Ich und die Andere

  • Hallo allerseits!
    Ich möchte kurz ein neues Thema eröffnen, weil ich auf etwas gestoßen bin, was ich für hilfreich halte.

    Beinahe typisch für EKA ist das zu schnelle Erwachsen werden, das Untergraben von Gefühlen. Man wird aus seiner Kinderrolle herausgedrängt als unfertiger Minderjähriger, der Verwantwortung über die Familie übernimmt wie eine Mutter/ein Vater.

    Habe letztens "The Tools" gelesen, ein doch ziemlich spirituell angehauchtes, aber in Grundzügen ganz ordentliches Buch. Ich fand mich zum Teil darin wieder, v.a. in der Angewohnheit, viele Ratgeber in der Hinsicht zu lesen, weil man eine direkte Antwort und Lebensänderung erwartet :lol:

    Aber zum Thema:
    Man untergräbt nicht nur Gefühle, sondern oft eine ganze Persönlichkeit. Man kann sie nicht zulassen, denn sie ist zu verletzlich, unerfahren, unbeliebt. Und mit der Zeit häufen sich alle Dinge, die man an sich nicht mag, in dieser untergrabenen Persönlichkeit an. Sie dient als eine Art "Mülleimer". Im Buch wird sie als "Schatten" beschrieben. In meinen Augen ist es das innere Kind. Das nach Hilfe schreit und nicht erhört wird. Das man versucht zu verstecken, weil es sichtlich nicht klar kommt mit der Situation daheim.

    Der Zeitpunkt, als ich feststellte, dass mein Vater Alkoholiker ist, und ich anfing, meiner Mutter helfen zu wollen, stellt einen Schnitt da. Davor fiel es mir schon schwer, Teile meiner Persönlichkeit preiszugeben, aber ab da an schien sich eine ganze Spalte Persönlichkeit abzutrennen.

    Mein äußerliches sollte stark, selbstbewusst und verantwortungsvoll scheinen. Innendrin bin ich eine verletzte, unsichere 13 Jährige.
    Mit einer komplett versauten Haarfarbe, die meine Mitschüler als grün bezeichneten (es sollte Dunkelblond sein^^), einer Zahnspange. Klamotten die nicht passten, aber die ich mir von einer Freundin abgeguckt hatte. Sehr schüchtern und unselbstbewusst.

    Als ich "erwachsen" wurde, habe ich mich nicht wirklich entwickelt, wie es mit der Zeit passiert. Ich habe das Gefühl, ich habe diesen Teil Persönlichkeit von mir abgeschnitten. Durfte nicht so sein, sonst würde ich nie akzeptiert. Musste mich von Grund auf ändern, ein neues Selbstbild einnehmen. Sonst würde ich daheim und da draußen untergehen. Nie akzeptiert.

    Habe jahrelang vor mir selbst geleugnet, mal so gewesen zu sein. Aber unterbewusst blieb das Gefühl: Unselbstbewusst, unsicher, schüchtern. Dürfte nur nie jemand erfahren.

    Mittlerweile sehe ich mich selbst mit anderen Augen. Sehe mein Ich mit 13 Jahren vor mir und habe das Gefühl, mich selbst allein gelassen zu haben. Ein neues Ich gebildet zu haben um das andere zu untergraben. Zu leugnen. Nur langsam komme ich meinem inneren Kind näher als wäre es eine fremde Person.

    Habe einen anderen Thread, "die Suche nach mir selbst". Habe bisher vielleicht falsch gesucht.
    Was denkt ihr von der Theorie? Die untergrabene Persönlichkeit, vielleicht eine Erklärung für die Verwirrtheit und Unsicherheit was die eigene Person angeht.

    :idea: Und: Stellt euch all die Dinge, die ihr wart/seid aber nicht sein wolltet/durft da, all die Ängste, Sorgen: Was seht ihr vor euch? Vielleicht auch ein Inneres Kind?

    lg LaMer :wink:

  • Hallo JoWi ,

    Ja, die Pubertät ist essentiell für die Entwicklung. Und ich glaube, für die Entwicklung sind schlechte Erfahrungen auch wichtig, denn aus denen lernt man. Aber wenn man nicht so sein darf, wie man ist, wenn man von Grund auf Gefühle, Ängste, Wünsche, ganze Persönlichkeitszüge untergraben muss, dann stört das die Entwicklung beträchtlich.

    Bei uns in der Schule war es auch "modern", immer wieder Leute auszugrenzen. Von meiner Mutter hatte ich immer große Toleranz gelernt, hab mich in Kindergarten und Grundschule fast schon Malteser-mäßig den schwächeren angenommen. Später auf der weiterführenden Schule wurde ein Mädchen gemobbt, mit dem ich einige Zeit vorher befreundet war und so versuchte ich mich zwischen sie und die Mobber zu stellen, mit dem Ergebnis, das über mich auch schlecht geredet wurde und Leute mich schief ansahen, immer weniger mit mir redeten.

    Als das Mädchen die Schule verließ, ging es wieder, die Mobbereien wurden wohl auf andere verschoben. Aber mir wurde immer bewusst, dass sich die Mobber und die Gemobbten irgendwo ähnlich sind (weniger Selbstbewusstsein, Selbstwertgefühl, ´z.T. Aggressivität und Hilflosigkeit) und es wohl nur eine Laune der Natur ist, auf welcher Seite man letztendlich steht. Und der Wille, sich anzupassen, kann einen schnell von der einen auf die andere Seite bringen.

    Daheim wollte ich v.a. vor meiner Mutter die Starke spielen. Vor meinem Vater auch die Selbstbewusste, der er mit seinen niedermachenden Sprüchen nichts anhaben kann. Aber in die Seele einer Jugendlichen frisst sich soetwas unweigerlich ein. Ich wäre egoistisch, dumm, vorlaut, würde immer viel reden ohne nachzudenken, ("große Klappe, nichts dahinter") Sämtliche Aggressionen prasselten auf mich runter. Zu weilen sagte er oft, er wäre enttäuscht von mir, früher wäre ich besser gewesen, er wäre besser ohne uns dran etc. Immer wieder nutzt er Möglichkeiten, Dinge an mir auszusetzen, zu kritisieren, runterzumachen. Und wenn es nur eine Antwort auf meinen nicht ernstgemeinten Kommentar o.ä. ist; er findet eine Möglichkeit.

    Man darf nicht so sein wie man ist. Hat man ein entwickletes Selbstwertgefühl, ein reifes Selbstbewusstsein, dann kann einem sowas nicht mehr leicht was anhaben. Aber als Teenager, wenn sich alles entwickelt?
    Und so, wie du es vllt meinst, JoWi, werden wir schon von Kind auf von äußeren Umständen gezwungen, uns anders zu verhalten, anderes zu denken, anders zu fühlen und unsere wahre Seiten nicht zuzulassen.

    Mir persönlich geht es so, als wäre ich in einen neuen Körper mit neuer Persönlichkeit gesprungen, aber meine alte schleppe ich unbewusst hinterher. Ich versuche sie immernoch zu verstecken. Aber in Wirklichkeit bin das nur ich. Ich selbt, die ich vor einigen Jahren verlassen hab. Auch sie ist mein Müllhaufen, oder so wie du es schön ausdrückst, der Wäscheberg, der wartet gewaschen zu werden.

    Die ganze Zeit habe ich diesen Teil abgrenzt. Und so hat er sicht nicht entwickelt, ich selbst habe mich nicht "entwickelt", nur gezwungenermaßen auf ex und hopps verändert.

    Vielleicht wasche ich den Berg Wäsche ja mal ;) Vielleicht ist es irgendwann möglich, dass diese Persönlichkeit und mein jetziges Ich wieder eins werden!

    lg LaMer

  • hallo!

    also ich bin "die andere". und zwar zeitweise die verunsicherte 10jährige,
    oder die gereizte 16jährige, oder oder oder...

    mal hab ich "hosen an", mal bin ich ein überempfindlicher mensch
    (auch so eine 10jährige, die gehänselt wurde und nicht sehr hübsch
    war; dann eine pubertierende, die sich an "coolen" freundinnen
    orientierte) der wahrscheinlich sogar ablehnung der umwelt spürt, auch
    wenn diese objektiv nicht ablehnend gegen ihn eingestellt ist.

    mir ist neulich aufgefallen, dass ich "misslungene" fotos von mir hasse.
    ich mag sie gar nicht schnell auf dem pc-bildschirm sehen und klicke
    sie schnell weg. ich bin wohl eitel. aber ich bin auch einfach seit ich
    denken kann unselbstbewusst.

    nicht seit ich denken kann, sondern seit ungefähr der pubertät oder kurz
    davor. ich habe eine hassliebe zu mir (zu meinem inneren und äußeren-
    warum das wohl bei frauen oft soviel mit dem äußeren
    zusammenhängt??!!).

    kann man das überhaupt noch ändern?

    ich denke man kann. aber sicher nicht schnell.

    ich laufe durch die straßen und habe oft das gefühl "soziophob" oder wie
    das auch heißen mag- zu sein, ich kann menschen (auch fremde), ihre
    blicke, gesten, whatever, nicht aushalten.

    aber der ursprung ist in mir: habe ich einen guten tag, mag ich die welt
    und die menschen! habe ich einen schlechten, belastet mich ALLES.

    wahrscheinlich sogar mit mir selbst zusammenzu sein ;)

    hat das seinen ursprung in der alkoholkrankheit? zum teil vielleicht schon...

    im grunde ist es mir auch egal, denn die benennung ist eh nicht die genesung.

    neulich habe ich mal bewusst NICHT mein spiegelgesicht aufgesetzt-
    viele leute tun das ja automatisch, wenn sie in den spiegel sehen.

    ich habe mich angeschaut und dachte: das bist du- aber ich will nicht
    so sein! unzufrieden, mit problemen beschäftigt, verhärmt...

    ich will das JETZT leben und das leben genießen. nicht wie ein rausch
    oder so auf verrückte art. nein: ich will freude am dasein verspüren,
    meine komplexe, meinen seelischen unfrieden ablegen!

    und auch die ganzen negativen erscheinungen in mir. seien es nun
    innere kinder oder einfach verstimmungen, depressionen!

    sport tat gut. spazieren auch. dinge BEWUSST tun und erleben, sich an
    kleinen dingen erfreuen. meiner tochter zuhören, wenn sie von ihrem
    tag erzählt. meinem sohn beim fußballspielen zuschauen.

    LG fatima

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