Kollege ist alkoholsüchtig

  • Hi!

    Mein Kollege ist schon recht lange alkoholsüchtig. Er hat es selbst erst richtig bemerkt, als sich nachts starke Schmerzen, Schwitzen ... eingestellt haben. Ein Arzt meine ganz lapidar -> Entzugssymptome!

    Er hatte vor kurzem die 2. Entgiftung (2 Wochen) jedoch keinen Platz für die anschließende Langzeittherapie bekommen. Trotz großen Schwierigkeiten (Absturz, rumhängen, bei "Pennern", Krankenhausaufenthalte nach Krampfanfällen) haben seine Frau und ich alles noch so geregelt bekommen, dass er seine Arbeit nicht verliert und die Familie noch hinter ihm steht.

    Das große Problem: Er macht nicht mit! Er kommt nicht zur Arbeit, entschuldigt sich nicht, fehlt über Tage hinweg. Kommt nicht nach Hause ... Wenn ich mit ihm rede, sieht er alles ein. Möchte vom Alkohol weg und versteht nicht warum er sich so verhält.

    Warum kann ein Mensch 2 Wochen in der Entgiftung nichts trinken, es jedoch nach der Entlassung kaum 2-3 Tage ohne Alkohol aushalten?

    Wir wissen nicht was wir noch tun sollen. Mir scheint er möchte alles verlieren was er hat. Seine Frau, seine Kinder, eine sehr gute Arbeitsstelle mit gutem Gehalt.

    Wir, das sind seine Kollegen, Vorgesetzte, Frau und Kinder.

    Es will uns einfach nicht in den Kopf, dass jemand sein Leben einfach so wegwirft.

    Was können wir tun?

    Grüßle
    Mitch

  • Hi Karsten!

    Vielen Dank für Deine flotte Antwort.

    >Es wäre ratsam, sich mit allen und ihm natürlich hinzusetzen und klare Regeln mit Konsequenzen aufzuzeigen, die dann aber auch eingehalten werden sollten. Sonst wird es noch schlimmer. Vorher aber bitte sehr genau überlegen, welche Konsequenzen "angedroht" werden

    Genau das haben wir getan. Er weiß genau was "Sache" ist. Seine Frau hatte vor kurzem schon schwere psychische Probleme mit Panikattacken. Sie kann nicht mehr und muß sich selbst und vier Kinder schützen. Sie hat ihn am Bahnhof aufgelesen und zum Entzug gebracht. Er war einsichtig und hat die 2 Wochen gut bewältigt.

    Vertreter der Arbeitsstelle haben ihn in der Klinik besucht, ihm die Hände gerreicht - aber auch signalisiert, dass er fliegt, wenn er nochmal unentschuldigt fehlt, bzw. alkoholisiert angetroffen wird. Alles schriftlich festgehalten, er hat unterschrieben. Ich arbeite mit ihm seit 10 Jahre zusammen in einem Büro. Wir haben mehr als ein kollegiales Verhältnis. Es schmerzt mich sehr, wenn ich sehen muß wie er sich zugrunde richtet.

    Gibt es nichts mehr, was getan werden kann? Oder muß es soweit kommen, das er in der Gosse liegt, um sich die Welt von unten anzuschauen, mit der endgültigen, finalen Erkenntnis über sein destruktives Werk?

    Im Moment weiß niemand wo er steckt.

    Mitch

  • Hi Karsten!

    Er hat mich gerade angerufen. Er ist über das WE abgestürzt und hat sich am Bahnhof herum getrieben. Es muss so schlimm gewesen sein, dass er in eine Klinik eingeliefert wurde.

    Vielen Dank für den Tip der Selbsthilfewohngemeinschaften. Vielleicht ist das eine Möglichkeit die Zeit bis zur Langzeittherapie zu überbrücken. Auf dem Weg zu Arbeit müßte er über verschiedene Bahnhöfe. Der Versuchung sich dort bei den "Pennern" einzureihen kann er nur schwer widerstehen (Eigene Aussage).

    Vielen Dank für Deine Hilfe und viele Grüße

    Mitch

  • Hallo,

    dein arbeitskollege ist körperlich und psychisch abhängig.

    ich möchte jetzt mal meine erfahrungen in dieser situation ansprechen. bei dem lesen der postings hatte ich ein totales deja vu erlebnis.

    er geht nicht zur arbeit, dann der satz: "ich komme am bahnhof nicht vorbei" etc, dann die "auflagen": wenn du nicht aufhörst, dann verlierst du das und das..
    ich versetze mich jetzt mal in seine lage, ich versuche es zumindest: "ich habe angst, angst OHNE alkohol leben zu müssen, was kann ich denn schon verlieren, habe doch schon fast alles verloren, ich habe JETZT den es-ist-mir-scheiss-egal-effekt". er braucht den alkohol, und wenn er ihn hat, denkt er nicht mehr nach, sondern fühlt sich in diesem moment sogar noch wohl. wenn man dann aber nach hause kommt, und die situation sieht (sprich familie, arbeit usw), steigt in ihm eine fürchterliche angst hoch UND das schlechte gewissen. also: er trinkt wieder, nicht nur um den "flattermann" weg zu bekommen, sondern auch die angst wegzutrinken. einreden, er solle doch das und das machen, ich glaube nicht, das es gross hilft, denn (ich rede jetzt wie ich gedacht habe), "es ist mir egal was die sagen", und "die nerven", "ich fühle mich so unter druck".
    ich denke man kann nur "versuchen" ihm zu helfen, aber wenn die einsicht fehlt, dann kann man reden wie man will, ER muss es wollen.

    ich hoffe es ist nicht ZU durcheinander geschrieben.
    lg soul

    "Hurra, wir leben noch" **Milva**
    Wer Fehler findet, kann sie behalten ;)

  • Hi!

    Die zentrale Aussage ist "Er muß es wollen". Das ist mir klar.

    Für die Umwelt kommt es jedoch zu kognitive Dissonanzen (Unverständnis) wenn der Wunsch geäußert wird es nicht zu wollen, praktisch jedoch nicht an der Erfüllung des Wunsches gearbeitet wird. Zumindest nicht sichtbar.

    Nach 20 Jahren Alkoholgenuß wird es wohl sehr schwierig sein von dem Stoff zu lassen. Es gibt einfach zuviele "schöne Momente" für den geselligen Kollegen mit Kumpels zu Karteln und blöd zu schwätzen. Und noch zu wenige Schlechte, um die Folgen des Treibens abzusehen. Dabei ist die biologische Strukturierung des menschlichen Körpers alles andere als günstig um dem Vorhaben Vorschub zu leisten.

    Ich komme immer mehr zu dem Schluß das Hilfe kaum oder nur sehr schwer möglich ist. Ich hatte schon Erfahrungen mit Depressionen, die einem das Leben ungemein schwer machen. Dafür gibt es auch keinen Schalter um sie abzustellen. Es ist harte unermüdliche Arbeit, die jeden Tag von neuem beginnt - bis sich endlich, so nach und nach, alles bessert. Ähnlich wird es wohl mit dem Alkohol sein. Ich hoffe er findet einen Weg. Es wäre sehr schade. Er ist ein netter Kerl.


    Mitch


    Zitat von soul42

    Hallo,

    dein arbeitskollege ist körperlich und psychisch abhängig.

    ich möchte jetzt mal meine erfahrungen in dieser situation ansprechen. bei dem lesen der postings hatte ich ein totales deja vu erlebnis.

    er geht nicht zur arbeit, dann der satz: "ich komme am bahnhof nicht vorbei" etc, dann die "auflagen": wenn du nicht aufhörst, dann verlierst du das und das..
    ich versetze mich jetzt mal in seine lage, ich versuche es zumindest: "ich habe angst, angst OHNE alkohol leben zu müssen, was kann ich denn schon verlieren, habe doch schon fast alles verloren, ich habe JETZT den es-ist-mir-scheiss-egal-effekt". er braucht den alkohol, und wenn er ihn hat, denkt er nicht mehr nach, sondern fühlt sich in diesem moment sogar noch wohl. wenn man dann aber nach hause kommt, und die situation sieht (sprich familie, arbeit usw), steigt in ihm eine fürchterliche angst hoch UND das schlechte gewissen. also: er trinkt wieder, nicht nur um den "flattermann" weg zu bekommen, sondern auch die angst wegzutrinken. einreden, er solle doch das und das machen, ich glaube nicht, das es gross hilft, denn (ich rede jetzt wie ich gedacht habe), "es ist mir egal was die sagen", und "die nerven", "ich fühle mich so unter druck".
    ich denke man kann nur "versuchen" ihm zu helfen, aber wenn die einsicht fehlt, dann kann man reden wie man will, ER muss es wollen.

    ich hoffe es ist nicht ZU durcheinander geschrieben.
    lg soul

  • Hallo mitch,
    ich sehe bei dir eine grosse hilflosigkeit, die aber ganz normal ist.

    leider ist es bei vielen (wie auch bei mir damals) so, das sie erst regelrecht "auf die schnauze fallen" müssen um zu sehen, JETZT MUSS ICH WAS TUN.
    ich habe viele menschen in den jahren meiner alkoholabhängigkeit kommen und gehen sehen, einige haben es geschafft, einige hängen immer noch an der flasche, andere wiederrum haben sich regelrecht "tot gesoffen".
    es gibt leider nur sehr wenige, die es wirklich schaffen, aus dem teufelskreis rauszukommen und dann aber auch trocken bleiben.
    ihr tut eure bestes, und ich weiss auch, wie sehr das weh tut, zusehen zu müssen, wie sich ein mensch so kaputt macht.
    nur leider kann man in ein "alkoholiker hirn" nicht reinsehen, ich meine damit, gedanken lesen.
    er hat bestimmt ängste, mehr als du glaubst, aber der alkohol nimmt ihm die angst.
    ER muss wissen, wie weit er jetzt noch geht, denn abhalten kann man ihn nicht (ich spreche aus eigener erfahrung)
    ich wünsche euch viel kraft, denn die braucht ihr auch, und vorallem einsicht für deinen kollegen
    lg soul

    "Hurra, wir leben noch" **Milva**
    Wer Fehler findet, kann sie behalten ;)

  • Hallo Mitch

    Die Geschichte erinnert mich stark an mich zu meiner nassen Zeit. Morgens schon anfangen mit Trinken etc. Was logischerweise folgte, war erst einmal eine Ermahnung, die aber wenig genützt hat. So kam es wie es kommen musste.

    Ich wurde eines Tages zum Chef gerufen, der mir klipp und klar erklärte, dass er das so nicht mehr dulden würde. Entweder würde ich eine Therapie mitmachen oder ich würde entlassen werden. Er bot mir an, für mich bei meinem Hausarzt anzurufen, um einen Termin auszumachen. Auch zur Suchtberatung würde er mich begleiten, wenn ich das wollte. Ich vergesse bis heute nicht den Satz: „Sie räumen ihren Schreibtisch auf und kommen erst dann wieder, wenn sie die Therapie beendet haben“. Puh, das saß. Was wollte ich machen, ich habe mich für die Therapie entschieden. Mein Chef hat auch tatsächlich mir einen Termin bei meinem Hausarzt geben lassen. So kam das Ganze ins rollen und ich konnte nicht mehr zurück. Mein Hausarzt hat mich dann bis zum Beginn der Therapie arbeitsunfähig geschrieben. Wenn ich das heute überlege, muss ich sagen, mein Chef hat das so geschickt gemacht, dass mir nichts anderes übrig blieb, als mich für die Therapie zu entscheiden.

    Es ist natürlich die Frage, ob das bei deinem Kollegen auch so klappt. Aber ein Versuch ist es immerhin wert. Wenn nichts Besonderes passiert, wird er nicht aufhören. Er muss sozusagen einen Tritt in den A… bekommen, sonst wird sich nichts ändern.

    Gruß Henri

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