wissen wollte.
Ich „baute“ mir meine eigene Käseglocke.
Hast Du was dagegen, wenn wir etwas trinken, wurde ich oft gefragt.
Meine Antwort war immer: Nein, nur ihr müsst Verständnis dafür haben, dass ich gehe wenn es mir zu viel wird.
Oder Du darfst ja keinen Alkohol trinken, na klar darf ich aber ich möchte heute nicht.
Natürlich wurde auch Rücksicht genommen. Es gibt immer Tomatensalat mit Zitrone, statt Essig oder ähnliches.
Ich hatte mich verändert in diesen 20 Wochen Therapie.
Damit musste meine Umgebung auch klar kommen.
Ich hatte in der Therapie gelernt, dass es mir nur gut geht wenn ich auch dafür etwas tue.
Ich bin selbst verantwortlich für mein Leben – ich kann keinen anderen die Schuld für meine Unzufriedenheit oder für mein GLÜCKLICHSEIN geben.
Geholfen hat mir auch sehr, meine Sucht ist meine Krankheit – aber um leben zu können und nicht zu sterben an dieser Krankheit, muss ich dafür etwas tun.
In meinem Umfeld sind leider in den letzten 10 Jahren viele Menschen an dieser Krankheit gestorben, ich will aber leben.
Das zeigt mir jedes Mal wie grausam meine Sucht ist- ich habe Angst davor dass ich es irgendwann vergesse.
Damals ich konnte mir nicht vorstellen zu heiraten – ohne mit Sekt an zu stoßen, dass gehört doch dazu.
Als ich meinen heutigen Mann lieben lernte, war ich 4 Jahre trocken. Ich hatte kein Problem damit, dass er sein Bier trank.
Ich hatte lediglich von anfang an klar gestellt – wenn du Bier trinkst – dann musst Du damit leben, dass dann erstmals keinen Kuss mehr gibt - der Geruch störte.
Irgendwann merkte ich, mein Mann lehnte Alkohol ab.
Für uns war von anfang an klar unsere Hochzeit ist eine Alkoholfreie Hochzeit. Es war zwar schwierig der Schiffseigner (wir feierten auf einem Schiff) davon zu überzeugen, dass er den Alkohol abdeckt, bzw. weg stellt aber es klappte. Er orderte dann extra einen Barmixer, welcher nur Alkoholfreie Drinks mixte, aber er hatte Bedenken – auch er konnte sich keine Hochzeit so vorstellen.
Selbst unsere Verwandtschaft war skeptisch. Wir waren dann aber über 60 Leute und feierten Alkoholfrei unsere Hochzeit.
Wir hatten nur positive Rückmeldungen von allen. Nicht aus Anstand, sondern weil es einfach ein schöner Tag war – keiner hatte am nächsten Tag Probleme, sondern eine schöne Erinnerung.
Ich habe in den vergangen Jahren vieles erlebt, schöne, traumhafte, traurige und verzweifelte – aber jede einzelne Erfahrung möchte ich nicht missen.
Heute kann ich sagen, ich lebe glücklich, ich bin zufrieden, ich lebe.
Eines macht mich aber nachdenklich, mein Leben hat erst am 11.11.1997 begonnen, warum nicht schon früher.
Warum bin ich in diesem Forum gelandet wenn es mir doch so gut geht. Eigentlich wollte ich sehen ob es im Internet ein Forum der Ehemaligen aus Motzen gibt. Ich bin hier hängen geblieben, weil ich Verzweiflung gelesen habe ich dachte mir, vielleicht kann der eine oder andere von meinen Erfahrungen, von meinen Gedanken, profitieren.
kawi