Ich steh immer noch unter Schock.
Zur Einleitung: Ich bin seit Jahren trocken, hatte das unfassbare und unverdiente Glück, aus eigener Kraft aufhören zu können. Ich bin Familie und Freunden gegenüber offen, was meine Krankheit angeht, und hab ein neues Leben mit neuen Schwerpunkten für mich entdeckt.
Am Samstag war ich dann bei einem "Umtrunk" (was für ein Wort) eines bis dahin - wie ich dachte - guten Freundes. Einziges Problem bis dahin: Meine sehr offenen Worte zu meinem Alkoholismus hat er immer abgewiegelt. "Du doch nicht, du trinkst nicht mehr als alle anderen." Mich hat das erst genervt, und irgendwann, als ich trocken war, war es mir egal. Er schien akzeptiert zu haben, dass ich nicht mehr trinke, wir haben andere Sachen zusammen gemacht, er durfte aber auch gerne nach dem Sport mal ein Bier trinken, hat mich nicht gestört.
Nun ist er befördert worden, hat mich und ein paar andere Freunde (die ich alle kaum oder gar nicht kenne) eingeladen zu eben diesem Umtrunk. Ich kann dazu sagen: Ich hab kein Problem mit trinkenden Menschen, ich trink einfach nicht mit. Trotzdem war ich in diesem Fall etwas vorsichtiger, zu sehr schien mir von Anfang an die Trinkerei im Mittelpunkt zu stehen. Da fühl ich mich dann nicht wohl. Angst, mitzutrinken, hab ich keine mehr.
Und da ist es dann passiert. Ich hab in schönem Wechsel Wasser und Cola getrunken, und irgendwann hab ich beim ersten Schluck Cola Alkohol geschmeckt. Ich hatte schon runtergeschluckt. Nachgefragt: "Kann das sein, dass ich das falsche Glas habe?" "Nein, du hast das richtige. Ich hab dir einen Schuss Wodka reingetan, die anderen meinen, du müsstest mal etwas lockerer werden."
Glas in die Spüle geschüttet, laut gesagt, was ich davon halte, die Wohnung verlassen. Spät abends bei meiner besten Freundin geklingelt (meine Frau ist geschäftlich verrreist), all mein Entsetzen und all meine Wut dort gelassen. Eine Bananensaft-Schorle getrunken.
Kein Rückfall, keine Suchterinnerung, Gott (oder wer weiß wem) sei Dank. Einen Freund weniger. Das Wissen gewonnen, dass ich ganz schön stark bin. Etwas über mich, meine Sucht gelernt. Und trotzdem immer noch wie unter Schock.
Konsequenzen daraus? Ich weiß es nicht. Ich mag diesen Menschen nie mehr wiedersehen, werde auch keine Entschuldigung akzeptieren. Ich mag aber ab jetzt auch nicht allen Menschen misstrauen, mag ein "sozialer" Mensch bleiben, der auch zu Feiern geht trotz seiner Krankheit.
Was für eine Sch****, ehrlich.