• Hallo,
    ich habe mich bei Euch angemeldet, weil ich wieder Mal an einem Tiefpunkt angelangt bin und mich frage, ob das je ein Ende haben wird.
    Ich bin 49 Jahre, Tochter einer Alkoholikerin. Ich haben erst vor kurzem eine Beziehung zu einem Alkoholiker? beendet. Er trank immer, wenn wir uns sahen, wenn auch kontrolliert. Er geht arbeiten und macht viel für andere. Manchmal dachte ich schon, vielleicht ist er ja gar nicht gefährdet. Und doch habe ich nicht einen einzigen Tag erlebt, an dem er nichts getrunken hätte.
    Aber ich weiche ab..........typisch, ist ja auch so viel leichter bei dem anderen zu verweilen.
    Seit ich nun wieder "frei" bin, kommt auch meine ganze "Sch....." wieder hoch.
    Vieles von dem, was ich hier lese, trifft auch auf mich zu. Unruhe, nicht Wissen was ich will, schlechte Abgrenzung, zu viel tun um dann irgendwann ins Gegenteil zu wechseln, also nichts mehr tun (für andere und auch nicht mehr für mich). Abspaltung von Gefühlen, Grübeln bis einem der Schädel brummt.....u.s.w....
    Momentan bin ich einfach nur negativ und sehe die Welt in schwarzen Farben. Hinzu kommt, dass ich seit Jahren sehr viel Probleme mit dem Arbeitsleben habe, immer wieder Mal Jobs habe, aber nicht für lange. Zwei Jahre, dann wieder ein halbes Jahr oder auch nur ein paar Monate. Der Kreislauf fing mit dem Tod meines Vaters an 2007. Da hatte ich einen Burnout, da ich 23 Jahre Vollzeit fleißig gearbeitet habe. Da ich aber nicht gerne Hilfe annehme, habe ich mir auch keine Hilfe gesucht, sondern meinen guten Posten gekündigt und mich aus eigenen Ersparnissen finanziert. Später kam dann ALG hinzu.
    Also seit 2007 bewege ich mich immer wieder am Rande des Existenzminimums.
    Da ich in der Zeit auch immer wieder Beziehungen mit "Bedürftigen" einging, ging viel von meiner Energie in diese Menschen hinein.
    Viele Jahre kämpfte ich mit einem Mann im Kampf gegen seine Ex-Frau um seine kleine Tochter. Surfte stundenlang im Internet nach PAS (Parental Allienation Syndrom). Dann lernte ich einen Langzeitarbeitlosen Mann kennen, der auch seine Kindheitserfahrungen nie aufgearbeitet hat.
    Und zum Schluß bin ich bei einem "Alkoholiker"gelandet.
    Da es mir jetzt sehr an den Kragen geht und ich wieder Mal gemerkt habe, dass ich die "Aufopfernde" bin und mein Leben vor die Hunde geht, habe ich mich in diesem Forum angemeldet.
    Nächste Woche habe ich auch einen 1. Termin bei einer Therapeutin.
    Ich möchte auch gerne in meine alte Heimatstadt, weil ich vieles aus meiner Kindheit nicht weiss, da meine Eltern sich früh haben scheiden lassen und meine Mutter gestorben ist, als ich 12 Jahre alt war.
    Ich habe eine Kindheitsamnesie und frage mich, ob mein Helfersyndrom nachlassen würde, wenn ich endlich an die Erinnerungen der Kindheit kommen würde. Vielleicht auch eine berechtigte Wut meiner Mutter gegenüber spüren würde, denn durch ihren Alkoholkonsum habe ich unendlich gelitten (Einzelheiten möchte ich jetzt nicht wiedergeben). Nur so viel, durch die Bekanntschaften meiner Mutter bin ich auch massiv geschädigt worden und mein Bruder sowieso.

    Meine Fragen an Euch:
    -hat Jemand so etwas ähnliches erlebt und wie ist er aus dem Kreislauf rausgekommen?
    -Helfen Langzeittherapien oder sollte man lieber die Kiste nicht aufmachen?
    -Hilft Vergebung oder ist das nur eine billige Ausrede, um selber die Täter zu schonen und sich mit den Schmerzen nicht noch einmal auseinander setzen zu müssen?
    -oder hilft, die Wut auf die Bezugspersonen (in meinem Fall Mutter) richtig rauszulassen, ohne schlechtes Gewissen. Aber was ist, wenn man aus der Wut nicht mehr rausfindet?
    -Zieht man, wenn man mehr zu sich kommt, auch gesündere Menschen an?

    Ich habe auch schon eine Verhaltenstherapie von 25 Stunden gemacht und eine Rehe in einer Klinik, Abteilung Trauma. Dann mehrere kleinere, selbstfinanzierte Therapien. Ich bin aber in der Kürze nie an mein Trauma gekommen. Vielleicht war das von meiner Seele auch so gewollt? nur auf der einen Seite schütze ich mich und auf der anderen Seite werden meine Ängste ja auch nicht weniger und die Leere fülle ich dann mit Co-Abhängigkeit.

    Mittlerweile denke ich nämlich, dass es für mich eh keine Liebe geben wird, auch keinen passenden Job (weil ich immer wieder Angste habe und bei jeder Kleinigkeit auch Schuldgefühle und Minderwertigkeitsgefühle), immer nur Menschen, die mir meine Kindheit spiegeln und mich ausnutzen oder die ich ausnutze (indem ich sie als seelische Mülleimer benutze).
    Manchmal denke ich auch, dass mir vielleicht die Opfermentalität gefällt und dann aber widerum denke ich, Nein, ich versuche doch so viel. Vielleicht ist meine Kindheit aber auch so schrecklich, dass ich halt die A-Karte habe und dies endlich akzeptieren muss, halt irgend einen Job nehme, der nicht meinen Qualifikationen entspricht, hauptsache keinen großen Stress und keine Beziehung mehr, weil ein gesunder Mann mich nicht aushält und mit den "Kranken" es ja auch nur begrenzt funktioniert.

    Also Sackgassen, wohin ich schaue.....

    Das ist jetzt sehr lang geworden, doch ich kann mich schlecht rantasten, ist vielleicht auch so etwas.............ganz oder gar nicht.......schwarz oder weiß...........

    Für jeden Hinweis bin ich dankbar.

    Lieber Gruß und ich hoffe, ich habe euch nicht erschlagen mit meiner Geschichte :)

  • Liebe Wildflower,

    willkommen im Forum, bist tapfer dich anderen gegenüber zu öffnen und dich deinem Problem zu stellen. :)

    Zu deinen Erzählungen und Fragen: Du scheinst dich bereits länger mit der Thematik der EKAs / Co-Abhängigkeit auseinandergesetzt zu haben und hast vom Kopf her verstanden, welche Auswirkungen dies auf dich hat. Gefühlsmäßig scheinst du jedoch "hinterher" zu sein und nicht im Reinen mit dir selbst (Angst, schlechtes Gewissen, etc.).

    Zitat

    Hilft Vergebung oder ist das nur eine billige Ausrede, um selber die Täter zu schonen und sich mit den Schmerzen nicht noch einmal auseinander setzen zu müssen?

    Ich denke, um jemanden aufrichtig und gefühlsmäßig vergeben zu können muss man seine Emotionen wie Wut, Trauer etc. durchlebt haben und sich der Verletzungen bewusst werden, um sich als erwachsener Mensch dann abzugrenzen und die Verantwortung für das Leben "ab jetzt" zu übernehmen, da man die Wahl hat, wie man weiter macht.

    Zitat

    -oder hilft, die Wut auf die Bezugspersonen (in meinem Fall Mutter) richtig rauszulassen, ohne schlechtes Gewissen. Aber was ist, wenn man aus der Wut nicht mehr rausfindet?

    Du sprichst von schlimmen Sachen, die vorgefallen sind und sprichst selbst von einer "berechtigten Wut". Ich denke wenn jemandem etwas ungerechtes widerfährt, insbesondere einem Kind, ist Wut und Trauer das natürlichste der Welt. Wie lange die Wut bleibt weiß ich nicht, aber ich glaube es ist kürzer als wenn man die Wut und Trauer unbewusst jahrelang mit sich trägt aber unterdrückt. Das schlechte Gewissen hat man als Kind denke ich automatisch, insbesondere wenn die Eltern wegen ihrem Alkoholkonsum oder restlichem Leben leiden, krank sind oder sterben. Kinder geben sich automatisch die (Teil-)Schuld für das Leben der Eltern, zumindest wenn sie dem Elternteil "nicht helfen" konnten. Aber sieh es mal so - du kannst bei einer Therapie mit einer neutralen Person, die niemandem über dich erzählen wird, deine Gefühle rauslassen ohne dass jemand dir Vorwürfe macht.

    Zitat

    -Helfen Langzeittherapien oder sollte man lieber die Kiste nicht aufmachen?

    Bei mir sind es jetzt 1,5 Jahre, ich merke eine große Entlastung und Erleichterung. Ich habe während der Therapie Wut, Trauer, Schuldgefühle, Selbsthass, Sehnsucht, und Liebe empfunden. Es kommen immer noch alte Muster hoch, ich bin noch längst nicht am "Ziel", es gibt Tage da sehe ich schwarz. Aber wenn man in meinem Fall 25 Jahre vor der Therapie hatte, so denke ich brauch es seine Zeit bis man heilt und die darf man sich ruhig zugestehen.


    Zitat

    --Zieht man, wenn man mehr zu sich kommt, auch gesündere Menschen an?

    Ja und Nein. Die Wahrheit ist, du kannst wählen mit wem du befreundet bist, ausgehst, eine Beziehung führst oder eventuell nach einem kurzen Kennenlernen lieber meidest. Sicherlich wirkt ein positiver, emotional stabiler Mensch auch attraktiver auf andere emotional stabile Menschen als jemand, der viel Ballast mit sich schleppt. Punkt 1 ist jedoch denke ich der erste Schritt.

    Ich hpffe, meine ersten Gedanken konnten dir helfen und dich ermutigen. :)

    Alles Gute und bis bald,
    lillylolo

  • Liebe Lillylolo,

    vielen Dank für deine Worte. Die waren sehr gut verständlich und haben mir sehr geholfen, mich zum Nachdenken angeregt.
    Und du hast Recht, ich beschäftige mich wirklich schon sehr lange mit der Thematik, mal mehr mal weniger intensiv. Zur Zeit, da wieder vieles hochkommt intensiver.
    Und ja, es stimmt auch, dass ich mit dem Gefühl hinterherhinke, sehr gut erkannt :!: .
    Ich war als Kind sehr gefühlvoll und als meine Mutter starb, brach für mich die Welt zusammen. Ich weiß auch nicht, ob ich mir Schuld gegeben habe. Es ist ja leider vieles verschüttet. Ich weiß aber, dass ich nach 2 Jahren weinen irgendwann keine Tränen mehr hatte. Dann kam wieder mit 18 eine Zeit, in der ich mich verliebt habe. Es war eine on-off Beziehung. In den Zeiten in denen wir getrennt waren, habe ich wieder so wie damals gelitten und es kam die Verlassenheitsangst wieder hoch. Mensch, zum ersten Mal verstehe ich die Zusammenhänge :) .
    Tja und irgendwann wurde ich dann bitter und weinte nicht mehr, sondern war eher wütend bzw.weinte schon, doch eher verhalten. Es war halt immer so schlimm, wenn die Trigger hochkamen, dass es mich zu sehr mitgenommen hat.
    So fing ich mit Mitte 30 an, Bücher zu lesen, hörte damit auf und vor einigen Jahren fing ich wieder an. Ich merke, dass ich so vieles weiß, aber tatsächlich mich mit dem Fachwissen irgendwie vollgestopft habe. So bin ich weg von meinen Gefühlen gekommen und heute merke ich aber: "so will ich nicht weiter machen". Eint gute Erkenntniss.

    Danke dir sehr für die Schilderung deiner Erfahrungen und deine mutmachenden Worte.

    Ich wünsche dir, dass du in der Therapie noch weiter kommst.....

    Lieber Gruß...

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