Zwischenbericht II

  • Hallo zusammen,

    nach langer Pause möchte ich mich mal wieder hier bei euch im Forum melden. Fast drei Jahre bin ich nun trocken auf meinem neuen Weg, genauer gesagt sind es 981 Tage. Ich bin weiterhin rückfallfrei, auch in brenzligen, emotionalen Situationen habe ich stets die Kurve gekriegt und mich fürs Leben - für mich - entschieden.

    Dankbar bin ich, und manchmal ganz schön stolz auf mich. Aber ich will mich vor Überheblichkeit hüten, denn vor allem im vergangenen Jahr habe ich deutlich zu spüren bekommen, wie steinig dieser Weg sein kann und sicher auch noch sein wird. Meine dependenten Strukturen sind mir immer bewusster geworden, dass diese sich beileibe nicht nur in punkto Alkoholabhängigkeit zeigen, sondern meine ganze Persönlichkeit umfassen.

    Ich habe feststellen müssen, dass ich mich auch trocken und unbetäubt viel zu schnell in ungesunde Abhängigkeiten begebe und dann den Weg zurück zu mir nur noch mit großer Anstrengung finde. Obwohl ich überzeugt war, meine Würde und Selbstliebe wieder gefunden zu haben, mich aus der Opferrolle befreit zu haben und die Verantwortung für mein Leben übernommen zu haben, habe ich mich auf eine Beziehung eingelassen, die von Beginn an schwierig und sehr kompliziert war, in der ich immer unzufriedener wurde und meine negativen Seiten immer mehr Raum bekamen.

    Es hat lange gedauert, bis ich begriffen habe, dass ich mich wieder einmal selbst nicht ernst nahm und aus purer Angst vor dem Alleinsein lieber auf der Dauerbaustelle blieb und Fehler bei der Partnerin suchte, sie verändern wollte, anstatt loszulassen und meinen Weg konsequent weiter zu gehen. Erst ein sehr schmerzhaft-ehrliches Gespräch mit meinem damaligen Suchttherapeuten hat mich zum Handeln bewegt. Nun fühlt es sich wieder richtig an und ich spüre deutlich, wie wichtig das alles für mich war. Wichtig, weil in dieser Zeit wieder tiefe, schmerzhafte Gefühle zum Vorschein kamen, weil ich ein Stück mehr weiß, was ich eigentlich will und auch, weil mir sehr deutlich wurde, dass ich nicht für die Baustellen anderer verantwortlich bin. Zeitweise hatte ich größte Schwierigkeiten, (an)zuerkennen, dass ich nicht "nur" alkoholkrank bin, sondern auch eine starke Tendenz zur Co-Abhängigkeit mit entsprechend schweren Helfersymptomen in mir trage. Wie ähnlich die Symptome sind, ist mir erst kürzlich wieder im Rahmen eines Seminars mit Abhängigen und deren Angehörigen überdeutlich bewusst geworden.

    Von größtem Gewicht ist bei all diesen Erkenntnissen und Erfahrungen aber die Tatsache, dass ich rückfallfrei trocken geblieben bin und meinen Vorsatz, dass mir im schlimmsten Fall meine Trockenheit wichtiger ist, als die Beziehung, auch ernst genommen habe. Dies zeigt mir, dass ich einige wesentliche Dinge auch wirklich verinnerlicht habe und vor den nächsten Überraschungen und Herausforderungen auf meinem Weg keine Angst haben brauche.

    Das liest sich vielleicht erst einmal alles gar nicht so prickelnd an. Aber auch mit schwierigeren Phasen besser und geduldiger umzugehen, das gehört zum Langzeitprogramm. Es ist wirklich ein schöner, spannender Prozess voller Überraschungen und mit täglich neuen Herausforderungen. Ich fühle mich manchmal wie ausgewechselt, vom dauerkritischen Pessimisten bin ich zum lebensbejahenden Optimisten mutiert : Und es ist kaum zu beschreiben, wie schön sich das anfühlt, wenn es wirklich aus dem Innersten kommt und nicht mehr alles so schwer ist. Gerade die kleinen Erlebnisse, die alltäglichen Dinge, lassen mich oft innerlich staunen, trauern oder oft auch schmunzeln - über mich selbst und darüber, wie hochmütig und innerlich erstarrt ich mein Leben früher mit Füßen getreten habe…

    Viele der Dinge, die ich mir hier im Forum im Herbst 2006 gewünscht und vorgenommen habe, sind inzwischen verwirklicht. Ich reite nach wie vor regelmäßig, bin mittlerweile ein zweites Mal umgezogen, in ein superschönes, kleines Häuschen mit Garten und freiem Ausblick. Zwei kleine Kätzchen sorgen in jüngster Zeit für eine Menge Aufregung und Freude und meine Arbeit macht mir - meistens - wieder richtig Spaß. Ich besuche wie bisher und sehr regelmäßig meine Lieblingsselbsthilfegruppe und fühle mich dort 100%ig wohl. Im Rückblick fühlt sich meine damalige Entscheidung, meinen Weg ohne Forum weiterzugehen, richtig an. Ähnliche Entscheidungen habe ich seitdem an verschiedenen Stellen gefällt, immer mit dem Focus darauf, dass ich Stück für Stück die Selbstverantwortung übernehme.

    Dies soweit mal wieder als Rückmeldung, freu mich immer wieder über die sporadischen Erinnerungsmails von Carsten an Feiertagen oder einfach so zwischendurch. Ich hoffe, dass möglichst viele von euch ihren ganz eigenen Weg ohne dieses Teufelszeug finden und auch konsequent gehen (werden)! Es lohnt sich und seid ganz sicher - irgendwann fängt es an, richtig Spaß zu machen und (fast) jeden Tag gut zu tun :wink: .

    Liebe Grüße von
    - dibo -

    "Wer Schmetterlinge lachen hört,
    der weiß, wie Wolken schmecken..."
    (Novalis)

  • Hallo Dibo,

    Ab und zu habe ich das Bedürfniss im Forum zu lesen und freue mich sehr, einen Beitrag von dir zu finden. Liest sich doch sehr positiv.
    Wie steinig der Weg sein kann, erlebe ich gerade wieder. Aber wenn ich solche Strecken geschafft habe, bin ich hinterher um so stärker.

    Bis hoffentlich bald mal wieder,

    liebe Grüße,

    Frodo

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