Hallo Ihr Lieben,
5 Tage vor seinem 62. Geburtstag wurde Papa nun beerdigt. So komisch es sich auch anhören mag: Es war eine schöne Beerdigung.
Wir haben versucht alles so ästhetisch wie möglich zu machen. Die Todesanzeigen z. B. passten zur Urne – auf allem war eine untergehende Sonne zu sehen. Wir haben die kleine Kapelle, in der die Andacht gehalten wurde, mit roten und weißen Rosen geschmückt, außerdem haben wir ein großes Bild von Papa aufgestellt. Das Bild stammte aus einer Zeit, als es ihm noch besser ging.
Um während der Messe nicht das „allgemeine Volksgemurmel“ (häufig „singen“ genannt) zu hören, haben wir einen Sänger bestellt. Mensch, hat der toll gesungen. Angefangen hat die Messe mit „Amazing Grace“, in der Mitte ein „Ave Maria“ und am Ende ein sehr schönes Lied, an dessen Worte ich mich erinnere, aber an den Titel nicht mehr .
Am Abend vor der Messe hatten wir ein Gespräch mit dem Pfarrer. Er kannte meinen Vater nicht, hat aber am nächsten Tag so schön über ihn gesprochen, als hätte er ihn Jahre gekannt. Meine Schwester und ich haben Wert darauf gelegt, dass die Alkoholkrankheit nicht verschwiegen wird (Betonung auf KRANKHEIT) und das hat der Pfarrer wirklich sehr gut hinbekommen. Er hat damit begonnen, dass Papa mal sehr auf seinen Körper bedacht war und viel Sport getrieben hat, aber mit dem Alkohol auch der körperliche Verfall zugenommen hat.
Und hier sind wir auch bei den Begleiterscheinungen….. Meine Schwester und ich hatten seit der Scheidung nur sehr sporadisch Kontakt zu Papas Familie (ca. alle 10 Jahre 1x gesehen!!!). Eine meiner Tanten wollte – so nahm ich zunächst an – Anteil nehmen. Aber bei jedem Telefonat hat sie nur auf meiner Mutter rumgehackt. „Sie hat ihn verlassen (ja, sie musste uns schützen)– deshalb hat er getrunken. Sie ist fremdgegangen (stimmt nicht), deshalb hat er getrunken. ER hat sie geheiratet, obwohl sie ein Kind (das war ich!!!! Da war ich 2 oder 3 Jahre. Ich kenne nur einen Mann als Papa und das ist der Mann, der kürzlich verstorben ist!!!) hatte. Er war einsam, weil deine Mutter ihn verlassen hat (klar – hat ja auch nichts mit dem Alkohol zu tun! Er war einsam WEGEN des Alkohols!!!! Sonst nichts). Naja, das ihr Bruder einfach nur ein schwacher Mensch war, wollte sie natürlich nicht hören!!!
Auf dem Beerdigungskaffee zeigte sich dann mal wieder, dass Papas Geschwister trotz der Ansprache des Pfarrers nichts verstanden hatten. O-Ton eines Onkels: „Er hätte ja saufen können, nur hätte er dabei wenigstens essen müssen!“ Nee, is klar! Hast du dich schon mal mit dem Thema AlkoholKRANKHEIT auseinander gesetzt?
Ich war froh, als die Zeit bis zur Beerdigung und die Beerdigung selbst vorbei waren. Endlich Ruhe vor der Verwandtschaft und die ständigen Seitenhiebe „Du warst ja nur angenommen“. Meine Schwester war schon komplett auf Krawall „gebürstet“ und hielt sich meist in meiner Nähe auf, damit sie beim ersten blöden Spruch, der gegen mich gerichtet ist, eingreifen kann – aber Gott-sei-Dank haben sich alle zurück gehalten!
So, obwohl ich Themen nur „angerissen“ habe, ist es doch wieder ein Roman geworden…. Sorry, und danke an alle, die bis hierher gelesen haben!
Ich wünsche allen einen schönen Abend.
Liebe Grüße
Aileen