Hallo liebes Forum,
ich bin Lisken, 29, Frau (ist ja nicht so ersichtlich aus dem Nick) und ich wollte mich austauschen mit Leuten, die kompetent sind im Bereich Alkoholsucht und mir einige Dinge auch einfach von der Seele schreiben und vielleicht die ein oder andere Rückmeldung dazu bekommen, damit ich von aussen ein bisschen ein Korrektiv habe.
Mein Vater ist Alkoholiker, Quartaltrinker. Seit schon sehr lange (ca. 30/35 Jahre). Er hat regelmässig depressive Abstürze, die mit immensem Alkoholkonsum verbunden sind und... das ist schlimm, ich hab das einmal auch live gesehen wie das aussieht bei ihm. Er sieht aus wie eine Wackelpupe, wenn er so bedoffen am Tisch sitzt. Meine Mutter hat sich scheiden lassen, als ich Kind war und mich da ganz rausgenommen und allein erzogen. Sie hat nie schlecht über meinen Vater geredet (zumindest nicht mit mir), aber mir klar gemacht, dass er krank ist, das er deswegen Dinge tut, die einfach krank sind.
Ich hatte lange keinen Kontakt zu meinem Vater (von meinem 9ten bis zu meinem 19ten Lebensjahr), dann hat sich der Kontakt wieder hergestellt und ich hab ein bisschen was von meinem Vater gehabt, auch von seinen nüchternen Phasen, aber irgendwie hab ich immer gewusst, dass das Thema irgendwann hochkommt.
Weil der Kontakt stets nur sporadisch bliebt, konnte ich es 10 Jahre lang vermeiden. Nun ist gestern die Bombe geplatzt.
Das hat sich schon vor ein paar Wochen angekündigt: er hatte einen Absturz und seine Frau (seine persönliche Co-Abhängige sozusagen) hat hier Telefonterror veranstaltet und versucht mich da reinzuziehen, mal so mal anders. Da kam das Thema das erste Mal total hoch und ich habe ihr meine Meinung dazu gesagt, dann habe ich dicht gemacht.
Dann war erstmal bissi Funkstille. Dann hab ich am Sonntag gedacht: klingest mal kurz durch, guckst ob die noch leben. Ja, die lebten noch und hatten sich auch schon wieder berappelt. Und die ehemals so verzweifelte Frau, die mit dem Trinken und der Gewalttätigkeit ihres Mannes nicht klar kam, erzählt mir nun mit einer fröhlichen Mädchenstimme, dass man jetzt bei Ärzten gewesen sei und einige Atteste habe, die einwandfrei beweisen würden, dass mein Vater keinerlei Alkoholproblem hätte und ich könne doch bitte meine Mutter anrufen und ihr das ausrichten!
Ich hab gedacht, ich werd nicht mehr!
Wenn die nicht beide einfach kranke Menschen wären, würd ich denken, die wollten mich für blöd verkaufen und meine Mutter für noch was schlimmeres (in deren Welt habe ich keine Augen im Kopf, meine Mutter hat mir das eingeredet). Da ist mir die Hutkrempe geplatzt: ich hatte die beiden schon mal gewarnt: noch ein Angriff in Richtung meiner Mutter und ich kann für meine Handlungen nicht mehr garantieren.
Dann habe ich meinen Vater angegriffen. Ich wusste, dass ich ihn provoziere, ich wusste aber auch, dass diese Situation über kurz oder lang so oder so eskalieren würde. Ich habe in einem Brief auf einem Din-A 4 Blatt meine eigene Diagnose zusammengefasst und einige Fakten aus Wiki und anderen Quellen zum Thema Quartalssäuferei zusammengeschnitten, drübergeschrieben, dass diese Ärzte vielleicht mal ihre Hausaufgaben machen sollten und das ganze dann da hingeschickt.
Nein, das war nicht nett. Ich hatt die Faxen dicke. Wenn ich eins hasse, dann Lügen. Und anscheinend wollte man mir etwas beweisen, anscheinend sollte ich gezwungen werden diese Lüge mitzumachen und dieses ganze Theater.
Wie auch immer. Am Sonntag schickte ich den Brief los. Am Dienstag Mittag hatte ich erstmal eine wütende Mailboxnachricht der Frau auf meinem Handy. Gott sei Dank war ich in der Bib gewesen. Die belehrte mich, dass man sowas nicht macht, wie diesen Brief, das sei unanständig. Ich habs gelöscht noch bevor es durchgelaufen war.
Abends klingelte mein Haustelefon. Ich ging ran, mein Vater. Begrüsst habe ich ihn noch normal und setzte mich hin, als er ohne eine einzige Frage oder sonstwas schon loslegte: Er brüllte mich an wie ein Verrückter, beschimpfte mich mit er habe schon immer gewusst, wie dreist und mies ich sei und was ich mir erlauben würde ihm solche Briefe zu schicken, woher ich mir das Recht herausnehmen würde! (Grundgesetz: Recht auf freie Meinungsäusserung?) Ich hielt den Hörer am ausgestreckten Arm von mir weg und überlegte ca. 5 Sek lang, ob ich mir das anhören sollte oder nicht. Da legt der im Tonfall (der sowieso schon das so ziemlich schlimmste war, was ich je vernommen hatte!) noch nen Zahn zu! Ich dacht: O Gott, was kommt da noch? Ich zitterte am ganzen Körper, das war wie ein Schock!
Ich hab ja gewusst, dass die Reaktion nicht nett sein würde, aber sowas! Danke, danke, dass ich nun Bescheid weiss, was diese Krankheit wirklich aus einem Menschen macht.
Selbstverständlich habe ich aufgelegt. Und das Telefon auch gleich ausgesteckt.
Nun sitze ich hier und noch während ich das schreibe, ist hier Telefonterror. Telefon ist ausgesteckt (das hab ich in weiser Voraussicht schon gestern vorm Schlafengehen gemacht), dafür summt mein Handy seit kurz vor neun. Jetzt mach ich es mal ganz auf stumm.
In meinem Herzen fühlt es sich gerade an, als wäre mein Vater gestorben. Als sei er einfach tot. Ich weiss, dass ich das nie hinbiegen kann. Ich weiss, dass auch der kuze, wenigstens seminormale Kontakt nun auch wieder weg ist und ich muss nun ohne meinen Vater weiterleben.
Ich wäre euch sehr dankbar, wenn vielleicht der ein oder andere ein paar Worte dafür finden könnte, wie ich mit diesem Verlust umgehen kann. Ich bin wirklich am Boden zerstört.
Danke fürs Zuhören
Lissi
ps. Ich habe mir erlaubt, meinen heutigen Vorstellungsbeitrag, hierher zu kopieren, ich hoffe das geht in Ordnung.