Hallo,
tja wie soll man anfangen, also vielleicht erstmal zu mir, ich bin 26 Jahre alt und lebe mit meinem Verlobten und meinem Hund zusammen. Die Beiden bedeuten mir sehr viel, in letzter Zeit merke ich, dass ich ihnen sehr viel zu verdanken habe.
Sorry erstmal für den Roman, aber ich habe mich schon kurz gefasst und dann ist es trotzdem soviel geworden, aber es hat gut getan, sich das alles mal von der Seele zu schreiben, am Anfang fiel es mir sehr schwer und dann habe ich einfach nur noch geschrieben. Ist vielleicht ein wenig durcheinander und soviel habe ich noch niemanden erzählt.
Meine Mutter ist alkoholkrank seit dem ich denken kann. Früher wo ich und meine Schwester (sie ist 3 Jahre jünger als ich) noch klein waren, haben meine Eltern uns immer erklärt, dass wenn sich meine Mutter „komisch“ benimmt, Mondsüchtig wäre. Wir haben das sehr lange geglaubt und haben dann geheime Zeichen entwickelt um uns gegenseitig zu warnen, wenn wieder „Ärger“ in der Luft lag. Merkwürdig nur, wenn sich das Verhalten auch zeigt, wenn mal kein Vollmond ist - haben wir dann irgendwann auch begriffen. Mein Vater ist Co-abhängig und zwar meiner Meinung nach ziemlich extrem. Meine Eltern streiten sehr viel, auch über banale Dinge, es stört sie auch nicht, wenn ich und mein Freund anwesend sind. Als kleines Kind waren die Streitereien immer sehr heftig, ich habe teilweise zu ihnen gemeint, dass sie sich bitte trennen sollen. Ich und meine Schwester haben viel geweint. Meine Mutter hat mal schlimmer und mal bessere Zeiten. Wenn sie schlimme Zeiten hat, dann äußert sich dass mit einem hohen Aggressionspotential. Schwanken tut sie dann auch und es ist extrem schwierig sich mit ihr zu unterhalten, hingefallen ist sie hin und wieder auch oder kann sich kaum auf den Beinen halten. Am nächsten Tag kommt sie dann mit Dingen, die man am abend nie gesagt hat, auch Verabredungen irgendwo, wo ich dann wieder keine Ahnung von habe und sie beleidigt ist. Ich glaube wir waren die ersten und einzigen Kinder in unserer Klasse, die schon sehr früh selbst ihre Wäsche bügeln und waschen konnten, aber ich hatte die ständigen Diskussionen satt, wann ich denn endlich wieder frische Wäsche bekommen würde (man war trotzdem stolz drauf). Bevor wir Besuch bekamen, räumten ich und meine Schwester immer die Wohnung auf, damit alles immer gut aussah. Über ihre Krankheit wurde immer schön geschwiegen, sie beherrschte sich auch mal mehr und mal weniger wenn Besuch da war.
Einmal schüttete ich ihren Wein weg, das hätte ich dann wohl nicht tun sollen, weil ich Schläge auf den Rücken bekam, sie bekam da einen richtigen Wutanfall. Auch aus anderen Gründen bekam ich als Kind öfters mal eine gewischt, als Teenie dann nicht mehr, weil es ihnen leid getan hat. Auch sonst verdünnten wir den Wein oder tauschten ihn aus, mein Vater teilweise auch. War uns egal, wenn sie das bemerkte. Wir zählten die Flaschen, suchten die Verstecke.
Freunde lud ich teilweise gar nicht ein, weil mir das peinlich war und ich nie genau voraussagen konnte, ob sie schon morgens von ihrer Krankheit betroffen war oder eher abends, das war immer unterschiedlich. Auch sonst war ich eher immer ein Außenseiter, weil ich sehr still und schüchtern war. Alkohol trank ich nicht und rauchen tu ich auch nicht, weshalb man dann so jemanden lieber nicht zu Parties einlädt, weil so jemand ja langweilig ist (das ist bis heute teilweise noch so, wobei ich auch ganz liebe Freunde habe, die zwar davon nichts wissen, es sie aber nicht stört; mein Freund trinkt auch keinen Alkohol).
Zu meiner Mutter selbst, sie hat mal gemeint, dass sie wohl schon als Jugendliche unter Depressionen und Selbstmordgedanken litt, was man aber wohl nicht ernst nahm. Selbstmordgedanken hat sie wohl immer noch. Meine Schwester erzählte mir, dass man einmal den Krankenwagen rufen musste, weil sie sich mit einer Schere an den Unterarmen verletzte, weil sie sich wohl einredete das mein Vater eine Affäre gehabt hätte, hat er aber definitiv nicht. Die Sanitäter haben sie dann auch nicht mitgenommen. Ich war damals bei meinem Freund, da war ich öfter, weil ich es teilweise nicht mehr aushielt. Manchmal stand sie abends in der Küche und führte Selbstgespräche, dass sie so nicht mehr Leben kann, sie kann nicht mehr, alles sinnlos. Sie hatte mich damals immer auf dem Kicker, teilweise durchsuchte sie täglich meine Zimmer um irgendwas zu finden, was sie mir dann wieder vorwerfen konnte z. B. nahm ich mal eine Konservendose aus dem Keller, wo genügend standen u. als sie dass dann entdeckte, gab es riesen Theater oder wenn ich mal vergaß, schmutziges Geschirr runterzubringen, dann reichte das aus, um sich daran stundenlang aufzuhängen. Sie hat auch Sachen gesagt, die mich ziemlich verletzten. Mein Vater meinte irgendwann zu mir, ich soll es ignorieren. Meine Schwester war meistens so lieb u. informierte mich im voraus, dass ich mich auf Ärger einstellen könne, wenn ich nachhause kam. Irgendwann versuchte sie mir dann meinen Freund zu verbieten, weil meine Schulnoten drunter leiden würden. Ich war zwar nie ein Musterschüler, aber die litten sicherlich nicht unter meinem Freund und auch so waren sie für mich in Ordnung. Ich war auch nie gefährdet sitzen zu bleiben, aber sie bestand immer drauf, dass ich lernte. Freundinnen bei denen ich mich länger aufhielt als zu hause, verbot sie mir auch oder machte sie madig, auch andere Mütter. Meistens meinte sie, dass mich die anderen ausnützen würden.
Meine Mutter ist Haufrau und seit meiner Geburt zu hause, mein Vater verdient sehr gut, weshalb wir auch immer alles bekamen, darüber kann ich mich also nicht beklagen. Selbst heute sind sie noch extrem großzügig, teilweise empfinde ich es als zu großzügig. Allerdings schafft mein Vater extrem viel, so dass wir ihn teilweise als Kinder kaum gesehen haben. Das Verhältnis zu meinem Vater ist auch irgendwie merkwürdig, ich rede mit ihm meistens nur oberflächlich. Allerdings würde ich ihn auch leicht als Workaholic bezeichnen. Da meine Eltern ein Haus haben, ist mein Vater nach meinen Auszug unters Dach in meine Zimmer gezogen. Ich bin vor ein paar Jahren mit meinem Freund zusammengezogen, weil ich sonst daran kaputt gegangen wäre und mein Freund mich sozusagen gerettet hat. Er sagt immer zu mir, dass er möchte das ich glücklich bin, ich soll nur immer sagen, was er tun kann. Nun muss meine Schwester halt leider herhalten, seitdem ich weg bin.
Meine Mutter versucht immer nach jedem Urlaub mit dem Trinken aufzuhören, seit Mai diesen Jahres hat sie es auch knapp 5 Monate geschafft. Ich sag Euch, wir waren alle so glücklich, ich habe mich noch nie so gut mit meiner Mutter verstanden. Seit Oktober hat dann wieder ihre Krankheit angefangen und meine Schwester hat einen Termin bei einer Beratungsstelle ausgemacht, wo wir Mitte November waren, natürlich ohne meine Mutter. Mein Vater war mal mehr und mal weniger begeistert von der Sache, kam dann trotzdem mit. Eigentlich hat fast nur er gesprochen und er hat eine ziemliche Wut auf meine Mutter. Hat aber letztendlich doch nicht verstanden um was es beim Gespräch geht. Die Beraterin meinte, warum er sich nicht scheiden lassen würde, dass käme für meinen Vater aus existenziellen Gründen nicht in Frage. Er möchte sein Haus und seinen Lebensstandard nicht hergeben. Sie meinte auch, dass mein Vater Co-abhängig wäre und wir beide die Lage verstanden haben. Im Januar haben wir den nächsten Termin, ob mein Vater mitkommt ist fraglich. Er hat auch von einer Selbsthilfegruppe Infomaterial mitbekommen, da er aber soviel zu tun hat und was weiß ich, wird er da nicht hingehen.
Nach dem Termin eskalierte das Ganze irgendwie, wir sollten meiner Mutter jeder einzeln sagen, dass wir beim Beratungsgespräch für uns waren, das machte ich und meine Schwester auch einzeln und meinten jeder zu ihr, dass sie für sich doch auch ein Beratungsgespräch ausmachen sollte. Da sie ja gegen alles und jeden ist, meinte sie, dass es ihre Sache wäre. Den Tag danach war sie nüchtern und wohl sehr einsichtig, hat sich von meiner Schwester alle Adressen geben lassen u. das war es dann auch mal wieder. Außerdem war es ihr sichtlich peinlich. Mein Vater hat das Gespräch wieder ein paar Tage aufgeschoben u. hat ihr dann wohl gesagt, dass sie einen Entzug machen sollte, sonst würde er das Schweigen brechen. Tja weder hat sie einen Entzug gemacht, noch hat er seine Sache durchgezogen, aber nicht mein Problem, das ist ihr Leben.
Seitdem habe ich die Hoffnung aufgegeben, dass sie sich von der Krankheit loslöst, so allmählich scheint mir auch der Gesundheitszustand meiner Mutter nicht mehr der Beste zu sein. Ich habe mich auch schon mit dem Gedanken auseinandergesetzt, dass sie diese Krankheit nicht überleben wird und das es ansich nur noch eine Frage der Zeit ist. Aber ich habe begriffen, dass ich mein Leben in die Hand nehmen muss und wieder lernen muss, für mich selber die Verantwortung zu übernehmen. Nach den Erfahrungsberichten hier, weiß ich auch endlich, warum ich so komisch bin. Ich bin sehr schnell gereizt, ich kann mich auch über Kleinigkeiten aufregen und mein Freund bekommt dann meinen plötzlichen Anfall ab, Selbstvertrauen habe ich überhaupt keines u. ansonsten verhalte ich mich immer unscheinbar, so dass ich kaum wahrgenommen werde. Allerdings streiten wir kaum, weil ich Rücksicht auf meinen Hund nehme u. ansich sehr friedlebend bin. Ich bin wirklich froh ihn zu haben. Zu fremden Menschen brauche ich ewig bis ich Vertrauen fasse, das kann Jahre dauern und selbst dann sind da Zweifel, ob sie mich wirklich mögen. Ich kann stundenlang neben einer Person stehen ohne was zu sagen, weil ich immer Angst habe, ich sag was falsches, möchte ich dann was sagen, bekomm ich kein Wort raus, als würde mein Mund zugeklebt sein oder ich habe einen trockenen Hals. Mich halten sicherlich viele für merkwürdig, weil ich immer so still bin u. das tut mir selber leid, weil ich ansich nicht abweisend wirken möchte. Vor 2 Wochen habe ich mal einer Freundin davon erzählt, sie ist um einiges Älter und hat es wirklich gut aufgenommen, war wirklich lieb. Aber dem Rest traue ich dass nicht zu sagen, obwohl es sicherlich gut wäre. Dabei geht meine eine Freundin auch zu einem Psychologen u. würde mich sicherlich wunderbar verstehen, aber mir fehlen einfach die Worte und warum sollte ich andere damit belästigen.
Sorry ich könnte hier noch seitenlang schreiben, was mir nur noch sehr am Herzen liegt, ist folgendes, wir hatten damals einen Familienhund. Als dieser starb war meine Mutter sehr traurig, wir trösteten sie so gut wir konnten. Da ich damals Th-Hunde ausführte, hatte ich gerade einen süßen Schatz der ein zuhause suchte. Wir nahmen meiner Mutter dann das Versprechen ab, dass sie mit dem Alkohol aufhören soll und dafür den Hund bekommen würde. Wie naiv das zu denken. Sie versprach es und bekam das Hündchen. Mittlerweile ist er verstört, in den 5 Monaten wo sie „normal“ war, hat sie tolle Fortschritte mit ihm gemacht und jetzt kracht wieder alles zusammen. Er ist angstagressiv und geht jeden Besucher an, außer die Familie, die mag er nämlich. Deshalb bekommen meine Eltern noch weniger Besuch. Ich habe auch einen Hund aus dem Th u. die zwei verstehen sich gut. Hergeben möchten sie ihn nicht, ich hätte ihn auch genommen. Aber wenn sie mal wieder krank ist, dann drangsaliert sie den Hund, so dass er gar nichts mehr kapiert. Da ich sehr tierlieb bin, habe ich ein sehr schlechtes Gewissen. Leider ist der Hund auch noch eine sehr arbeitsfreudige Rasse, so dass er zurzeit wieder völlig unausgelastet ist, meine Schwester kümmert sich sehr viel um ihn und wenn ich Zeit habe, ich auch. Dann erzählt meine Mutter immer jedem, dass er aus dem Tierheim ist und deshalb so gestört, die Leute finden dass dann extrem toll und bewundern das. Ich habe ihr schon mehrmals gesagt, dass es an ihr liegt, das wird mal mehr und mal weniger angenommen, kommt auf ihren Zustand an. Hundetrainer sind massig bestellt worden, ändert sich halt nicht wirklich was, was auch logisch ist. Da ich mich mit Hunden sehr gut auskenne, tut mir das in der Seele weh. Ich hab ein kleines Wesen ohne Groß nachzudenken geopfert, so kommt mir das vor.