Gesunder Egoismus: Wo fängt er an, wo hört er auf ?

  • Um noch einmal zum Ausgangsthema zurückzufinden:

    Liebe Schnuffig,

    ich wollte noch schnell sagen: ich finde es sehr offen und hilfreich, dass du Andreas auf dieser Ebene geantwortet und deine zwischenzeilige Wahrnehmung mit eingebracht hast. Meine Wahrnehmung hat mir Ähnliches gesagt, ich bin da aber manchmal noch zu vorsichtig, auf diese Ebene zu gehen, auch wenn es einige Prozesse wohl enorm verkürzen könnte.

    Viele Grüße
    Lea

    If you know where you stand
    then you know where to land ...

  • Moin Forum,

    da ist ne Menge Input dabei, den es erstmal zu verarbeiten gilt.

    Grundsätzlich fand ich es sehr mutig von Lea, hier etwas Privates preiszugeben, von dem sie sicher annehmen mußte, daß es da ein gewisses Unverständnis geben könnte.
    Ich muß zugeben, ich hab auch erstmal geschluckt. Aber nur kurz. Denn sofort war bei mir dieses "Was hast Du denn alles gemacht, was bei Dir heute nur noch Kopfschütteln auslöst", da. Und da könnt ich heut, wenn ich denn wollte, den ganzen Tag mit Kopfschütteln verbringen. Seltsamerweise ist mir heut grad nicht danach :)
    Es ist, wie Hartmut eigentlich schon richtig gemeint, aber vermutlich in seiner unnachahmlichen Art wieder etwas drastisch ausgedrückt hat...es gibt Dinge, die man einfach auch mal stehenlassen kann, ohne sie selbst so zu sehen, zumal es einigen Mut erfordert, wie z.B. von Lea, dies hier öffentlich darzustellen.
    Wir sollten uns generell nicht abschrecken lassen, kontroverse Dinge zu schreiben, denn zum Kaffeeklatsch könnten wir sicher auch woanders hin.

    schnuffig :

    Über Deine Zeilen hab ich sehr viel nachgedacht...und mich hinterfragt. Es ist bei uns ein Prozess, der weh tut...mMn. wehtun muß, weil wir gerade Dinge aufarbeiten, die jahrelang schiefgelaufen sind.
    Und alte Verhaltensweisen lassen sich nicht von heut auf morgen ändern. Aber ich selbst seh uns auf einem guten Weg dazu.
    Emotionale Erpressungen wie "wenn Du mich wirklich lieben würdest, dann..." finden kaum noch statt, weil ich sie darauf angesprochen habe, ihr versucht habe, zu erklären, daß es so nicht laufen kann.
    Die Tatsache, daß ich auch Zeit für mich selbst brauche, hat sie mMn. eingesehen und akzeptiert.
    Es kommen bei uns manchmal noch Dinge hoch, die einfach noch nicht geklärt sind, weil wir noch nicht gewußt haben, daß es der Klärung bedarf.
    Durch meine jahrelange Bescheißerei und Lügerei hab ich eben auch Vertrauen zerstört, das sich nun langsam, aber auch spürbar wieder aufbauen muß und auch tut. Mir wäre lieber, es würde schneller gehen, aber ich lasse den Dingen Zeit...sowas muß mMn. wachsen und braucht ein vernünftiges Fundament.
    Wir sind gerade dabei, gegenseitig Grenzen zu setzen, ohne den anderen dabei auszugrenzen. Wichtig ist mir, daß ich klarmachen konnte, daß ich mich nicht mehr verbiegen lassen will, daß ich so sein will, wie ich wirklich bin...
    Ich fühle mich in der Gegenwart meiner Frau sehr wohl, geniese die Zeit mit ihr...ich brauch halt nur ab und zu auch Zeit für mich alleine...ich denke, das hat sie verstanden. Letztendlich will sie wohl nur wissen, woran sie ist. Und das ist aus meiner Sicht verständlich.

    Danke übrigens, daß Du Dir Gedanken machst...das freut mich sehr, daß Du Dich in diesem Fall entschlossen hast, mir zu antworten...und Deine Antwort hat mich dazu gebracht, sehr intensiv nachzudenken.

    LG Andreas

  • Hallo Andreas, hallo Forum

    Zitat von Carpenter

    da könnt ich heut, wenn ich denn wollte, den ganzen Tag mit Kopfschütteln verbringen. Seltsamerweise ist mir heut grad nicht danach :)

    diese Haltung wird aus vielen deiner Beiträge deutlich, weshalb ich sie sehr gerne lese.

    Da ich merke, wie gut mir das - trotz teilweisem Unverständnis - getan hat, mir das mal von der Seele zu schreiben, noch eine kleine Ergänzung, die mein Handeln zwar nicht weniger bizarr, aber vielleicht doch ein bisschen verständlicher macht.
    Es war nicht die Art von Handgreiflichkeiten, die man so aus schlechten Filmen im Fernsehen kennt, à la: "das Essen schmeckt mir nicht, dafür kriegst du mal eine ...". Das wäre ja einfach gewesen.
    Es waren eher paranoide/psychotische Episoden, die immer nachts, wahrscheinlich aus einem (alkoholisierten) Traum heraus sehr unvermittelt entstanden sind, die nichts mit mir als Person zu tun hatten (ich war halt einfach "da") und auf die ich dann entsprechend reagiert habe - so gut ich das damals konnte.
    Ich stehe zu meiner Handlungsweise damals. Diese Zeit gehört zu mir und es hilft mir nicht, da etwas zu beschönigen.

    Viele Grüße
    Lea

    If you know where you stand
    then you know where to land ...

  • Hey Lea,

    ich hätte Dein Verhalten schon gestern nicht als bizarr bezeichnen wollen. Zumindest nicht bizarrer als generell den Versuch, eine Beziehung mit einem Alkoholiker retten zu wollen :)
    Wenn einem etwas sehr wichtig ist, dann ist es sicher nicht falsch, Himmel und Hölle in Bewegung zu setzen, um es zu erhalten. Wie das andere bewerten, muß einem erstmal egal sein. Auch im Nachhinein. Es gibt eben Dinge im Leben, um die es sich lohnt zu kämpfen...egal, ob nun mit Karate oder nicht :)
    Ob diese Anstrengungen dann letztendlich zum Ziel führen, ist ne andere Geschichte.
    Aber ich könnte mir vorstellen, daß es einfach ist, das Scheitern einer Beziehung zu akzeptieren, wenn man weiß, daß man von seiner Seite aus alles unternommen hat, was man selbst auch vertreten kann. Schlimmer ist es sicher, sich im Nachhinein zu sagen: Vielleicht wäre alles anders gekommen, wenn ich...
    So ist irgendwie ein Abschluß da, die Erkenntnis, das es nicht anders kommen konnte...das ist dann klar und eindeutig...unangenehm, aber sauber.

    Für mich war zu Beginn meiner Abstinenz wichtig, daß ich wieder Verantwortung für mein Leben und mein Tun übernehme...ich schäm mich teilweise für das, was ich getan habe, aber ich stehe inzwischen dazu...und dann hat man eine relativ vernünftige Basis, das aufzuarbeiten...warum hab ich das gemacht...welche Gründe hatte ich, so und so zu reagieren. Ich will es mir nicht so einfach machen und alles, was ich in meiner nassen Zeit so verbockt habe, auf den Alkohol schieben. Der Mensch hinter dem Alkoholiker war immer noch ich.

    Katha hat mir mal geschrieben, ich solle mir die Asche vom Haupt fegen...das hat sie gut beschrieben, denn am Anfang wollte ich schlichtweg für alles die Verantwortung übernehmen...auch für Dinge, die gar nicht in meine Verantwortung gefallen sind. Das hat sich mit der Zeit geändert. Ich laufe nicht im Büßerhemd rum, sondern versuche, diese langwierige Episode meines Lebens aufzuarbeiten, um zu erkennen, wo wann was schiefgelaufen ist und warum.

    Nicht, daß diese Gedanken mich 24 Std. am Tag beschäftigen...aber sie sind Teil meiner Metamorphose, wenn man das so bezeichnen kann. Für mich und mein Selbstverständnis sind sie wichtig.

    Schöne Zeit Dir

    Liebe Grüße

    Andreas

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