liebe frozen tears,
danke für deine ernüchternden, aber auch ermutigenden worte.
mir scheint, meine mutter hat alle therapien angefangen, wenn sie gerade mal
wieder ins krankenhaus gekommen ist (und dies meist mit der feuerwehr).
ich habe das gefühl, das war mehr für uns, als für sich selbst, nach dem
motto: "seht her, ich tue alle menschenmögliche und nun lasst mich in ruh".
ich darf das thema ihr gegenüber nicht einmal ankratzen. die einzigen male,
wo sie darüber geredet hat, waren diese kläglichen momente, als sie im
krankenhaus jammerte "ich schäme mich so und will´s nie wieder tun".
ansonsten nimmt sie reißaus, wenn ich auch nur probleme andeute.
aber ich deute nicht mehr an.
meinen vater in ruhe zu lassen schaffe ich noch nicht.
heute kam er an (gaplant war ein spargelessen mit allen, oma, opa,
kids & ich): sie ist nicht mitgekommen, sie hat schlecht geschlafen. sie
sagt, deine kinder nerven sie zu sehr.
das in ganz locker-belanglosem ton, als wär das einfach ein tolerabler
charkterzug von ihr und als sei es völlig normal, dass sie bei schönstem
sonnenschein vor der glotze vor sich hinvegetiert (nur zur anmerkung:
meine mutter ist früher an beiden WE-tagen mind. 6 stunden im wald
spazieren gewesen und hat die natur fotografiert, als hobby, vögel usw.).
daraufhin war ich schon nicht mehr nüchtern-entspannt und distanziert,
sondern bin gleich auf 180 gewesen. ich kann es noch immer kaum ertragen,
dass er sich ihre sicht der dinge verinnerlicht und an mich weiterträgt.
es fällt mir unheimlich schwer, mich loszulösen und zu sagen: das ist eben
sein teil der krankheit.
stattdessen nehme ich krumm, tobe innerlich und bin verbittert.
ich will versuchen, das zu änder, aber es fällt mir viel schwerer, als ich
gedacht hätte.
ich trauere immer noch um die "schönen momente" als sie noch nicht so tief
gefallen war- obwohl ich mich längst abfinden müsste, dass es nun anders
ist- und evtl. auch bleiben muss.
"was soll ich denn tun? ich kann sie nicht zwingen!! entmündigen kann man
hier niemanden! ein therapeut kann auch nicht ihre ängste und depressionen
kurieren! im übrigen kann ich sie schwer bestrafen oder was stellst du
dir vor? racheaktionen? tut mir leid, das werde ich nicht tun!!!"
das hat er heute in seiner hilflosen wut gebrüllt und ich hätte schon längst
gehen müssen, habe aber immer wieder noch etwas gesagt--- es war,
als müsste ich auch mal dem druck nachgeben...
ich warf ihm vor, dass er nichts ändern würde, dass er, nur um in frieden
mit ihr zu leben, sogar mithlefen würde, sie umzubringen oder, noch schlimmer,
sie zum pflegefall zu machen. dass er daran wohl am meisten leiden
möge und dass ich - verdammt nochmal! - wohl etwas mitzureden hätte,
da ich sie am ende ja pflegen würde, wenn sie sich kaputtgesoffen hätte!!
ich brüllte ihn an, er müsse sie nicht verlassen, aber mal ein, zwei wochen
die frau schmoren lassen, in den urlaub fahren, dass sie mal mit sich
klarkommen müsste und er abstand gewänne, und sich mal in der ferne
gedanken machen könne, was seine eigene grenze sei... nee, stattdessen
kocht er ihr brav essen, freut sich, wenn nach drei tagen vegetieren mal ein
tag kommt, an dem sie wie ein normaler mensch ihres alters funktioniert
(sprich: aufsteht, nicht in paranoia, launen und groll gegen nachbarn und
die welt verfällt und womöglich sogar -wow!- mit zu abend isst) und
erzählt mir dann in aller seelenruhe: deine kinder sind so unruhig,
das stört sie halt", oder, noch besser: "sie sagt, sie möchte nicht kommen,
weil sie angst hat, von dir fertiggemacht zu werden" (wie zb, als ich
vorschlug, zur familientherapie zu gehen).
das regt in mir immer den verdacht, dass er ihre aussagen als berechtigt
empfindet. "ich gebe nur weiter, was sie sagt". ja, aber ohne mir zu
bedeuten, dass das in wirklichkeit (auch nach seiner ansicht) inzwischen
ihre suchtproblematik ist, die sich langsam aber sicher in sämtliche
bereiche ihres und unseres lebens einschleicht!!!
kurz und knapp: bin genervt, erstmal wegen heute, aber im großen
und ganzen natürlich weil ich merke, ich habe noch nicht den nötigen
abstand gefunden und fühle statt ruhe wut wie ein hilfloses kleinkind.
wann und wie schaffe ich das?
heute hätte ich auf mein bauchgefühl hören und danach handeln sollen: ich
ahnte bereits, was kommt (nämlich dass sie entweder nicht kommt und ich
dann mit papi streite, oder dass sie kommt und zwischen allen streit kommt).
ich konnte es nicht beachten - und schwupp, schon war die situation gekommen.
ich werde positiv denken, wieder ein wenig auf distanz gehen und alle
gemeinsamen unternehmungen zunächst meiden. ich schaffe es einfach
noch nicht, mich da angemessen zu verhalten.
danke wieder mal für´s zuhören an alle.
LG
fatima