Vaters Leben in die Hand nehmen?

  • Guten Morgen,

    ich hatte kürzlich berichtet, dass mein Vater eigentlich nicht mehr in der Lage ist, sein Leben ohne Hilfe zu führen.

    Heute war ich mit ihm beim Arzt. Neben der eingeschränkten Nervenleitgeschwindigkeit, dem Korsakow-Syndrom sowie einer vergrößerten, gesunkenen Leber (Stand März 05) kommen nun noch andere Dinge hinzu.

    Die Lungenfunktion liegt 21% unter dem Wert, der in seinem Alter normal wäre. Er hat außerdem Herzrhythmusstörungen und Mangelerscheinungen - das Gesicht ist von Pickelchen gespickt und die Arme mit Flecken (blau/rote Flecken) übersät. Er wiegt bei einer Größe von 1,75 m noch schlappe 58 kg. Die Blutergebenisse kommen morgen. Mein Vater sagte, dass ihm alle Knochen weh tun würden. Auf Nachfrage sagte er dann, dass er gestern wieder einmal gestürzt sei.

    Der Hausarzt hat mir gesagt, dass er mir sofort ein Attest geben würde, um beim Amtsgericht eine Betreuung zu beantragen (bzw. dass ich sie übernehme). Konsquenz wäre, dass ich halt über sein ganzes Leben bestimme (ok - finanziell, Versicherungen usw mache ich ohnehin schon seit Jahren!), aber nun würde auch noch Aufenthaltsbestimmungsrecht etc. dazu kommen.

    Hat schon einmal jemand von euch vor so einer Entscheidung gestanden? Wie habt ihr euch entschieden? Und warum? Für/Wider? Was ist richtig? Was falsch?

    Menno, mir schwirrt der Kopf! Fragen über Fragen. Wäre schön, wenn mir jemand einen Rat geben bzw. aus der Erfahrung berichten könnte.

    Einen schönen Tag wünscht eine traurige und verwirrte

    Aileen

  • Hallo Aileen,

    liebe Grüsse von mir,sei nicht so traurig.
    Das ist eine sehr schwierige Entscheidung,die Du da treffen must.
    Es kann Dir leider niemand diese Entscheidung abnehmen.
    Du musst das für und wider genau abwägen,was im besten Interesse für Euch alle ist.

    Liebe Grüsse und viel Kraft

    Peter Pan

  • Danke für euren Zuspruch. Ich werde mal einige Tag darüber nachdenken, denn ein "Schnellschuss" ist hier ja nun nicht angebracht.

    Ich hatte echt gedacht, dass ich nach all den Jahren, die ich mich um meinen Vater gekümmert habe und in denen der Alk sein bester Freund war, abgehärteter wäre! Aber hin und wieder holt mich doch alles ein und ich bin traurig, wütend, irritiert..... Naja, ich werde gleich mal "Frustputzen" machen :D - das hat wenigstens einen schönen Nebeneffekt - und dabei mal versuchen runterzuschrauben und die Gefühle wieder in den Griff zu bekommen.

    @ZV
    ich bin 38, verheiratet (Mann aber geschäftlich viel unterwegs) und voll berufstätig (naja, im Moment nicht, da ich kürzlich meinen Job verloren habe, aber ich bin ganz zuversichtlich, dass ich bald wieder arbeite :D - habe gute Qualifikationen und Zeugnisse und bin flexibel).

    Einen schönen Tag wünscht euch

    Aileen

  • Hallo ega,

    es geht eigentlich um die generelle Versorgung. Ich denke, selbst wenn wir wollten, könnten wir ihn nicht bei uns aufnehmen. Er hat ja bereits den Orientierungssinn weitestgehend verloren, daher hätte ich immer Angst, dass er mir hier (ich wohne 50 km von ihm entfernt) "abhanden" käme.

    Er hat halt, neben den gesundheitlichen Problemen, Probleme mit der häuslichen und körperlichen Hygiene. Letzte Woche habe ich ca. 9 Kündigungen an dubiose "Spielvereinigungen" gesendet, denn mein Vater gibt am Telefon immer bereitwillig seine Kontonummer an, wenn er von irgendwelchen Call-Centern angerufen wird! Der mtl Betrag belief sich auf ca. 360 Euronen! Er braucht also schon Betreuung - nicht 24 h/Tag, aber jemanden, der das Konto überwacht auf Hygiene achtet usw.

    Ich lasse gerade die Wohnung von ihm renovieren. Es fliegt alles raus - vom kleinen Löffel bis zum Teppich (außer Erinnerungsstücke und persönliche Dinge). Habe seine KOMPLETTE Wäsche nun in eine Wäscherei gegeben. Und wenn renoviert wurde und die Grundreinigung der Wohnung erfolgt ist, wird wöchentlich eine Putzfrau kommen.

    Damit sind aber 2 Dinge noch nicht aus dem Weg geräumt - die Gesundheit bzw. regelmäßige Arztbesuche und ein Entzug in der Klinik, den er erst heute morgen wieder abgelehnt hat. Hätte ich das Aufenthaltsbestimmungsrecht, könnte ich ihn einweisen lassen, aber was wäre dann danach? Irgendwann kommt er ja wieder raus! Ich glaube nicht, dass er mit 61 Jahren, den körperlichen Schäden und dieser Einstellung schafft. Und die Frage ist auch: Will ich die komplette Verantwortung für ein Menschenleben übernehmen? Mit allen Rechten und Pflichten?

    Er fragte mich heute nach dem Arztbesuch: "Und? Wie geht es nun weiter?" Nach kurzer Überlegung habe ich es ihm direkt gesagt: "Papa, du bist sehr krank. Wenn du nicht in eine Klinik gehst wirst du bald sterben - in 3 Monaten, in 3 Jahren - keine Ahnung, aber rechne nicht damit, dass du in 10 Jahren noch lebst".

    Tja, das war hart, aber die Wahrheit! Er war nüchtern, als ich es ihm sagte. Seine Antwort darauf: "Setz mich mal an der Kneipe ab!" - Das war um 9:30 h heute morgen!!!!

    Morgen bekomme ich Papas Ergebnisse von der heutigen Blutabnahme. Ich spreche dann noch einmal mit dem Arzt und überdenke das ganze noch einmal gründlich!

    Jetzt wollte ich eigentlich kurz antworten und es ist wieder ein Roman geworden! Sorry :oops:

    Einen schönen Abend wünscht

    Aileen

  • Hallo Aileen,

    also Betreuung muss sein, aber ob Du das machen musst ist die nächste Frage. Diese Frage würde ich erstmal auf dem Gericht klären, oder einfach mal bei einen Betreuungsverein anrufen ( Telefonbuch). Das Attest braucht Ihr auf jeden Fall.

    Mach Dich nicht fertig, das geht alles seinen Gang.

    Viele Grüsse

    White

    m. , Bj. 67 :wink: , abstinent seit 2005

    Wir gehen unseren Weg, weil wir nur den Einen haben. Hätten wir mehrere zur Auswahl, wären wir total zerrissen und unglücklich. Einzig die Gestaltung unterliegt uns in gewissen natürlichen Grenzen.

  • Hallo White,

    danke für den Tipp mit dem Betreuungsverein - da werde ich gleich morgen früh mal einen Termin vereinbaren.

    Ich habe noch ein Problem damit, ein Attest ausstellen zu lassen und die Folgen, die damit verbunden sind. Wie oben erwähnt erledige ich ja schon seit Jahren Dinge für ihn - hab sämtliche Vollmachten (Bank etc.) - das habe ich aber immer als Hilfestellung angesehen. Wenn ich Beteuung - und ich weiß, dass diese unumgänglich ist - beantrage, hab ich das Gefühl, dass ich ihm "sein Leben nehme". Hört sich irgendwie doof an oder?

    Übrigens, toll, dass es so viele von euch geschafft haben, dem Alkohol den Rücken zu kehren! :)

    Einen schönen Abend wünscht

    Aileen

  • Zitat

    Seine Antwort darauf: "Setz mich mal an der Kneipe ab!" - Das war um 9:30 h heute morgen!!!!


    das kann wahrscheinlich nur ein Alkoholiker verstehen :?
    du nimmst ihm nicht sein Leben, wenn du Betreuung beantragst, im Gegenteil du versuchst das Beste für Ihn; übrigens hast du Recht mit deiner Annahme, ein Entzug würde bei ihm höchstwahrscheinlich rein gar nichts bringen
    alles liebe

  • Guten Abend zusammen,

    dil, das ist ja echt eine traurige Geschichte (eine von leider sehr vielen hier im Forum, die einem sehr nahe gehen und zum Nachdenken bringen!!!).

    Entmündigung als solches (ganzes) gibt es ja nicht mehr - jetzt heißt das "Betreuung" und man kann es für verschiedene Lebensbereiche abgrenzen.

    Ich gehe jetzt in die Richtung, dass ich die Betreuung für seine Finanzen etc. übernehme (was ich ja eh schon lange mache) und die Betreuung (und somit auch die Verantwortung) für das Aufenthaltsbestimmungsrecht/Gesundheitsversorgung an einen Betreuer abgebe. Ich denke, die können viiiieeeel objektiver entscheiden als ein Familienangehöriger - und das ist ja meist besser. Zudem ist mein Vater in Sachen "Entzug" mal wieder sehr unkooperativ und ich denke ein Außenstehender kann die Situation besser handeln als ich.

    Ich habe aber nächste Woche noch ein Gespräch, so dass ich erst dann entscheiden werde wer was wie macht!

    @all: Vielen Dank für die tolle Unterstützung und die Anteilnahme.

    Einen schönen Abend wünscht

    Aileen

  • Guten Tag zusammen,

    vielen Dank für die Nachfrage.

    Ich habe nun mit dem Betreuungsverein gesprochen und dabei stellte sich heraus, dass denen eigentlich auch die Hände gebunden sind. :( Im Grunde können die nichts anderes machen, als das was ich bisher für meinen Vater mache - auch wenn sie vom Amtsgericht als Betreuuer eingesetzt würden - eine Zwangseinweisung wäre auch dann nicht möglich.

    Stand der Dinge ist, dass mein Vater nun wöchentliche "Besuch" eines Sozialarbeiters bekommt, der ihm beim Duschen "hilft". Habe meinem Vater es als Hilfe "verkauft", denn hätte ich gesagt: "Du bist nicht in der Lage......", dann hätte er das wohl abgelehnt. So meint er jetzt, er hat eine Hilfe, weil er wackelig auf den Beinen ist und etwas vergesslich. Die Körperhygiene wäre somit auch geklärt. Außerdem bekommt er einen Notrufbutton - die Idee fand er auch ok. (und ich erst...... sollte er mal wieder fallen, habe ich die Gewisseheit, dass er sofort Hilfe erhält!!!)

    Der Hausarzt hat meinem Vater zu einem quartalsmäßigen Arztbesuch geraten. Die Fahrt dorthin und zurück wird der Sozialdienst übernehmen. Meine Aufgabe wird nur sein, einen Termin beim Arzt zu vereinbaren.

    Nächste Woche hat er einen Termin für ein CT. Möchte nun doch schon genau wissen, wie stark die Leber angegriffen ist!

    Tja, mehr kann ich dann wohl auch nicht mehr für ihn tun. Neue Möbel, saubere Wohnung, Putzfrau, Körperhygiene gewährleistet, für den Notfall gerüstet und quartalsmäßige Untersuchungen. So hat er wenigstens eine menschenwürdige Umgebung - auch wenn sein Hauptproblem damit nicht gelöst ist!!! Aber das kann nur mein Vater selbst entscheiden!

    Die Hoffnung, dass er zur Besinnung kommt habe ich eigentlich aufgegeben, da er ja letzte Woche beim Arzt wieder einmal eine Therapie abgelehnt hat. Traurig, aber wahr!!!

    Einen schönen Tag wünscht euch

    Aileen

  • hätte jetzt nicht gedacht, daß das Amt da auch nix machen kann, aber gut, daß wenigstens ein paar Sachen geklärt sind, jetzt müsste dein Vater nur noch zur Besinnung kommen, alles Gute :wink:

  • Liebe Zeni,

    es hört sich nach mehr an als es eigentlich ist. Alles eine Sache der Organisation :D Ich bin ja Gott-sei-Dank in der glücklichen Lage Aufgaben deligieren zu können - soll heißen: es ist seitens meines Vaters ausreichend Geld da, um Leute zu "engagieren", die sich kümmern. Das heißt ich übernehme die Organisation und muss "nur" seine Wohnung ausräumen (das wird das übelste sein!!!) - der Rest sollte dann, zumindest bis er sich völlig zerstört hat - laufen.

    Ich hätte das alles gerne früher für meinen Vater getan, so dass es erst gar nicht zu diesem Zustand der Verwarlosung kommt, aber er wollte es nie (keine Putzfrau, keine neuen Möbel etc.).

    Ich hatte auch meine Zeiten, in denen ich ihn komplett ignoriert habe, mich nicht gemeldet habe etc. Da war mit mir als Tochter nicht "gut Kirschen essen". Denn da war ich total knatschig!!!

    Besonders schlimm war es Anfang letzten Jahres nach seinem letzten Krankenhausaufenthalt und dem Entzug der sechs Wochen später folgt. Er hat mich seinerzeit auf's übelste beschimpft. 3 Monate habe ich aufwenden müssen, um eine Untersuchung und einen Entzug aus ihm "rauszuleiern". Letzten Endes hat er weiter getrunken, ich war am Ende meiner Kräfte und habe nur gedacht (Achtung :shock: ): Dann verreck doch!

    Zu diesem Zeitpunkt musst ich einfach auf Abstand gehen, sonst hätte ich ihm wer-weiß-was an den Kopf geworfen!!! (was ich später sicherlich bereut hätte!!!)

    Ich bin froh, dass er z. Z. nach "meiner Pfeife" tanzt - wenn das nicht wäre, hätte ich vermutlich schon wieder aufgegeben, weil man - nachdem man mit Engelszungen und den besten Erklärung auf ihn eingeredet hat - einfach nur das Gefühl hat, denjenigen an die Wand zu nageln, ihm rechts und links eine zu scheuern und zu sagen: "Mensch, wach auf, du machst UNS kaputt! Das Leben ist kurz und hart genug, ohne dass man sich selber noch Probleme aufhalst!" Das ganze natürlich in einer Lautstärke, dass dem gegenüber die Nackenhaare hoch stehen!!! :oops: Aber wie gesagt: das ist die Theorie - das macht man natürlich nicht! Bringt keinem was (naja, vielleicht eine kurzfristige Erleichterung :D )

    Ich freue mich zu hören, dass deine Eltern anscheinend die Kurve gekriegt haben (Du und Deine Schwester haben da sicherlich einen großen Anteil dran, weil ihr den Mut aufgebracht habt, das Thema anzusprechen!!!).

    @ega
    Drollig: "nur noch zur Besinnung kommen" :D
    Übringens: Schön, dass du es geschafft hast!!! Halt weiter durch!!! Du hast hier so viele tolle Beispiele, die dir zeigen, dass ein Leben ohne Alkohol machbar ist und, dass man dadurch nur gewinnt!

    Oh Mann, schon wieder ein Roman :oops: Sorry!!!

    Einen schönen Abend wünscht euch allen

    Aileen

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