Hallo liebe Leute,
ich habe eine für mich sehr interessante Erfahrung gemacht mit einem süchtigmachenden Stoff in "Lebensmitteln".
Ich bin seit 5 Monaten trocken und es geht nicht um Alkohol. Meine Erfahrung lässt sich aber meiner Meinung nach auf die Gefahren bei der Alkoholsucht problemlos übertragen.
Oft ist ja die Frage, wieviel Alkohol und in welcher Form darf ein Lebensmittel enthalten, um dem trockenen Alkoholiker nicht gefährlich zu werden. In manchen Punkten sind sich da fast alle einig, die ganz genaue Grenze muss wohl mit der Zeit individuell von jedem selbst herausgefunden werden.
Ich habe vor 3 Jahren mit dem Nikotin schlussgemacht und vor 5 Monaten mit dem Alkohol und vor 4 Wochen mit dem Koffein. Ich bin auch stark koffeinsüchtig. Sicher interessieren sich die wenigsten für Koffeinsucht, aber der Vorgang wie ich vor 2 Wochen rückfällig wurde, war sehr interessant für Alkoholiker.
Ich hatte vor 4 Wochen eine vorrübergehende Arbeitsuntüchtigkeit genutzt, um endlich auch einen langersehnten Koffeinentzug zu machen. Ich trinke wesentlich mehr Kaffee, als mir das gut tut. Der Entzug war auch nicht so harmlos, wie das viele beim Kaffee annehmen würden. Natürlich kein Vergleich zum Alkoholentzug, darum geht es mir aber auch gar nicht. Aber etwas wie einen starken Migräneanfall über drei Tage hatte ich mir schon eingehandelt.
Vor 2 Wochen dann bekam ich bei der Arbeit Süßigkeiten angeboten, die extra groß ausgewiesen Kaffee enthalten und wohl auch als "Wachmacher" auf dem Markt beworben werden. Ich las mir extra die Zutatenliste durch und fand gleich als erstes den Kaffee in irgendeiner Form.
Ich dachte als Alkoholiker sofort an die "berühmte" Cognacbohne, die ich selbstverständlich nicht essen würde. Ich legte diese Kaffeepralinen erstmal beiseite, dachte aber die ganze Zeit darüber nach, ob ich sie essen solle.
Ich muss dazu sagen, dass ich nur zu 99% davon überzeugt war, nie wieder Kaffee zu trinken. Das wusste ich auch. es war nicht diese Unbedingtheit da wie beim Alkohol, die so wichtig ist, um es dauerhaft zu schaffen. Ich hatte nicht alle Türen hinter mir verschlossen. Hatte beispielsweise noch eine Packung verführerisch riechenden frischen Kaffees zu Hause.
Ich schlawenzelte noch eine halbe Stunde um die Pralinen herum, um dann schließlich drei von 5 zu verzehren. Sie schmeckten scheußlich. Ich bin gar kein Fan von so einer Art Süßschleim ...brrrrr. Aber ich as sie trotzdem.
Das Verrückte war, dass ich in dem Moment, da ich die Packung aufbrach auch wusste, dass das ein Rückfall wäre. Mir war klar, dass ich in dem Moment meine koffeinlose Zeit beenden würde und nun wieder koffeinsüchtig war.
Als ich 2 Stunden später zu Hause war, ging ich ganz selbstverständlich an den Herd, setzte mir Kaffeewasser auf, ließ ein paar Bohnen in die Mühle purzeln und seit diesem Moment war ich (und bin ich noch) bei der selben Konsumdosis wie zuletzt.
Ich werde natrürlich damit leben, obwohl es magenmäßig schon mein Wohlbefinden imens einschränkt. Ich werde auch versuchen zu gegebener Zeit wieder davon runterzukommen.
Für mich als Alki war es aber eine sehr wichtige Erfahrung, sozusagen live mitzuerleben, auf welche Weise ein Stoffsüchtiger sich wieder verführen und zurück in die Abhängigkeit begeben kann - freiwillig und sehenden Auges. Ich konnte genau registrieren, welcher Kurzschluss sich in meinem Kopf ereignete.
Das hat meine Sinne für im Alltag in Spuren vorliegende Alkohole noch sensibilisiert.
Ich wollte das in dem Zusammenhang bloß mal erzählen, aber nicht euch euren Frühstücks oder Nachmittagskaffee vermiesen. Kaffee war nur das Beispiel.
Herzliche Grüße vom Micha