Ich hatte einen Rückfall als Co.-Abhängige

  • Liebes Forum,
    ich glaubte, schon den Weg in die Unabhängigkeit gefunden zu haben. Der Besuch in Angehörigen-Gruppen baute mich auf, ich fühlte mich bestärkt und wollte meinen Weg gehen. Dann kam das Alleinsein und ein finanzieller Engpass, in dieser Situation meldete sich mein getrennt lebender Ehemann und bot mir seine Hilfe an. Das war zuerst erleichternd, ich fühlte mich unterstützt und aufgehoben. Wir haben eine Woche zusammen in seiner Wohnung verbracht, es war sogar recht harmonisch, und ich verfiel der Illussion, dass dieses Leben doch gar nicht so schlecht sei. Wir gingen zum Essen und ich bekam eine neue Jacke und ein Paar Schuhe, ging zum Friseur und zur Fußpflege, fühlte mich wieder als Frau attraktiv und angenommen. In dieser Zeit musste ich erkennen, dass mein Mann sein Leben gar nicht verändern will, ich soll lediglich da hineinpassen. Seine Familie wird ihn immer finanziell unterstützen, und seine Mutter wird sich nicht von ihm abwenden, sie nimmt ihn so an
    und ist abhängig von seiner Zuwendung. Ihre Hoffnung war, dass ich als Ehefrau, ihn vom Alkohol weg bekomme. Ob ein Mann trinkt, dass liegt schließlich an der Frau, so ihre Worte. Ich habe bemerkt, dass er mir nüchtern überhaupt nicht gefällt, er ist dann grantig und unleidlich, erst nach einer gewissen Menge Bier hat er seinen Normalzustand, in dem er noch nicht einmal betrunken wirkt. Ich hatte tatsächlich geglaubt, damit leben zu können und wegzusehen, solange es mir dabei gut geht. Am Wochenende ging mir das dann alles auf den Keks, es ging nur um Fußball und Getränke, nach einem Spaziergang wollte mein Mann dann sofort wieder in die Kneipe, um dort mehrere Biere hastig zu trinken. Während ich meine Apfelschorle trank, störte mich sein Trinken und mir war klar, dass wir niemals am Tag etwas gemeinsam unternehmen können, mit dem Wagen unterwegs sein schon gar nicht, weil er nach ein paar Bieren glücklicherweise nicht mehr fährt. Das heisst im Klartext, dass sich die gesamte Freizeit auf Kneipen und Fussballpätze reduziert. Dann und wann mag ich ja auch mal ausgehen und abends ab 20.00 Uhr mal ein Bier oder was anderes trinken. Doch er trinkt am Wochenende bereits gegen 11.30 Uhr sein erstes Bier, das werden dann so bis 10 Biere pro Tag. Er sieht sich nicht als Alkoholiker, sondern trinkt aus Langeweile. In der Woche kann er nach seiner Tätigkeit am Vormittag nicht allein in der Wohnung sein, folglich sitzt er stundenlang in der Kneipe und will dann abends mit mir zum Essen gehen. Nun bin ich hier wieder allein in meiner Wohnung und habe wieder mal einen Brief geschrieben, dass ich so nicht mehr leben kann und mag. Ich kann es in Briefen besser ausdrücken, dort kann ich alles hineinbringen, ohne unterbrochen oder angeschrien zu werden. Ein Gespräch ist nicht möglich, morgens nüchtern mag er nicht reden, angetrunken überschreit er sich und macht Schuldzuweisungen. Das Problem liegt auch darin, dass ich für mich noch keine zufriedenstellende Alternative für meine Freizeitgestaltung gefunden habe und sämtliche Bekannte alle gerne einen Trinken gehen. Dann war das manchmal besser als gar nichts.
    Ich hoffe für mich, einen Weg zu finden. LG Laurina :x

    Hinter jeder Sucht steht eine Sehnsucht, hinter jeder Sehnsucht steht eine Hoffnung.

  • Hallo Laurina,

    ich erzähl Dir mal was aus meinem Leben vor dem Alkoholismus.

    Meine Tochter war 3 Jahre alt und mein Sohn 1/2 Jahr.
    Da hab ich mich vor den Spiegel gestellt, mich angeguckt und hab mich folgendes gefragt:
    " Du hast nur ein einziges Leben, möchtest Du das so bis zu Deinem Ende leben?"

    Die Antwort war nein und ich bin gegangen.

    Ich hoffe, Du kannst in diesen recht wenigen Worten lesen was ich Dir sagen möchte.

    Liebe Grüsse Käthe

    PS: die Selbe Frage hab ich mir vor 2,5 Jahren wieder gestellt und hab aufgehört zu Trinken

    Alkohol ist nicht die Antwort, aber beim Trinken vergisst man die Frage.

  • Liebe Käthe,
    wenn ich Dich richtig verstanden habe, so hast Du beim ersten Mal einen abhängigen Mann verlassen und hast danach selbst mit dem Trinken angefangen, Heute lebst Du gut ohne beides. LG Laurina :wink:

    Hinter jeder Sucht steht eine Sehnsucht, hinter jeder Sehnsucht steht eine Hoffnung.

  • Liebe Chrissyta,
    Du hast meine Unzufriedenheit richtig heraus gelesen. Ich bin nicht zu meinem Mann zurückgegangen und lebe nicht mit ihm, sondern habe seit über einem Jahr meine eigene Wohnung. Ich habe einige Tage bei ihm mit gewohnt, es ist fast keine sexuelle Anziehungskraft mehr vorhanden. Um ein Gespräch zu bitten, erscheint mir sinnlos, er diskutiert nie nüchtern, sondern wird erst dann gesprächig, wenn er genügend intus hat. Dann werden die Gespräche allerdings unsachlich und aggressiv und sind durch Schuldzuweisungen an mich geprägt. Mir wird dann vorgeworfen, ich hätte es an der Psyche und käme mit meinem Leben nicht zurecht. Darum weiß ich allerdings nicht mehr, was ich ihm noch sagen soll und begreiflich machen kann, dass so ein Leben für mich höchst unbefriedigend ist und dass es mich krank macht. Aus diesem Grund schrieb ich Briefe, um alles sagen zu können und nicht ständig unterbrochen zu werden. Gerade jetzt beim Schreiben merke ich gerade, wie unsinnig diese Briefe waren, sie hatten nur den Zweck, dass ich was loswerden konnte. Meinem Mann habe ich damit aber wieder Angriffspunkte geboten. Ich möchte gerne mit einem einzigen Satz klipp und klar und konsequent sagen können, so nicht -ich habe etwas Besseres im Leben verdient. Das schlimme daran ist, dass ich daran glauben und davon überzeugt sein sollte, dass mir tatsächlich was Besseres zusteht, wenn Du verstehst, was ich meine. Weil ich selbst nicht daran glaube, wirke ich auch nicht überzeugend. Das kleine Mädchen in mir kämpft immer noch um die Anerkennung des Vaters, je schlechter sie behandelt wird, desto mehr legt sie sich ins Zeug, weil sie glaubt, um Liebe und Anerkennung kämpfen zu müssen. Das ist mir in Fleisch und Blut übergegangen und spielt sich alles im Unterbewusstsein ab. Ich weiß das alles und kann Andere von Außen gut beraten, nur mir selbst kann ich nicht helfen. Es ist wie ein Fluch, der nach Befreiung schreit. Mich selbst achten, wertschätzen und lieben - wo bekomme ich das her, wie stelle ich das an. Ich stelle so hohe Anforderungen an mich selbst und finde immer wieder einen ungenügenden Punkt. Bin so leicht anzugreifen und zu verletzten. Auf der Arbeitsstelle war ich eine von den Guten, dennoch habe ich mich ständig angezweifelt und mein Licht unter den Scheffel gestellt. Ich wünsche so sehr, mich einmal völlig in Ordnung zu finden. Heute Abend war ich wieder in einer Angehörigengruppe vom Blauen Kreuz, dort kann ich frei über mich reden und werde als wertvolle Gesprächsparterin geschätzt. Ein Angehöriger Mann war ganz verunsichert und stotterte, eine andere Frau konnte gar nicht reden und fing sofort an zu weinen. Ich konnte das auffangen und helfen, und dennoch halte ich so wenig von mir und lasse mich von meinen Männern schlecht behandeln. Das ganze ist recht schizophren, ich brauche einen schwachen und kranken Mann, um mich selbst stark zu fühlen, auf der anderen Seite lasse ich mich von dem selben Mann schlecht behandeln und schwächen. Das grenzt an Selbstzerstörung. Ich kenne auch die Ursache, und dennoch fehlt mir der Mut, der Sprung ins Wasser für ein freies und unabhängiges selbstbestimmtes Leben, bin ich feige und träge und wärme mich im Pseudoschutz, der Netz und doppelten Boden bietet. Welch ein Preis? LG Laurina :wink:

    Hinter jeder Sucht steht eine Sehnsucht, hinter jeder Sehnsucht steht eine Hoffnung.

  • Liebe Chrissyta,
    warum lasse ich nicht los, das ist eine gute und berechtigte Frage. Ich denke, dass ich mich einfach dagegen wehre, es wieder mal nicht geschafft zu haben, es ist so, als ob ich versagt habe, es muss doch mal ein Mann dabei sein, dessen Liebe groß genug ist, dass er sich für mich ändern würde. Als wollte ich der Welt beweisen, ich bin für ihn die große Liebe, für mich macht er das. Es fällt natürlich auch das Eingeständnis schwer, dass all die Versuche, Anstrengungen, Überzeugen wollen und rumkramen in den Familienverhältnissen, analysieren usw. für die Katz waren. Für all das Aufopfern wollte ich eine Anerkennung als Gegenleistung und recht bekommen. Das war mein Ziel. Vor allen Dingen wollte ich meiner Schwiegermutter gegenüber den Triumph haben, dass ihr Sohn mich doch liebt und anerkennt, was ich für ihn alles getan habe. Nun bin ich schachmatt und habe noch ganz viel Wut in mir. An erster Stelle wohl auf mich selbst, denn Niemand hat mich dazu gezwungen. Meine Bemühungen waren also erfolglos. Das ist bitter aber ich muss lernen, es so anzunehmen. Wenn ich nun mich allein mit meinem Leben betrachte, so entsteht zu allererst eine Leere und die Frage, was fange ich damit an, was kann ich dafür tun, dass es mir gut geht. Und das schlechte Gewissen muss weg, dass ich ihn im Stich gelassen habe, denn das wird so von seiner Familie ausgelegt, auch das muss ich loslassen, das ist alles nicht einfach, wenn man wie ich zeit seines Lebens in Abhängigkeiten verstrickt war. Ich hoffe auf die Kraft es zu schaffen. LG Laurina :wink:

    Hinter jeder Sucht steht eine Sehnsucht, hinter jeder Sehnsucht steht eine Hoffnung.

  • Liebe Sana,
    mir wurde mal gesagt, man muss alles so lange machen, bis man satt ist. Ich brauchte wohl lange, um satt zu werden. Jetzt, im Nachhinein betrachtet, finde ich es gut, dass ich mir es noch mal angesehen habe, um feststellen zu können, dass es nicht mehr das ist, was ich leben will. Durch das Alleinsein, finanzielle Schwierigkeiten und dadurch, dass ich für mich noch keine zufriedenstellende Alternative für mein Leben gefunden habe, war das Angebot der Hilfe meines Mannes wie ein Strohhalm, den ich aufnahm. Professionelle Hilfe? Ich war in Angehörigen Gruppen und habe mich mit dem 12-Schritte-Programm beschäftigt. Nächste Woche habe ich einen Termin in einer Beratungsstelle. Will u.a. was für mich tun, wie Entspannung und Selbstbehauptung. Gestern Abend bin ich ins Kino "Der Fischer und seine Frau" konnte herzlich lachen und den Abend zufrieden ausklingen lassen. Tag für Tag freunde ich mich mehr mit meinem eigenen Leben und mit mir selbst an. Habe noch ganz viel an Wutgefühlen loszulassen, was nicht einfach ist. Geholfen hat mir, dass ich immer wieder alles aufgeschrieben habe, am nächsten Tag noch mal durchgelesen und zerrissen. Es wird weniger, was ich aufschreibe. Ich mache jetzt eine Inventur mit mir und stelle fest, dass ich ganz falsch gedacht habe - meine Gedankenmuster kreisten nur um die Probleme anderer Menschen. Heute kann ich davon schon mal Abstand nehmen und mir sagen, ich habe mit meinem eigenen Leben genug zu tun. Zu einer Entscheidung bin ich gelangt, kein Alkoholiker soll mehr in mein Leben, weder trocken oder nass. Weil ich nicht mehr mit Suchtproblematik leben will, sondern ganz normal. Darum will ich auch andere Freizeitaktivitäten finden, als überwiegend in einer Gruppe, in der es auch immer wieder um die Problematik des Trinkers geht. Die Angehörigen reden weitaus mehr über die Probleme und Fortschritte des Trinkers, als über sich selbst. Das sind meine Erfahrungen. Ich hoffe für mich, auf einem guten Weg zu sein und nicht noch einmal rückfällig zu werden. LG Laurina :wink:

    Hinter jeder Sucht steht eine Sehnsucht, hinter jeder Sehnsucht steht eine Hoffnung.

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