Argumente für Krisenzeiten

  • Hallo!

    Hab einen interessanten Artikel über das Suchgedächtnis gelesen. Darin wurde sinngemäß gesagt: Das Suchtgedächtnis lässt einen quasi die Realität sehr einseitig wahrnehmen. Dem Alkoholkranken geht es wie im Zustand des Verliebtseins, er blendet alle Fehler der begehrten Person aus. (Nur endet diese Liebesbeziehung halt früher oder später tödlich. Der begehrte Partner - Alk - ist auch ein Dieb, der einen ums Leben bringt.)

    Fälschlicherweise erinnert man sich in Saufdruckattacken nur an die Glücksmomente, nicht an die Zerstörung, die der Alk in der eigenen Psyche, im eigenen Körper, in den Beziehungen angerichtet hat. Das liegt am Suchgedächtnis, das den Blick trübt und einen einseitig wahrnehmen lässt. Zeitlebens bleibt das leider so.

    Ich hab mir vorgenommen, für Krisenzeiten mal Argumente zu sammeln, was der Alk anrichtet. Vielleicht fällt Euch auch was dazu ein?

    Lieben Gruß
    Jean

    Wenn ich mir selbst nicht erlaube, dass es mir ohne Alkohol gut geht - wer soll es dann für mich tun?

    Trocken seit November 2006

  • Eines meiner stärksten Argumente ist für mich der nächste Tag, der nächste Morgen. Alkohol - ein Problemlöser? Weit gefehlt.

    Bei einem Rückfall würde ich wieder nüchtern werden und nichts wäre besser geworden. Im Gegenteil, ich hätte wieder ein akutes Suchtproblem mehr... Und meine Fähigkeit Probleme zu lösen wäre stark eingeschränkt.
    Es zahlt sich nicht aus, einen Meter gewonnenes Land, das ich der Sucht abgerungen habe, wieder herzugeben.

    Grüße von
    Jean

    Wenn ich mir selbst nicht erlaube, dass es mir ohne Alkohol gut geht - wer soll es dann für mich tun?

    Trocken seit November 2006

  • Noch etwas möchte ich nicht vergessen.

    Der Alkohol machte mich zum gewissenlosen Schw........ . Hab selber Freunde zum Saufn animiert, obwohl ich wusste, das schadet ihnen. Wollte Komplizen meiner Sucht. War nur mehr der Saufkumpan. Eine Schande ist das. Und ich hab mir was auf meine Freundschaften eingebildet... Dabei wurde ich langsam unfähig, Freundschaften einzugehen.... Hätte problemlos den Menschen meiner Sucht geopfert - in manchen Momenten.

    Dann ist da auch dieses Gefühl, Marionette gewesen zu sein, ohnmächtig, der Verlust jegelicher Freiheit, der durch die Sucht kommt. Der Saufdruck erinnert mich noch dran und ich finde ihn scheußlich.

    Grüße von
    Jean

    Wenn ich mir selbst nicht erlaube, dass es mir ohne Alkohol gut geht - wer soll es dann für mich tun?

    Trocken seit November 2006

  • hallo jean,
    das ist gut, diese negativen Verknüfungen parat zu haben, um sie dann abrufen zu können; das Suchtgedächtnis bleibt bestimmt ein Leben lang, aber sollte es nicht möglich sein, es mit genügend negativen Assoziationen zu bestücken?

  • hello,

    also an was ich denken würde, wenn mich der saufdruck packt, wäre das zusammensein mit meiner freundin im nüchternen zustand. sowohl das
    miteinander reden, lachen, weinen, träumen, diskutieren, albern..usw als auch die intimen momente sind um welten schöner als früher.

    gruß
    carnel

    7. Juni 2005

  • So und noch eine negative Assoziation für das Suchtgedächtnis, die ich aus meinem Tagebuch rüberkopiert habe.

    Sollte ich zur Flasche greifen wollen, weil ich Druck und Schmerzen habe, lohnt es sich, mir auch vor Augen zu halten: Der Alk bewirkt Nervenschädigungen und hat wahrscheinlich mein Schmerzproblem mit schlimmer gemacht. Kurzfristig mag der Alk von den Schmerzen ablenken; längerfristig führt er zu mehr Nervenschäden und schwer therapierbaren Schmerzen.... Pfuuuuii Teufel. Da kann das Suchtgedächtnis noch so schönreden, ich weiß woran ich bin.


    Facit: Trinken macht Schmerzen, statt sie zu reduzieren. Alk ist - eine Gefahr für die Gesundheit, den Magen, die Leber etc. - und ein Verursacher von Schmerzzuständen. Prost Mahlzeit, mich ekelt schon beim Gedanken an das Glas.

    Wenn ich mir selbst nicht erlaube, dass es mir ohne Alkohol gut geht - wer soll es dann für mich tun?

    Trocken seit November 2006

  • Und noch ein Argument:

    In der Selbsthilfegruppe bei den AA waren Menschen mit folgenden Erfahrungen versammelt:

    - einen hatte der Alk aggressiv und verkehrsuntauglich gemacht und für längere Zeit ins Gefängnis gebracht

    - derselbe lag mit Vergiftungserscheinungen auf der Intensiv

    - derselbe sagte, er hätte in der Nacht halluziniert, das Bett hätte sich unter ihm bewegt

    - ein anderer berichtete von den Entzugserscheinungen schon während der Nacht, dem Aufschrecken, den Schweißausbrüchen

    - wieder ein anderer vom Skandal am Arbeitsplatz, den es gegeben hatte, Alk war der Grund, warum er seinen sicheren Job verlor....

    Gefängnis, Krankenhaus, Intensivstation, letztendlich auch Straße sind (Wohn-)Orte für Alkoholabhängige. Kneipe und, für mich konkret, Blockhütte meines ehemaligen Saufkumpanen sind Übergangsstationen dorthin. Na dann, prost und schp....b.


    PS: Mein Posting bitte ja nicht als Angriff verstehen - schon gar nicht auf Menschen, die keine Arbeit haben... Betrifft ja viele, heutzutage, und ist eine Folge der sozialen Kälte in unserer Gesellschaft.

    Wenn ich mir selbst nicht erlaube, dass es mir ohne Alkohol gut geht - wer soll es dann für mich tun?

    Trocken seit November 2006

  • Und noch ein Argument für Krisenzeiten:

    Das war eine ziemliche Überraschung, was ich im Fachbuch über die Veränderungen gelesen habe, die Alkohol im Gehirn bewirkt. Diverse Hirnregionen werden geschädigt, das Schlafmuster wird verändert, Alkohol greift in diverse Neurotransmittersysteme ein, verändert die Rezeptoren, verändert das Zellgleichgewicht, es kommt zu Wechselwirkungen mit.... Die Auswirkungen von Alkohol sind vielfältig, das meiste ist noch gar nicht richtig erforscht.

    Saufen scheint ein großes Selbstexperiment am eigenen Gehirn und am Körper mit ungewissem Ausgang zu sein.
    Nun würde ich mich ja auch nicht für Experimente der Pharma-Industrie zur Verfügung stellen, nicht fürviel Geld würde ich Experimente erlauben, die mein Gehirn und meinen Stoffwechsel nachhaltig verändern können.

    Was hat mich bloß veranlasst, das mit mir selbst anzustellen?

    Pfui Teufel, nie wieder Alk.

    Jean

    Wenn ich mir selbst nicht erlaube, dass es mir ohne Alkohol gut geht - wer soll es dann für mich tun?

    Trocken seit November 2006

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