• ... und damit lange her, dass ich hier war und etwas geschrieben habe und ich weiß nicht, ob sich noch jemand an mich und meine Geschichte erinnert ...

    In letzter Zeit habe ich wieder angefangen, hier im Forum mitzulesen und mich nun entschlossen, meinen Weg aus der Co-Abhängigkeit (der mit Sicherheit noch nicht beeendet ist!) zu beschreiben und euch an meinen Erfahrungen, Erlebnissen, Gedanken und Gefühlen teilhaben zu lassen. Meine Motivation dafür ist einerseits, mich selbst zu reflektieren, und andererseits anderen Menschen von meinen Erfahrungen zu berichten und vielleicht auch den Einen oder Anderen dazu zu ermutigen, seinen Weg aus der Co-Abhängigkeit anzutreten bzw. fortzusetzen.

    Nachdem mein Mann im September 2004 in einer psychischen Krisensituation in die Klinik eingeliefert wurde, ich mich für ein halbes Jahr von ihm getrennt hatte und im Mai 2005 wieder zurück gegangen war, machte er im Herbst 2005 eine dreimonatige stationäre Suchttherapie. Danach lebte er ohne Alkohol, für mich „ergab“ sich das Nichttrinken Anfang 2006. Er hat das nicht von mir verlangt, nicht erwartet und auch ich hatte es mir nicht vorgenommen. Nach den ersten trockenen Tagen merkte ich, dass ich keinen Alkohol brauche und meine Trockenheit nicht als Verzicht empfand. (Mittlerweile empfinde ich mein Leben ohne Alkohol nicht nur als „Nicht-Verzicht“, sondern als Bereicherung, als ein Stück Freiheit und Unabhängigkeit.) Unsere Beziehung veränderte sich ohne Alkohol erheblich und wir hatten eine wirklich schöne Zeit zusammen, wir hatten beide Arbeit, keine finanziellen Probleme, Haus, Garten, wir machten regelmäßig Urlaub, kurz: Es lief gut. Alkohol war bald kein Thema mehr. Anfangs hatte ich große Angst, dass er wieder anfangen würde zu trinken … besonders als er die Woche über außerhalb arbeitete. Mit der Zeit wurden meine Ängste kleiner, denn er lebte nach wie vor trocken.

    Anfang 2008 verliebte ich mich in eine Frau. In dieser Zeit habe ich immer öfter daran gedacht, mich von meinem Mann zu trennen und mit ihr neu anzufangen. Ich tat es nicht, die Beziehung zu der Frau war schon im Sommer plötzlich und für mich völlig unerwartet beendet. Es ging mir schlecht.

    Mein Mann merkte, dass etwas nicht stimmte und fand Mails von mir und dieser Frau. Er war völlig verzweifelt und fing wieder an zu trinken … nicht viel, aber doch ZU viel, jedenfalls habe ich es so empfunden. Ich merkte, dass meine Ängste wieder hochkamen, die gleichen Gefühle und Gedanken, die ich vor und kurz nach seiner Therapie hatte, obwohl sich sein Trinkverhalten „im Rahmen“ hielt. Trotzdem konnte ich damit nicht umgehen … selbst ein Bier am Tag war für mich unerträglich. Wir redeten täglich … vor allem über Alkohol, unsere Beziehung und über eine Trennung. Ich wollte so nicht leben, da ich das alles aus der Zeit vor seiner Therapie kannte. Ich konnte nicht glauben, dass er über einen längeren Zeitraum ein „normales“ Trinkverhalten beibehalten konnte und ich selbst wollte keinen Alkohol mehr trinken.

    Mir ging es schlecht und ich hatte niemanden zum Reden. Da ich keine andere Lösung wusste, suchte ich mir Hilfe und fing eine ambulante Psychotherapie an. Ich hatte großes Glück mit meiner Therapeutin, denn die Chemie stimmte und ich konnte mich auf die Therapie einlassen … nicht sofort, aber im Lauf der Zeit wurden die Gespräche immer vertrauter. Das Reden entlastete mich, obwohl ich es gerade am Anfang so nicht wahrnahm, denn oft ging es mir nach den Gesprächen schlechter als vorher.

    Das Thema „Trennung“ wurde immer präsenter. Trotzdem brauchte ich noch ein halbes Jahr für meine Entscheidung und zog im September 2009 in meine jetzige Wohnung. Bei meiner Entscheidungsfindung musste ich immer wieder daran denken, wie mies es mir nach meinem Auszug 2004 ging … das schlechte Gewissen, die Zweifel, die Trauer um das Vergangene und ich hatte große Angst davor, dass es mir noch einmal so ergehen und ich wieder in ein tiefes dunkles Loch fallen würde. Andererseits war diese Erfahrung aber auch sehr hilfreich, denn mir war klar, dass mit einer Trennung nicht alles gut werden würde. Fünf Jahre vorher war ich so naiv zu denken, mit meinem Auszug würde alles besser werden. Aber so war es nicht, im Gegenteil, ich wurde immer depressiver und ging zurück, denn das erschien mir als das „geringere Übel“. Also waren meine neuerlichen Überlegungen mich zu trennen, diesmal differenzierter … mir war klar, dass ich genauso trauern und zweifeln würde wie fünf Jahre zuvor. Das machte es nicht leichter, aber realistischer und die Enttäuschung über nicht erfüllte Erwartungen konnte nicht so groß werden.

    Nach meinem Auszug war und wurde nicht alles gut, die ersten Monate waren schwer, sehr schwer. Ich schlief schlecht ein, konnte nicht durchschlafen, hatte Albträume. Oft wurde ich nachts wach und wusste nicht, wo ich war, musste mich orientieren. Ich zweifelte immer wieder, ob meine Entscheidung richtig war, konnte nicht an die Zeit mit meinem Mann denken, ohne dass mir die Tränen kamen und ich beschränkte den Kontakt mit ihm auf das Wesentlichste. Zum Glück haben wir uns über alle materiellen Dinge sehr sachlich und vernünftig geeinigt, zwei Monate nach meinem Auszug war alles geregelt und ich bin heute noch froh, dass ich für diese Dinge keine Zeit und keine Energie aufwenden musste, denn die brauchte ich für mich.

    Ein Jahr lang lebte ich ein Single-Leben, lernte neue Menschen kennen und unternahm viel … sowohl allein als auch mit anderen. Ich umgab mich mit Menschen, unter denen ich mich wohlfühlte und dachte nicht an eine neue Beziehung. Natürlich war auch in dieser Zeit nicht alles gut, ich war oft allein, redete nicht viel, ging weiterhin regelmäßig zu meiner Therapeutin … hatte weiterhin Zweifel und Ängste, fühlte mich einsam, war unruhig, schlief schlecht …

    Aber insgesamt ging es bergauf und als mir bewusst wurde, dass ein Aufstieg nun mal beschwerlicher ist als ein Absturz, stellte sich etwas Normalität ein. Und ein Jahr nach der Trennung von meinem Mann trat meine jetzige Partnerin in mein Leben …

    Dies ist nur ein sehr, sehr kleiner Einblick in das, was mir und mit mir in den letzten Jahren passiert ist, aber ich denke, für den Anfang soll es genug sein. Ich freue mich auf einen ehrlichen, sachlichen und bereichernden Austausch.

    EinzigEine

  • Hallo EinzigEine,

    ich bin letztes Jahr im Oktober (mit zwei Kindern) ausgezogen. Mein Mann hat mich nach 5 Tagen zurückgeholt. Mir ging es sooooooooo schlecht. Ich hatte eine Depression und keine Hoffnung auf Besserung. Jetzt stehe ich wieder kurz vor dem Auszug und habe große Angst davor. Wird es so schlimm wie beim ersten Mal? Du hast es überstanden und das gibt mir Hoffnung.


    Danke für deinen Beitrag.

    Klarheit

  • Hallo Klarheit,

    ich ziehe den Hut vor dir, weil du es geschafft hast, dich nach den Erfahrungen deines ersten Auszuges so schnell aufzurappeln! Das ist eine tolle Leistung! Und ich freue mich, dass dir meine Erfahrungen ein bisschen helfen.

    Ob es bei dir so schlimm wird, wie bei deinem ersten Auszug, weiß ich nicht. Wie ich ja schon geschrieben habe, hat mir meine Erfahrung mit dem ersten Auszug einerseits geholfen, weil ich beim zweiten Versuch nicht davon ausgegangen bin, dass ALLES gut wird, sondern mit Zweifeln, Traurigkeit, Schwierigkeiten etc. gerechnet habe. Andererseits hatte ich natürlich Angst davor – so wie du jetzt auch -, dass ich wieder scheitern würde und das hat meine Entscheidung erschwert.

    Jetzt denke ich, dass diese Ängste und Zweifel ganz normal sind und da du dir ihrer und der Schwierigkeiten, die auf dich zukommen werden, bewusst bist, wirst du sicher nicht so überrollt werden wie beim ersten Mal. So war es jedenfalls bei mir.

    Ich schicke dir ein großes Kraftpaket und wünsche dir bei der Umsetzung deiner Pläne alles Gute.

    EinzigEine

  • Hallo EinzigEine,

    ich habe es geschaft. Bin vor ca. 14 Tagen ausgezogen und was denkst du - es war nicht annähernd so schlimm wie beim ersten Mal.
    Jetzt war ich mir ganz sicher - es konnte keine Zukunft mehr für uns geben. Ich bekam in seiner Anwesenheit keine Luft mehr und der Graben war zu tief geworden.

    Ich bin jetzt nicht gerade gllücklich aber mir geht es gut - das reicht mir jetzt aus.

    Ich bin sooooooooooooooooo froh über meine Fortschritte und das es mir nicht so erging wie bei meinem ersten Auszug aber wie du schon geschrieben hast - man erwartet nich sehr viel von der Trennung und ist auf alles vorbereitet.

    Wünsche dir alles Gute und
    Danke für deinen Rat

  • Hallo Klarheit,

    schön von dir zu lesen und noch schöner, dass es dir gut geht!
    Ich wünsch dir weiterhin viel Kraft und würd mich freuen, wieder mal von dir zu lesen.

    Gruß
    EinzigEine

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