Vermute, mein Freund ist Alkoholiker...

  • Hallo,

    ich bin neu in diesem Forum und benötige Hilfe.

    Ich bin eine Co-Abhängige. Mein Vater ist ein Alkoholiker. Meine Eltern sind geschieden. Ich habe eine Schwester. Aufgrund einer derzeitigen Krise, in der ich Erlebtes für mich aufdecken und verstehen will, was ich solange vergeblich versucht habe, zu bewältigen, beschäftige mich verstärkt mit meiner Vergangenheit und den Themen Alkoholismus, Co-Abhängigkeit sowie mit meiner jetzigen Beziehung.

    Ich vermute, dass mein Freund ein Alkoholiker ist. Er trinkt fast täglich Bier. Manchmal 3-4 Flaschen, dann auch wieder mehr.

    Wir hatten eine längere Zeit eine Distanzbeziehung, da ist es mir nicht aufgefallen. Jetzt, wo ich nur noch ca. 30 km von ihm weg wohne, sehen wir uns öfter. Dadurch habe ich sein Trinkverhalten verstärkt „live“ miterlebt. Er wohnt auf dem Land und ist es gewohnt, dass täglich Nachbarn und Bekannte vorbei kommen. Bei ihm heisst das „Netzwerkpflege“, da er selbständig ist und gute Kontakte zählen. Jedes Mal wird dann neben Kaffee auch Bier angeboten. Die meisten trinken Bier und er fühlt sich wohl, weil er nicht mehr alleine trinkt. Wenn ich mal dabei bin, kommen mir die Gesprächsthemen so unwichtig vor. Es wird über Gott-und-die Welt gemeckert und unterschwellig Aggression aufgebaut. Obwohl ich mich gerne unterhalte, habe ich keine Lust mitzureden und verhalte mich passiv.

    Ich habe darüber nachgedacht, wie oft ich ihn schon in den fast 1,5 Jahren Beziehungszeit betrunken erlebt habe – viel zu oft. Er hat mich diverse Male betrunken angerufen. Anfangs dachte ich, er war unterwegs und hat gefeiert. Dann hatte er mal einen Blackout und wusste nicht, ob wir S** hatten oder nicht. Ein anderes Mal wusste er nicht mehr, worüber wir am Telefon geredet haben und hat sich entschuldigt, falls er etwas Peinliches gesagt hätte. Er trinkt Bier auch gegen Hunger. Wenn er auf seinem Hof draußen herumwerkelt, wäre er manchmal zu faul, um sich etwas zu Essen zu machen. Dann trinkt er ein Bier und der Hunger ist verflogen. Er kokettiert dann damit, dass, wenn ich bei ihm wohnen würde, ich ihm ja etwas zu essen machen könnte. Wenn wir Essen gehen, kippt er den Rest Wein aus meinem Glas runter. Schließlich müssten wir dafür bezahlen. Sonst würde er ja auch Reste essen, warum nicht auch Reste trinken. Für mich hat dies eher den Charakter, bloß nichts umkommen lassen, wo ein paar Prozente seines Stöffchens drin sind.

    In puncto Probleme schiebt er die Verantwortung meist von sich weg – die Anderen sind schuld. Ich habe ihm schon mehrfach gesagt, dass ich nach allem Erlebten überzeugt bin, dass er ein Alkoholproblem hat. Er hätte auch schon mal darüber nachgedacht und will es reduzieren. Ich habe in diesem Forum schon einige Beiträge gelesen, u.a. auch, dass eine Reduzierung nicht möglich ist, wenn die Droge den Menschen schon fest im Griff hat.

    Außerdem versucht er abzulenken, indem er erklärt, er trinke nicht jeden Tag. Seine Ex-Freundin wäre nach seinen Worten eine „Brandkanne“ gewesen. Aber er doch nicht, deshalb hätte er sich getrennt. Meine Vermutung geht eher dahin, dass sie mitgetrunken hat und schließlich selbst neben einem Alkoholiker versumpft ist. Mich hat er auch öfter versucht, zum Trinken zu animieren, damit sein Konsum nicht so auffällt. Ich solle das Leben nicht so eng sehen und mehr genießen, meint er. Für mich bedeutet Lebensgenuss aber etwas Anderes – das habe ich ihm gesagt. Auch, dass ich, wenn überhaupt mal ein Glas Wein zum Essen trinke.

    Mein Freund lebt in einem relativ verwahrlosten Haus, das er vor 6 Jahren auf Kredit gekauft hat. Ich lebe getrennt von ihm und so soll es von meiner Seite auch bleiben. Er drängt jetzt darauf, dass wir zusammenziehen und wir beide endlich zusammen das Leben meistern und sein Haus unser Haus werden soll. Er versucht, mich zu manipulieren, indem er meine eigenen Aussagen wie, dass ich noch keine glückliche Beziehung hatte oder, dass mein Vater ein Alkoholiker ist, gegen mich verwendet. Am liebsten wäre ihm gewesen, dass ich vor einem Jahr sofort bei ihm in seine „Bruchbude“ einziehe – das wollte ich nicht.

    Ich bin skeptisch und glaube, dass er seinem Umfeld mit mir eher ein Stück Normailtät vorgaukeln will. Er prahlt auch überall mit mir und hat zugegeben, dass er bezwecken wollte, dass seine Umwelt inkl. Eltern denken „endlich hat er mal etwas Vernünftiges auf die Beine gestellt mit seiner Beziehung“ und fühle mich wie ein Werkzeug.

    Mein Instinkt sagt mir, dass ich gehen soll. Ebenso wie er mir damals riet, nicht zu ihm zu ziehen.

    Ich würde gern Eure Meinungen dazu hören.

    LG Kopfmensch

  • Hi Kopfmensch,

    überhöre nicht Deinen Instinkt!! Du bist Profi in Bezug auf Alkohol. Da sind Deine Sinne sehr sensibel und es ist durchaus möglich, dass Du Dinge (durch die Erfahrung mit Deinen Vater) schon sehr früh spürst. Wenn es sich nicht gut anfühlt für Dich, dann halte Abstand.

    Mein Ex-Mann war auch immer der Meinung ICH hätte das Problem mit Alkohol, weil mein Großvater ja an Aölkoholismus gestorben ist.

    Nur so viel: Du bist nicht in diesem Forum gelandet, weil es Dir langweilig ist. Irgendwie haben sich Dir die Nackenhaare gestellt?? und suchst Information. Nimm Deinen Instinkt ernst!!

    Die Argumente die er bringt: Wenn Du mir kochen würdest, bräuchte ich kein Bier zu trinken (hab mal frei interpretiert), seine Ablenkungsmanöver, vor allem aber auch sein verwahrlostes Haus, der Druck seiner Familie (endlich mal was Vernünftiges, sorry, die Suchen eine Blöde??) kommen mir so bekannt vor.

    Also sei da mal ganz vorsichtig und traue Deinem Instinkt. Leidensdruck hast Du schon, sonst wärst Du nicht hier.

    Liebe Grüße und einen klaren Kopf für Dich, einen guten Bauch brauch ich Dir nicht zu wünschen, den hast Du schon.

    Gigi

  • Hallo Kopfmensch,

    Ich möchte Dich nachträglich herzlich willkommen heißen.

    Wenn ich so deine Situation lese, erkenne ich auch bei Dir ganz viel *Bauchgefühl* wie auch Kopfwissen.
    Das bei Dir die Alarmglocken läuten, ist nur all zu verständlich. Laße Dich nicht täuschen.

    Was brauchst Du, um Dir noch sicherer zu werden? Besuchst Du bei Deiner Familiengeschichte eine Beratungsstelle vor Ort? Lasse uns einen Anteil an Deinem Leben haben. Du bist mit Deiner Co-Abhängigkeit nicht allein. Du weißt es ja scheinbar schon, daß auch Du krank bist. Lies viel hier und schreibe Dir alles von der Seele.

    Liebe Grüße
    S.Käferchen [Blockierte Grafik: https://beispiel.rocks/beispiel.rocks/www.cosgan.de/images/smilie/tiere/k025.gif]

  • Hallo Gigi und S.Käferchen,

    danke für Eure Antworten. Ich werde meinem Instinkt folgen, egal wie steinig dieser Weg jetzt wird.

    Mittlerweile habe ich den nächsten Schritt gemacht und mich von meinem Freund getrennt. Das ist jetzt über eine Woche her. Das ist bereits das 3. Mal. Beim ersten Mal habe ich 6 Wochen nicht mit ihm kommuniziert, obwohl er auf unterschiedliche Weise versucht hat, mich herauszufordern.

    Ich bin selbständig und meine Arbeit ist in gewisser Weise öffentlich. So hat er versucht, mein Ego über meine Arbeit anzugreifen und mich kritisiert. Dann hat er wieder das Lämmchen gemimt und mir auf die Mailbox gesprochen. Die ganze Palette an emotionalen Spielchen hat er probiert. Ich habe nicht reagiert. Da ich mein Telefon auch beruflich nutze und öfter mal Telefonate mit "unbekannter Rufnummer" eingehen, denke ich nicht jedes Mal, dass er es sein könnte. So war es beim ersten Mal aber. Weil ich nicht abgenommen habe, hat er es so probiert. Nach diesem Telefonat bin ich wieder in die Falle getappt und wir haben uns wieder getroffen.

    Er hätte nachgedacht. Ich habe recht, sein Leben wäre nicht in Ordnung. Er wüsste imgrunde auch nicht (weil ich mal zugegeben habe, dass ich bisher noch keine wirkliche Liebesbeziehung zu einem Mann hatte), was eine glückliche Beziehung sei. Er überlegt, ob eine Paartherapie für uns nicht gut wäre. Ich habe ihm entgegnet, dass ich erstmal für mich selbst Heilung und einen Weg finden will. Dass in mir etwas aufbricht und ich nicht länger über meine Vergangenheit - Familienkrankheit Alkoholismus" schweigen möchte. Da ist eine Aufbruchstimmung in mir und ich könnte es nicht mehr akzeptieren, dass Andere inkl. ihm, ihre Liebe an Bedingungen knüpfen. Ich will nicht mehr funktionieren. Überhaupt glaube ich, dass wir wir nur zusammen gekommen wären, weil ich krank bin und er ein Alkoholiker. Und das unsere Geschichten wie Zahnräder greifen und wir uns gegenseitig kaputt machen.

    Nach der 2. Trennung hat er weiter auf allen Kanälen kommuniziert. Einmal kam eine SMS: "Die Arbeit ist getan. Das Wetter ist herrlich. Heute werden wir grillen. Ich fahre gleich einkaufen. Was willst Du? Wann bist Du hier?" Keine Reaktion von mir. Er hat die Trennung vollkommen ignoriert. 3 Wochen war ich konsequent. Was ich mir wünsche, ist Ruhe, damit ich diese Trennung durch Abstand verarbeiten kann. Aber ich weiß, dass er erst dann aufgibt, wenn eine neue Frau in sein Leben tritt. Das wünsche ich mir jetzt, obwohl es auch weh tut, mir das vorzustellen. Noch mehr würde es mir aber weh tun, mit ihm weiter zu machen, da ich keine Scheuklappen mehr akzeptiere und trotz der letzten beiden Rückfälle hingesehen habe. So habe ich zig leere Flaschen auf seinem Hof entdeckt und ihn beim Trinken beobachtet. Er hat mich an meinen Vater erinnert. Ich war angeekelt.

    Letzte Woche war ich das erste mal bei einer Al-Anon-Gruppe. Dort habe ich, genau wie in diesem Forum, das erste Mal das Gefühl, nicht allein zu sein und reden zu dürfen, weil die Schwere und das Leid der Familienkrankheit Alkoholismus auch andere kennen.

    Am Montag habe ich nach einem harten Telefonat mit meiner Mutter vorerst den Kontakt abgebrochen. Sie und meine Schwester erklären mich für verrückt, weil ich in puncto Vergangenheit keine Ruhe gebe und darüber reden möchte. Im Buch Familenkrankheit Alkoholismus habe ich gelesen, dass diese Reaktion möglich ist, weil ich aus dem Rollenmuster aussteige und nicht mehr wie gewohnt im Familiensystem funktioniere. Ich war immer die Starke und habe die Probleme anderer gelöst. Mein Ego wurde mit Komplimenten gefüttert. Ich will meinen Wert so nicht mehr definieren. Sondern mir selbst einen Wert geben und meine innere Stimme öfter zu Wort kommen lassen.

    Dabei brauche ich Hilfe...zur Selbsthilfe.

    Liebe Grüße
    Kopfmensch

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