Kinderwunsch - und Angst davor.

  • Hallo Zusammen, liebe Mütter und Väter,

    seit mehr als einem Jahr wünsche ich mir ein Kind, schwanger bin ich aber bislang nicht. Im letzten Urlaub mit meinem Partner ist mir klar geworden, dass ich in Wirklichkeit noch große Angst vor der Verletzlichkeit und Abhängigkeit habe, die (vermutlich) auf mich wartet, wenn ich ein kleines Kind versorge(n muss). Wo ich doch mein Leben damit verbringe, dafür zu sorgen, eben möglichst nicht verletzlich oder abhängig zu sein.

    Ich denke, dass viele Frauen (und wahrscheinlich auch Männer) diese Ängste haben. Glaube aber auch, dass erwachsenen Kindern Alkoholkranker diese Lebensphase noch viel bedrohlicher erscheint. Ich habe viel darüber nachgedacht. Möchte mich gerne dieses Angstgebildes entledigen.

    Kennt Ihr das Gefühl? Hat sich Eure Angst bestätigt? Wie seid Ihr damit umgegangen? Gewinnt man am Ende doch mehr als man verliert? Und welche anderen Blickwinkel gibt es? Ein Erfahrungsaustausch mit Euch zu dem Thema würde mir sehr gut tun.

    Viele Grüße vom
    Rosenkind

    "Jeder Mensch sucht nach Halt - dabei liegt der einzige Halt im Loslassen." (Hape Kerkeling)

  • Hallo Rosenkind,

    herzlich willkommen im Forum.

    Ich finden du hast schon viel erkannt, wenn du dir deiner eigenen Angst, abhängig zu sein, bewusst bist. Damit hast du die Basis daran zu arbeiten.

    Ich kann dein Problem sehr gut verstehen. Bei mir war es so, das ich einfach alles besser machen wollte als meine Eltern. Aber man wird über das Kind auch immer wieder mit seinen eigenen Erfahrungen als Kind konfontiert. Das war für mich teilweise sehr schmerzhaft.

    Auch seine Eltern zu integieren oder eben nicht ist eine schwierige Frage.

    Ein Kind zu haben heisst Verantwortung zu tragen, 24 Stunden am Tag. Die Frage ist, empfinde ich mich als abhängig, verliere ich mich deswegen selbst. Das ist nicht zwingend notwendig, wenn ich es lerne trotzdem für mich zu sorgen, was gerade uns EKA`s sehr schwer fällt.

    Aber wie gesagt du hast das Problem ja schon erkannt und damit den ersten Schritt zur Lösung.

    Liebe Grüsse
    Zauberstein

  • Hallo Zauberstein,

    vielen Dank für Deine Antwort.

    Merkwürdigerweise habe ich gar keine Zweifel, dass ich keine gute Mutter sein könnte. Ich denke immer, wenn meine Mutter geschafft hat, mich (trotz allem) groß zu kriegen, dann werd ich - mit einer viel stabileren emotionalen Grundausstattung - das erst recht gut hinkriegen.

    Zitat von zauberstein


    Aber man wird über das Kind auch immer wieder mit seinen eigenen Erfahrungen als Kind konfontiert. Das war für mich teilweise sehr schmerzhaft.

    Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Ja - das kann ich mir gut vorstellen. Ich kenne das Gefühl einer schmerzhaften Traurigkeit - oder auch von Neid - wenn ich Kinder unbeschwert fröhlich spielen sehe. Ich wünsche mir und hoffe, dass ich die Gelegenheit ressourcenorientiert nutzen kann, ein bisschen Kindheit nachzuholen.

    Zitat von zauberstein


    Auch seine Eltern zu integieren oder eben nicht ist eine schwierige Frage.

    Meine Mutter - die schwer abhängig war - ist letzten Sommer gestorben. Mein Vater hat eine neue Frau gefunden - Alkohol ist hier zwar auch Thema, aber nicht so pathologisch.

    Zitat von zauberstein

    Die Frage ist, empfinde ich mich als abhängig, verliere ich mich deswegen selbst. Das ist nicht zwingend notwendig, wenn ich es lerne trotzdem für mich zu sorgen, ...

    Ich bin gerührt, wie sehr Du den Nagel um meine Angst herum triffst. Zwischen den Zeilen lese ich, dass ich - wenn es soweit ist - selbst entscheiden kann oder soll, ob ich der Situation als "Opfer" begegne, mich abhängig und ausgeliefert fühle. Oder ob ich mein Leben mit dieser Verantwortung aktiv gestalte und für mich sorge. Das ist ein schöner Gedanke. Wahrscheinlich nur nicht immer leicht umzusetzen.... vor allem nicht ohne die Unterstützung von Mann, Freunden, Eltern, ... wo wir schon wieder eine Abhängigkeit hätten. Aber vielleicht ist das auch eine dieser Aufgaben: Beziehung nicht gleich als Abhängigkeit zu betrachten sondern als aufrichtiges Miteinander... Oh Mann... Kopfkino. Mit solchen Gedanken kann ich mich stundenlang um mich selbst drehen. Ob das so zielführend ist?

    Liebe Grüße
    Rosenkind

    "Jeder Mensch sucht nach Halt - dabei liegt der einzige Halt im Loslassen." (Hape Kerkeling)

  • Hallo Rosenkind,

    Zitat

    Beziehung nicht gleich als Abhängigkeit zu betrachten sondern als aufrichtiges Miteinander.

    Ich denke da hast du es sehr schön zusammengefasst. Ich kenne das Problem im Umgang mit meinem Partner, da hatte ich einen Punkt an dem ich weggehen wollte, weil ich merkte, er wird mir zu wichtig. Ich wollte weggehen, weil ich Angst hatte er könnte mich verletzten. Ich habe erkannt, das das nicht die Lösung sein kann und bin geblieben. Ich wurde nicht verletzt.

    Nur weil wir einmal sehr schwer enttäuscht wurden, heisst das nicht das es wieder passieren muss. Wenn wir uns nicht drauf einlassen können wir nichts verlieren aber wir können auch nichts gewinnen.

    Gelingt es dir, dich auf eine Partnerschaft einzulassen? In deinem Text habe ich etwas gelesen, ohne Partner und Familie?

    Ich denke es ist immer eine Gradwanderung zwischen den eigenen Interessen und denen eines Partners/ Kindes. In unserer Kindheit hat sich alles nach unserem abhängigen Elternteil gerichtet. Wir brauchen Zeit um unsere eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen. Aber auch die sollten meiner Meinung nach nicht immer im Zentrum stehen. Sondern es geht um ein Geben und Nehmen das ausgewogen ist.

    Das die Gedanken immer um einen Punkt kreisen, wie du es beschreibst kenne ich auch. Ich denke das ist ganz normal wenn man sich mit etwas auseinandersetzt.

    Für mich stellt sich in der Beziehung zu meinem Sohn die Frage :Muss ich den Kontakt zu seinen Grosseltern unterstützen, auch wenn es mir dabei nicht gut geht?

    Als er geboren wurde glaubte ich ja. Mittlerweile hatten wir zwei Kontaktabbrüche. Meine Eltern versuchen mir einzureden das es für ihn besser wäre. Ich finde mittlerweile, das es ist für das Kind wichtig das es der Mutter gut geht. Mir geht es mit meinen Eltern leider sehr schlecht. Mein Vater droht jetzt mit "Maßnahmen" um an seinen Enkel zu kommen. Irgendwie hat mein Sohn der altern Problematik zwischen mir und meinen Eltern, neue Dynamik gegeben. Ohne ihn müsste ich mich jetzt nicht mehr mit meinen Eltern auseinandersetzen.

    Liebe Grüsse
    Zauberstein

  • Hallo Zauberstein,

    ja, ich kenne diese Fluchttendenz auch gut. Ich war lange Zeit Beziehungsabhängig. Nach Beendigung einer Therapie und meines Studiums und einigen Jahren "Abstinenz" (ich blieb zum ersten Mal seit meinem 12. Lebensjahr für längere Zeit ohne Freund) habe ich dann einen Mann kennengerlent mit dem ich jetzt, nach fast vier Jahren, noch immer zusammen bin. Ich hatte vor allem in der Anfangsphase wieder oft dieses Fluchtbedürfnis. Stärker war aber der feste Wille, diesmal Beziehung "auszuhalten" und Nähe zu wagen. Das war sehr heilsam. Jetzt wünschen wir uns ein Kind.

    Wenn ich schreibe "ohne Mann und Eltern", hast Du mich in meiner Angst ertappt, verlassen zu werden. Ich mache mich in Gedanken schon jetzt aufs Schlimmste gefasst. Aber wie Du schon schreibst:

    Zitat von zauberstein

    Nur weil wir einmal sehr schwer enttäuscht wurden, heisst das nicht das es wieder passieren muss. Wenn wir uns nicht drauf einlassen können wir nichts verlieren aber wir können auch nichts gewinnen.

    Das macht Mut. Denn wenn ich aufrichtig hinschaue, bin ich eine tiefe Beziehung zu meinem Partner eingegangen. Meinen Vater und seine Frau sehe ich nicht häufig. Aber wenn wir uns sehen, ist es herzlich. Mit meiner Mutter konnte ich glücklicherweise vor ihrem Tod noch ins Reine kommen. Ich konnte ihr vergeben und wir konnten uns aufrichtig in die Arme nehmen. Ich glaube ihr, dass sie das Beste gegeben hat, was sie geben konnte. Sie war selbst sehr sehr verletzt, vom Leben und den Erlebnissen in ihrer Kindheit gebrochen. Sie wollte, dass es mir gut geht. Wie jede Mutter. Leider hatte sie nicht genügend Kraft.

    Meine Schwester hat auch viele viele Jahre den Kontakt zu unserer Mutter abgebrochen. Sie war am Ende sehr froh, dass sie sich in den letzten Jahren wieder auf sie eingelassen hat. Sie sagt heute, dass sie tatsächlich dadurch viel gewonnen hat.

    Die Vorstellung, mein Vater würde mich wegen meines Kindes verklagen, finde ich sehr sehr verletztend. Das ist wirklich nicht sehr klug von ihm. Und vor allem nicht zielführend. Ich kann gut verstehen, dass Du "dicht machst". Dass Du wütend bist.

    Zitat von zauberstein

    Ich finde mittlerweile, das es ist für das Kind wichtig das es der Mutter gut geht. Mir geht es mit meinen Eltern leider sehr schlecht.

    Geht es Dir denn gut mit einem Kontaktabruch? Heißt "nicht sehen, sprechen, hören" auch "Frieden finden?" Oder verschiebst Du die Klärung der Wunden nur auf später? Ungklärte Beziehungen und Spannungen in der Familie sind immer schmerzhaft für Kinder. Und als EKA weisst Du, wie schnell Kinder davon überzeugt sind, dass sie daran Schuld sind.

    Ich wünsche Dir und allen Lesern eine gute Nacht. Und schöne Träume.
    Rosenkind

    "Jeder Mensch sucht nach Halt - dabei liegt der einzige Halt im Loslassen." (Hape Kerkeling)

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