"Ich bin frei" -Mein Weg aus der Sucht-

  • Hallo an alle User/Mods und Admins....

    Ich heiße Sven (Spitzname Zimbo) und bin nun seit 14.12.2009 trocken, da ich der Meinung bin das die Wege, der Betroffenen, in die Sucht, so ziemlich ähnlich sind, es aber X verschiedene Wege wieder raus, bzw. mit der Krankheit umzugehen gibt, stelle ich hiermit einfach mal meinen vor, evtl. kann jemand was nützliches für sich raus ziehen….

    Im wesentlichen habe ich ernsthaft versucht ein Abstinentes Leben zu führen seit Ostern 2007, mir ist es damals gelungen mit der Methode „NEIN“ zum Alkohol ein ¾ Jahr lang trocken zu bleiben, auf Alkohol zu verzichten….

    Ursächlich für meine Entscheidung war ein Unfall mit 1,4 o/oo, durch den mir bewusst wurde das ich ein Problem mit Alk. habe, dass ich aber Alkoholiker bin, bzw. in welchem Stadium ich damals schon befunden habe, wurde mir erst Ende 2009 klar….

    Mein Fehler damals war das ich dachte ich bin Willensstark und brauche einfach nicht zu trinken und alles wird gut, das da noch jede Menge Verhaltens ändernde Maßnahmen, Umgang mit Emotionen, soziale Strukturen usw. mit einspielen hätte ich niemals gedacht, bzw. ich habe mich auch nicht schlau gemacht……

    So kam es dann auch zum Rückfall, das makabere daran, es war die Geburt meiner Tochter….
    Ich war live mit dabei, habe mir dieses Wunder 16 Stunden lang angeguckt, Blut und Schweiß geschwitzt, da nicht alles nach Plan verlief stieg die Sorge, die Angst in mir an, als alles vorbei war natürlich die Freude riesig….

    In diesem fast schon traumatischen Zustand bin ich dann Heim, dort standen überall noch Reste von meiner Geburtstags Party eine Woche zuvor rum und schon war’s vorbei mit der Abstinenz….

    Irgendwie war ich aber der Ansicht diesmal alles kontrollieren zu können, brutale Fehleinschätzung, wie ich dann am 14.12.2009 bitter zu spüren bekommen habe…..

    Diesmal waren es 2,01 o/oo aber nicht nur ein paar schrammen, sondern Sachschaden insg.
    40 000€, zum Glück wurde bei diesem Unfall niemand körperlich verletzt, es waren wieder parkende Autos die ich aus voller fahrt zusammengeschoben habe….

    Für mich endete das in einem Nervenzusammenbruch, ich wurde abends in die Ausnüchterungszelle gesteckt, morgens dann ab in die geschlossene Abteilung der Psychiatrie, im Aufnahme Gespräch musste ich mein Konsumverhalten beschreiben, daraufhin diagnostizierte die Ärztin Alkoholabhängigkeit…..

    Die darauf folgenden 2 Tage verbrachte ich damit im Bett zu liegen und an die Decke zu starren, mein Handy hatte ich ausgeschaltet, war für niemanden zu erreichen, ich wollte durch nachdenken die Frage beantworten WARUM???? Wie konnte das denn passieren?....

    Die einzige Antwort die ich mir geben konnte war: „DU bist Alkoholabhängig“

    Wenn ich diesem Unfall etwas Gutes abverlangen kann, dann das er mich wach gerüttelt hat und das er mich Arbeitslos gemacht hat. Ohne Führerschein kein Job, zudem war der 14.12.2009 der erste Arbeitstag bei meinem neuen Arbeitgeber….


    Wie dem auch sei am dritten Tag dann war es soweit, genug Trübsal blasen Arbeitslos bist jetzt sowieso, also frisch geduscht rasiert, Ärmel hoch ab zur Suchtstation diesmal war es nicht die Willenskraft, die mich antrieb, sondern die ENTSCHLOSSENHEIT, die Entschlossenheit meinem und dem Leben meiner Familie eine neue Richtung zu geben….
    Diese Entschlossenheit bemerkte auch meine Frau, das lies sie das verbockte (Job, Neuwagen schrott, Schulden) zunächst einmal vergessen….

    Bei dem Vorstellungsgespräch mit dem Stationsleiter bedurfte es nicht vieler Worte, allein meine Ausstrahlung hat 1000 Worte gesprochen, der Aufnahmetermin wurde dann auf 18.01.2010 ausgemacht…..

    Am 19.12.2010 sind wir umgezogen, das begünstigte dann auch ein neues Umfeld, von dem her war der Zeitpunkt perfekt um ein neues Leben zu starten….

    Der aus meiner Sicht wichtigste Faktor den ich aus der Motivationsgruppe mitgenommen habe war das das menschliche Gehirn mit verzichten, negativ Formulierungen und nein nicht wirklich klar kommt….

    Ich mein ich kenn genug Leute die durch ein klares nein ihre Abstinenz leben und zufrieden damit sind, doch für mich ist das nichts, ich habe keine Lust und Kraft mein ganzes Leben zu verzichten….

    Deswegen ICH BIN FREI ich habe mich vom Alkohol befreit und genau das sage ich mir jeden Tag und zu jeder Situation in der es brenzlig werden könnte, wobei ich die sowieso zum größten Teil meide, nicht durch Ignoranz, verstecken, sondern durch den offenen Umgang mit meiner Krankheit…

    Und das da noch weit aus mehr dahinter steckt und es für mich nötig war noch mehr hinter die Kulissen zu schauen, zu verändern, in Bahnen lenken die gut für mich und meine Familie sind denn bei genauerem Betrachten habe ich meine komplette Entwicklung Kindheit, Jugend, Erwachsenen alter mit Alkohol zu tun gehabt, habe von Anfang an gelernt ihn zu missbrauchen, mit Genuss hatte das nie was zu tun…..

    Deswegen entschied ich mich Kontakt zur Suchtberatungsstelle aufzunehmen und eine Therapie zu beantragen, ich habe mich für die ganztägig ambulante Form entschieden, da ich dachte, das ist gut so denn so kann ich das was da so Tagsüber gelernt wird Abends gleich ausprobieren, festigen, dem ist auch so….

    Zudem war für mich die ganze Therapie (3 Mon.) ne Art Hardcore intensiv Kurs um innere und äußere Auslöser herauszufinden und den trockenen Umgang damit zu erlernen, basierend auf Teile der kognitiven Verhaltenstherapie, im Prinzip Gedanken beeinflussen Gefühle…..

    Der schwerste Teil war für mich meine übernommenen Schuldgefühle abzulegen, dies geschah indem die Tiefenpsychologin eine systemische Familienaufstellung meiner machte,
    kurz und knapp, obwohl ich immer dachte ich wär’n harter Typ, irgendwie Gefühlskalt, indem Moment hab’ ich geflennt wie’n mega riesen Baby, alles raus, war eh schon längst überfällig….

    Abgerundet wurde das ganze noch durch sportliche Betätigung in einem Fitnessstudio, Sport tut gut, Körper und Geist werden angekurbelt!

    Aber hier war für mich das wichtigste zu erkennen das Ignoranz, sprich dem Problem bzw. den Problemen weglaufen, nicht zu beachten fatal ist und mich nicht zu einer zufriedenen Abstinenz führen kann, ich habe mir angewöhnt extrem auf meine Umwelt zu achten, es entgeht mir kein Edit Schild (Bierwerbung), kein Hefeglas, kein Besoffener, das ich mir mit vollem Bewusstsein reinzieh und mir dabei sage ICH BIN FREI, der Hintergedanke dabei ist das mein Unterbewusstsein diese Dinge aufschnappt und ich der Meinung bin wenn ich damit nicht umgehe sich irgendwann ein Druck aufbaut, diesen es zu vermeiden gillt….

    Ich habe mit dieser Methode, Gedanken beeinflussen Gefühle, es geschafft in diesem Jahr ein Gefühl der Befreiung zu spüren wenn ich nur an Alk. denke, bzw. sehe, wenn ich ihn rieche (Fahne) kommt mir’s kotzen….

    So kann ich sagen, in dem Fall schreiben das ich mich auf emotionaler Ebene recht stabil fühle um täglich trocken zu leben….

    Wobei ich bemerke dass ich mich auf kognitiver Verhaltensebene, das was ich tue wie ich es warum tue gerade in letzter Zeit sehr stark an mein süchtiges Verhalten erinnere, zu stark lass ich mich vom übertriebenen Ehrgeiz lenken, will einfach zu viel, zu viel Geld, zu viel Anerkennung, viel zu viel Arbeit, das bdt. Das ich in diesem Bereich zu sehr an die Grenzen (der Krankheit) gehe, nun ist es extrem wichtig wieder den Ausgleich zu finden zwischen dem was ich tun muss und dem was ich tun will….

    Dazu hab ich mir jetzt erstmal „Nichtraucher jetzt erst recht bestellt“ denke ein Buch bei dem ich dann vielleicht noch aufhören kann zu rauchen, bdt. Geld sparen, bdt. Weniger arbeiten müssen ist erstmal’n guter Schritt, vor allem weil ich das ja auch schon lange vor hab…

    Des Weiteren habe ich dann noch eine ambulante Therapie hinter her geschoben, hat mich echt gewundert das ich diese dann noch genehmigt bekommen habe, wobei ich sagen muss das der Verlängerungsantrag dann abgelehnt wurde, schade fand die Gruppe so nett, auf jeden Fall hat mich diese ambulante daran gewöhnt mich ständig mit der Suchtproblematik auseinander zu setzten, wobei mich das Thema extrem interessiert, so viele Facetten hat nichts anderes, deswegen werde ich Auch im November meine Suchthelfer Ausbildung beginnen…

    Naja ich glaube ich konnte einen Abriss davon geben worauf es in meinen Augen ankommt, wenn man sich für ein trockenes Leben entscheidet…..

    Würde mich über Feedback freuen!
    Greets Sven

    edit Martin:bitte keine Markennamen nennen, danke

  • Hallo Sven,

    Zitat

    es entgeht mir kein Edit Schild (Bierwerbung), kein Hefeglas, kein Besoffener, das ich mir mit vollem Bewusstsein reinzieh und mir dabei sage ICH BIN FREI, der Hintergedanke dabei ist das mein Unterbewusstsein diese Dinge aufschnappt und ich der Meinung bin wenn ich damit nicht umgehe sich irgendwann ein Druck aufbaut, diesen es zu vermeiden gillt….

    mich interessieren diese Bierwerbungen schon lange nicht mehr, ich trinke doch keins mehr.

    Genauso finde ich dass sich dadurch erst recht Druck aufbaut.

    LG Martin

  • Hallo martin,

    Claro, werd mich künftig dran halten, sorry....

    Ich finde es sehr gut das du genau diesen punkt rausgepickt hast, denn da unterscheiden sich die Meinungen zum Umgang immer sehr, versuche mal besser zu beschreiben was ich da meine:
    Ich bin der ansicht das niemand die chance hat sich diesen netten tafeln mit rot/ blauer leuchtender Schrift in altdeutsch style, diesen überdimensionalen fast schon majestätisch wirkendenden bierflaschen an litfassäulen zu entziehen....

    Folglich, das ist Werbung, Werbung wirkt unterbewusst, begegne ich dieser riesen maschinerie der Industrie mit Desinteresse, bzw. Ignoranz baut sich mir unterbewusst ein druck auf, anders das suchtgedächnis wird ständig angetriggert und dat ist gefährlich, meiner meinung nach...
    Darf ich fragen wie lang du trocken bist?

    Moin sven

  • Moin Seven,

    Willkommen hier im Forum!

    Dein Vorstellungstext hat mir sehr gut gefallen, und das "nein" einfach zum trinken bei weitem nicht ausreicht, ist mir heute völlig klar.
    Neue Struktur, neue Abstinezhaltung, alles machen was gut sein kann, um nicht in sein altes Muster zu rutschen.
    Musste ich auch erst lernen, denn ich dachte Anfangs genau wie Du, das einfach nur "Nein" zu sagen würde reichen.Mir heute völlig klar, und mein Rückfall ausrechenbar.
    Genau wie Du mache zur Zeit auch eine ambulante Thearaphie, und finde das die ambulante einen entscheiden vorteil gegenüber der stationären hat, der das nicht irgendwann der zeitpunkt kommt, das du zurück in Dein leben kehren musst, denn man ist schon mittendrin.
    Sollte aber jeder für sich entscheiden, welche Form zu ihm passt.

    LG
    Sascha

    Trocken seit 15.08.2011

  • Hi judecca,
    Da hat'mer ja auch schon im vorstellungsbereich drüber gequatscht(therapieform) denke auch das muss jeder für sich selber rausfinden, rür mich war es notwendig mich'n 3/4 jahr aus'm berufsleben rauszunehmen, einfach um mich ausschließlich um die krankheit zu kümmern, die grundbausteine in eine abstinente zukunft zu legen, aber auch mich nicht völlig von der Außenwelt abzuschotten, denn sehr wichtig für mich war/ist meine frau/umfeld mit einzubeziehen.....
    Vor allem meiner Tochter der Vater zu sein den es vor Ende 2009 sozusagen nicht gab, alles das spielt in den prozess der Veränderung mit ein, wobei trainieren,üben, wiederholen, ein sehr wichtiger Aspekt ist, welcher einfach zeit in anspruch nimmt....
    Aber nur so funktioniert es Automatismen (erlernte verhaltensmuster) zu ändern, einfach drüber nachdenken, aufschreiben reicht nicht aus, hab ich in letzter zeit bemerkt....

  • Ach stimmt Sven, mir kam Dein Text gleich bekannt vor, konnte es aber nicht so recht zu ordnen.
    Klar muss jeder für sich festlegen welche Therapieform zu ihm/ihr passt, jeder Mensch ist ja auch anders.Kann halt nur sagen wie es bei mir ist, und das "bissel" was ich an Erfahrungen sammeln konnte weitergeben.

    Wünsche Dir einen regen Austausch!

    LG
    Sascha

    Trocken seit 15.08.2011

  • Hallo Sven,

    Zitat

    Darf ich fragen wie lang du trocken bist?

    natürlich darfst du fragen :wink:

    Ich bin schon etwas länger trocken, vor einigen Tagen hatte ich meinen 8. "Geburtstag".

    Wenn ich heute im Supermarkt durch die Kasse gehe kann ich hinterher nicht genau sagen ob da Alkohol stand oder nicht.

    Ich will da auch gar nicht bewusst darauf achten, warum denn auch ?

    Im laufe der Zeit ändert sich die Blickrichtung und andere Dinge werden wichtig.

    LG Martin

  • Na dann biste ja'n alter hase im vergleich zu mir, vielleicht ändert sich ja meine blickrichtung auch noch mit der zeit...

    Momentan bin ich zufrieden damit und sehe kein bedarf für veränderung in diesem punkt...

    Ich achte darauf um mein suchtgedächnis nicht unterbewusst zu füttern, das unterbewusste ins bewusstsein holen, hab ich von meiner therapeutin, klasse frau, finde ich....

    Na dann alles gute nachträglich! :)

  • Zitat von s.z.

    Automatismen (erlernte verhaltensmuster) zu ändern, einfach drüber nachdenken, aufschreiben reicht nicht aus, hab ich in letzter zeit bemerkt....

    dieser ansatz gefällt mir (is auch meiner). ich geb jetzt mal n tip ab: du wirst n richtig guter suchtkrankenhelfer.

    glück auf

    :D
    matthias

    trocken seit 25.4.1987 - glücklich liiert - 7 Kinder - 17 Enkel

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