Beiträge von torben78

    Hallo Sylvie!

    Hinfallen ist keine Schande. Das passiert. Was ich jedoch bei Dir vermisse, ist der Biss es packen zu wollen. Nicht für Deine Tochter, sondern für Dich! Auch aus dem unbedingten Vorsatz, es jetzt anzugehen, kannst Du Kraft schöpfen. Was sind DEINE konkreten Ziele für die nächste Zeit? Wie sieht DEIN nächster Schritt aus? Ist die Trockenheit wirklich DEINE oberste Priorität? Wenn ja, dann bleib dran, keine Ausflüchte und keine Nebenkriegsschauplätze.

    LG Torben

    Mein Urlaub ist vorbei, drei Wochen. Auf der einen Seite bin ich etwas traurig darüber, auf der anderen Seite muss ich sagen: Zum Glück ist der Urlaub vorbei! Ich musste für mich feststellen, dass ich wieder in alte Verhaltensmuster zurückgefallen bin; das ärgert mich.

    Ich muss dazu sagen, dass ich meinen Urlaub in diesem Jahr nicht mit meiner Familie zusammen verbringen konnte. Es ergab sich, dass ich in Ferienzeiten keinen Urlaub bekam, im Gegensatz zu meiner Lebensgefährtin. Wenn sie mit de Kindern zu Hause war, war ich arbeiten und wenn ich zu Hause war, war sie Arbeiten und die Kinder in der Schule. :cry:

    Und so war ich die letzten drei Wochen auf mich gestellt. Anfangs lief es noch ganz gut. Ich habe mich an einen geregelten Tagesablauf gehalten, bin früh aufgestanden, habe Hausarbeiten erledigt. Ein bisschen Zeit am Comuter, dann kam die Kleine aus der Schule. Hausaufgaben gemacht und mich auf meine Frau gefreut.

    Doch schon nach gut einer Woche kehrten die Gedanken an den Alkohol zurück. Ich habe mir in Gedanken ausgemalt, wie meine Urlaube früher verliefen - eine Woche Struktur, die Woche drauf der Absturz mit die ganze Woche durchsaufen, die letzte Woche Entzug. Diese Bilder und Gedanken verfolgten mich. Ich habe mir ausgemalt, wie es heute wäre, habe mir vorgestellt, was passieren würde, wenn ich mir jetzt eine Flasche kaufen würde. Allerdings gelang es mir immer wieder, die Konsequenzen vor's geistige Auge zu rufen und mich zu loben: "Siehste. wenn Du jetzt gesoffen hättest, hättest Du dies oder jenes heute nicht geschafft."

    Dennoch habe ich immer mehr meinen Faden verloren, wurde undiszipliniert. Ich blieb immer länger im Bett liegen, habe mich um immer weniger gekümmert. Erstaunlicherweise hat meine Lebensgefährtin das auch akzeptiert. Zum Schluss habe ich es gerade geschafft, dass ich aus dem Bad kam, kurz bevor die Kleine nach Hause kam, denn die Blöße wollte ich mir nun nicht geben, dass sie von ihrem Schultag nach Hause kommt und ich liege noch im Bett.

    Im Nachhinein ärgere ich mich ein wenig über mich selbst. Natürlich gehört zu einem trockenen Leben auch, dass man sich hin und wieder zur Ordnung ruft und sich an die Regeln hält, die man für sich aufgestellt hat. Ich bin jetzt über ein Jahr abstinent und es ist noch kein Selbstläufer. Nicht umsonst habe ich wieder zum Forum gefunden. Ein Vorsatz aus dieser Erfahrung ist, dass ich mir eine feste Zeit vornehme, um mich wieder mehr mit dem Forum auseinanderzusetzen und es im nächsten Urlaub besser zu machen. Aber im nächsten Jahr, habe wir zum Glück zusammen Urlaub :wink:

    Hallo Pusteblume!

    "Durchhängen", sich in einem Loch befinden, ist nichts ungewöhnliches, wenn Du abstinent bist. Dein Körper muss erstmal wieder lernen, ohne Alkohol klar zu kommen. Alkohol greift ins limbische System im Gehirn ein, einer Region, die maßgeblich für die emotionale Verfassung eines Menschen verantwortlich ist. Das limbische System stellt sich irgendwann auf den Alkohol ein und funktioniert nur noch "richtig", wenn Alkohol im Blut ist.

    Du bist jetzt abstinent, Dein Körper darauf jedoch noch nicht vorbereitet. Das Gehirn und das limbische System brauchen Zeit, bis es wieder ohne Alkohol korrekt arbeiten. Und Du kannst Dich und Deinen Körper dabei unterstützen. Drei Dinge finde ich an Deiner Ausführung großartig und sind ein guter Ansatz:

    1. Du stehst morgens früh auf. Das finde ich toll, denn das verhindert, dass Du den Tag im Bett verbringst. Das wäre nämlich Gift, denn mit Passivität unterstützt Du Deinen Heilungsprozess nicht.
    2. Du planst Deinen Tag. Struktur hilft (!!!), auch wenn Du nicht alles erledigst. Irgendwann wird auch das Dir gelingen. Dein Körper bekommt die Chance sich an einen gewissen Tagesablauf zu gewöhnen und wird auch irgendwann beginnen, Dich dabei hormonell zu unterstützen. Der Körper lernt, wann er aktiv und wann er müde zu sein hat.
    3. Du hast ein Hobby und dem gehst Du nach. Im Gehirn werden dadurch wieder Prozesse in Gang gesetzt, die früher nur unter Alkoholeinfluss möglich waren, Glückshormone wieder ausgeschüttet.

    Ich habe ungefähr ein halbes Jahr gebraucht, um mich an Dingen erfreuen zu können. Ich war ein halbes Jahr nur mit mir beschäftigt, alles düster. Dinge die ich früher gern gemacht habe, waren mir egal, ich hatte keine Lust drauf. Klar: Hin und wieder gab's auch schöne Momente und doch habe ich dieses halbe Jahr als eher grau (trotz vieler Veränderungen) und anstrengend in Erinnerung. Aber das legt sich, Stück für Stück. Heute kann ich wieder meinen Hobbies nachgehen, aktiv am Leben teilhaben.

    Dass es Dir jetzt schlecht geht, ist eben so. Wichtig ist, dass Du aktiv bleibst.

    War Dein Klinikaufenthalt wegen Alkohol? Wenn ja, dann gehe ich mal davon aus, dass man Dich dort auf Depression hin untersucht hat. Und wenn die Diagnose Depression nicht gestellt wurde, kannst Du halbwegs beruhigt sein. Dann ist Dein Stimmungstief wahrscheinlich die Folge Deiner Abstinenz und dann wirst Du da auch rauskommen (wenn Du dran bleibst- also Kopf hoch). Sollte sich Deine Stimmung jedoch derart verfinstern, dass Du nicht mehr aus dem Bett kommst, solltest Du unbedingt zum Arzt gehen.

    LG Torben

    Okay, da bin ich wieder, wohl wissend, dass ich jetzt (!) die Gelegenheit nutzen möchte, zu schreiben, da sich Gedanken in mir regen, die ich darlegen möchte. Aber zunächst ganz kurz, was sich seit meinem letzten Besuch im Forum ereignete:

    Nicht viel und doch allerhand. Ich bin (zum Glück) immer noch trocken, bin auf's Land gezogen, arbeite, besuche noch eine SHG, kurzum ein normales kleinbürgerliches Leben. Ich hätte rückwirkend nie geglaubt, dass mein Lebensentwurf derartig spießig sein könnte, aber ich bin glücklich, also muss es so sein.

    Was mich umtreibt, ist die öffentliche Diskussion über Depressionen. Ich finde die Diskussion klasse, weil sie erstaunlich sachgerecht geführt wird, wenngleich es eines tragischen Auslösers bedurfte. Und doch staune ich darüber, dass niemand fragt: "Warum hat sich Robert Enke an diesem Tag das Leben genommen? Da muss doch was passiert sein. Da hat er sich womöglich mit seiner Frau gestritten oder kam mit seiner Nichtnominierung zur Nationalmannschaft nicht klar" Nein, es wird akzeptiert, dass schwere Depressionen tödlich verlaufen können, ja man spricht ganz offiziell von einem Krankheitsverlauf, an dessen Ende eben auch ein Suizid stehen kann. Keine Schuldzuweisungen, es ist diese Krankheit. Ich glaube, dass dieser Ansatz genau der richtige ist, um psychische Krankheit und die daraus resultierenden Verhaltensweisen der Betroffenen für Unbeteiligte erklärbar zu machen und Verständnis zu wecken. Ich hoffe jedoch, dass die Alkoholkrankheit in diese Diskussion mit eingebunden wird. Allerdings fürchte ich, dass es Wunschdenken bleibt.

    Ich bin kein Arzt, ich bin Betroffener, und zwar in doppelter Hinsicht: Ich bin Alkoholiker, meine Lebensgefährtin leidet unter einer schweren Depression. Die Ursachen sind ähnlich. Beide befanden wir uns (unabhängig von einander) in belastenden Lebenssituationen, geprägt von Druck, Selbstzweifeln, Versagensängsten. Beide waren wir unglücklich. Sie hatte nicht die Kraft, etwas zu verändern, sondern glaubte, funktionieren zu müssen. Sie biss sich durch, bis der Körper streikte. Burn out, im Gehirn passierte etwas, Neurotransmitter taten nicht mehr das, was sie sollten, das limbische System war nachhaltig gestört.

    Und bei mir? Bei mir geschah etwas ähnliches. Auch ich befand mich in einer zermürbenden Lebenssituation, in einem Stimmungstief. Aber ich kannte ein Mittel dagegen. Alkohol. Das Ergebnis davon war, dass ich mein limbisches System nachhaltig auf Alkohol konditionierte. Meine Neurotransmitter funktionierten nur unter Zugabe von Alkohol, bzw. wurden durch den Alkohol ersetzt. Dieses bekam ich besonders in den Wochen nach dem Entzug zu spüren. Auch bei mir fanden sich in der Zeit depressive Verhaltensweisen.

    Depressionen und Alkoholismus sind psychische Krankheiten. Die Therapien verlaufen ähnlich und verfolgen die selben Ziele. Struktur im Alltag und Lebensfreude durch aktives Tun. Und doch gibt es Unterschiede im Umgang mit den Betroffenen.

    Was mir fehlte, war ein fairer und behutsamer Umgang bei der Aufarbeitung der Krankheit. Ein Satz, der mir sehr zu schaffen machte, war: "Du hast Minderwertigkeitskomplexe. Um die zu kompensieren, hast Du gesoffen! Punkt!" Im Nachhinein war der Satz wenig hilfreich, verschließt er doch die Augen, für ein viel komplexeres Problem. Dieser Satz ist hervorragend zur Stigmatisierung geeignet, nicht aber zum offenen Umgang mit der Thematik. Ein zweiter Satz, der mich empörte: "Alkoholiker müssen Regeln zu akzeptieren lernen, denn sie sind notorische Regelbrecher!" Fast alle, die an einer Therapie teilgenommen haben, kennen diese Auffassung als Therapieprinzip. Mit welchem Recht? Warum diese Vorverurteilung von Leuten, die es besser wissen sollten?

    Die Depression ist in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses geraten. Man beginnt diese Krankheit nicht als Schwäche sondern als außerordentliche Belastung für die Betroffenen und deren Angehörige zu begreifen. Und dennoch bleibt Alkoholismus, trotz der Parallelen ein Tabuthema. Wenn es gelingen würde, ähnlich sensibel mit dem Thema umzugehen, wie mit dem Thema Depression, würde man den abhängig erkrankten das Stigma nehmen. Würde man Abhängigkeit als psychische Erkrankung (deren Verlaufsformen man hier im Forum tausendfach nachlesen kann) im Bewusstsein der Öffentlichkeit etablieren, wäre es für den Betroffenen einfacher, seine Krankheit zu akzeptieren, sich helfen zu lassen, darüber zu reden. Ich denke, das wäre ein toller Ansatz und würde den Betroffenen echt helfen.

    Hi Tina!

    Keine Sorge, alles ganz normal!!! Der körperliche Entzug ist durch!

    Das Suchtgedächtnis ist eine teuflische Sache. Gerade in Situationen, in denen Du früher gern getrunken hast, meldet es sich wieder. Da ist das kleine Teufelchen, was Dir sagt: "Traurig, jetzt sitzt Du ganz allein in Deiner Wohnung und Dir geht's schlecht. Aber ich kenn da ein Mittel und schon geht's Dir besser!" Du musst das Teufelchen erkennen und akzeptieren, dass es da ist. Bekämpfen bringt nichts, das kostet nur Kraft und es kommt immer wieder. Du wirst es nicht los. Akzeptiere einfach seine Existenz. Du musst mit ihm leben und lernen, mit ihm umzugehen.

    Grübeleien sind am Anfang ganz normal. Kopfkino gehört auch dazu. Reflektiere Dich und Du hast die Chance, Dich zu erkennen. Was ist passiert, dass es soweit gekommen ist? Warum habe ich gesoffen? Welche Konsequenzen ziehe ich daraus?

    Wenn Du Dich erkennst, kannst Du Dinge an Dir ändern. Du hast die Chance, zufriedener mit Dir und Deiner Situation ohne Suff zu werden. Das Leben packen, bewusster wahrnehmen. Ich habe noch niemanden kennengelernt, der gesagt hat: "Seit dem ich trocken bin, geht's mir schlechter!" Die, die es gepackt haben, sind in der Regel dankbar dafür. Die meisten bereuen es nicht, trockene Alkoholiker zu sein.

    Es ist okay, wenn Du es Versuch nennst. Denn in diesem Wort steckt eine gewisse Demut drin. Ich habe auch Angst vor dem Alkohol und noch viel mehr vor dem kleinen Teufelchen. Ich weiß, dass der Kampf antrengend ist und bin vorsichtig bei Leuten, die behaupten, man schaffe das mit links. Vor einem Rückfall ist leider niemand gefeit. Die Gefahr eines Rückfalls darf die aber nicht entmutigen, sondern soll Dich vorsichtig machen. Die Aussicht, auf ein zufriedenes trockenes Leben muss Deine Motivation, Deine Antriebsfeder sein, ducrh das Tal der Tränen zu gehen. Es lohnt sich auch für Dich ganz gewiss!!!

    Dass Du Dir die Frage stellst, ob die Alki bist oder nicht, ist relativ normal. Denn das Eingeständnis, ddas man Alki ist, hat Konsequenzen. Man muss Verhaltensweisen ändern. Spannend ist doch, dass Deine Gedanken um dieses Thema kreisen, dass die ein Bedürfnis nach Alkohol verspürst. Der Drang, der da ist, obwohl Du es nicht willst. Suchtgedächtnis eben. Und damit ist schon eine Frage ziemlich eindeutig beantwortet: "Ist es mein erklärter Wille, Weihnachten etwas zu trinken oder läuft da unterbewusst etwas ab, was mich fremdbestimmt? Bin ich Herr über mein Trinkverhalten?"

    Die Gedanken kommen. Meine Therapeutin nannte sie "erlaubnisgebende" Gedanken. Ich habe mich, obwohl bei mir eine Abhängigkeit glasklar diagnostiziert wurde, dabei ertappt, wie ich anfing, meine Sucht in Frage zu stellen. "Was ist Abhängigkeit überhaupt? Was passiert da im Gehirn? Wo ist die Grenze zwischen Missbrauch und Abhängigkeit?" Plötzlich wurde mir klar, dass diese Fragen und die daraus resultierenden Antworten mich auf den Holzweg führen!!! Mein Unterbewusstsein versucht mein Bewusstsein zu manipulieren!

    Mein Rückfall resultierte aus der Annahme, doch kein Alkoholiker zu sein, mit Alkohol doch umgehen zu können. Und obwohl ich es mir bewiesen habe, dass ich es nicht kann, kommen plötzlich diese Gedanken wieder, kommen Zweifel und ich beschäftige mich sogar damit. Auf der einen Seite ägere ich mich, dass ich diese "erlaubnisgebenden" Gedanken nicht schneller entlarvt habe, auf der anderen Seite (und die überwiegt) freue ich ich, dass es mir dennoch gelungen ist, zu begreifen, dass mir das Unterbewusste einen Streich spielt.

    Wie gehe ich damit um? Ich weiß, dass diese Gedanken normal sind. Ich weiß, dass ich vorsichtig sein muss, dass ich ihnen nicht glauben darf. Ich muss sie erkennen und wenn es mir gelingt, als Hirngespinnste abtun. Sie sind Blödsinn und nicht wert, weitergedacht zu werden.

    Ich hoffe, ich konnte ein wenig weiterhelfen. Wenn die wirklich den Vorsatz hast, abstinent zu leben, dass lass Dich von diesen Gedanken nicht kirre machen und halte an Deinem Vorsatz dogmatisch fest.

    LG Torben

    Bei einem Kind läuft es ganz genauso. Du benötigst ein "Gutachten" von einem Arzt, der feststellt, dass Dein Kind therapiebedürftig ist. Ich will Dir nicht zu nahe treten, aber ich kann mir vorstellen, dass das bei Kindern, die in Familien mit Abhängigkeitserkrankungen aufwachsen, begründbar sein müsste. Dann bekommt Dein Sohn eine eigene Therapie, bzw. ihr habt gemeinsame Sitzungen. Wie gesagt, bei meiner Bekannten ist das ganz genauso gelaufen. Motzen hat gesagt, Kind kann nicht als Begleitkind mit, also zum Kinderarzt, der hat Therapiebedürftigkeit diagnostiziert, beim Rentenversicherer beantragt und genehmigt bekommen. Der einzige Nachteil war, dass sie ein halbes Jahr warten musste, um die Therapie antreten zu können, weil die Mutter-Kind-Kuren gut ausgebucht sind.

    LG Torben

    Menschen, die nicht betroffen sind, können eine Abhängigkeit nur sehr schwer verstehen. Und: Bei jedem drückt sich die Abhängigkeit anders aus. Es gibt zwar gewisse Parallelen, aber bei jedem verläuft die Sucht anders. Es ist auch nicht wichtig, es ihr zu erklären, wichtig ist, es für Dich zu klären und ich denke, die Antwort kennst Du bereits.

    Es ist relativ normal, dass das Umfeld die Abhängigkeit nicht wahrhaben will. Die Gründe dafür können vielfältig sein: Schuldzuweisungen, der Angehörige muss sich plötzlich mit Sucht und seinem eigenen Trinkverhalten auseinandersetzen, Klischeedenken, Unwissenheit.

    Ich denke, dass Du selber Dir Sucht noch nicht erklären kannst. Dafür sind Therapien und SHG durchaus sinnvoll, wobei in SHG's Betroffene und keine Therapeuten sitzen. Aber auch Betroffene haben häufig genug Background.

    Lass Dich auch von Aussagen aus Deinem Umfeld nicht verunsichern und pass auf, dass Dir niemand aus Versehen Argumente liefert, die Dich an Deinem Vorhaben, nämlich abstinent zu leben, abbringen könnten.

    Wenn Du nicht abhängig sein solltest und trotzdem aufhörst zu trinken, dann hast Du in Wirklichkeit kaum Einbußen in Deinem Leben. Solltest Du abhängig sein und Du beginnst wieder, sieht es ganz anders aus. Ist es das Risiko wert?

    LG Torben

    Nun, da bin ich wieder! Ein halbes Jahr später, immer noch abstinent. Nach 10 Wochen in der Sozialbetreuung meines Arbeitsgebers, trat ich meine Alkoholentwöhnungsbehandlung an. 12 Wochen, "offener Vollzug", wenngleich stationär. Ob es was gebracht hat, wird sich zeigen. Deshalb sage ich auch nicht von mir, trocken zu sein. Ich bin abstinent.

    Ist dass Haarspalterei? Ich denke nicht! Trocken sein ist für mich mehr, als die Pulle stehen zu lassen. Dazu gehört, Ursachen zu erforschen, ganz tief in sich zu gehen und sich zu fragen: "Warum?" "Was ist schiefgelaufen?" "Bin ich einfach nur in die Sucht gestolpert, hab Pech gehabt, oder hat die Sucht etwas mit mir zu tun?"

    Diese Fragen haben mich im letzten halben Jahr sehr intensiv beschäftigt und ich kam zu dem Ergebnis, dass ich süchtig bin und ich die Ursachen gesetzt habe, die in meiner Persönlichkeit zu suchen sind. Die Frage: "Warum ich gesoffen habe?", konnte ich für mich beantworten. Jetzt heißt es, Konsequenzen daraus zu ziehen, Verhaltensweisen zu ändern. Das beutet für mich "trocken werden"!

    Ich arbeite daran, versuche mich jetzt ohne therapeutische Hilfe selbst zu hinterfragen. Die Werkzeuge habe ich dazu mitbekommen. Ich befinde mich in einem Prozess und weiß nicht, was dabei herauskommt. Lohnen tut es sich auf jeden Fall. Es ist mehr, als nur ohne Kopfschmerzen aufzuwachen oder sich beim Autofahren Sorgen machen zu müssen, ob man noch Restalkohol hat.

    Das Leben mit offenen Augen sehen, Positives annehmen, seine Hände danach ausstrecken, Negatives in den Skat drücken, nicht zulassen, dass es mich in den Grundfesten erschüttert.

    Ich gehe wieder arbeiten, lebe wieder in einer Beziehung. Ich muss mich nicht mehr jeden Tag mit dem Thema Alkohol auseinandersetzen, das mache ich jetzt zweimal die Woche. Ich bin zurück im Leben, fühle mich wohl. Irgendwie ist im letzten halben Jahr viel passiert und ich frage mich manchmal, was mir in den Jahren des Suffs entgangen ist. Aber: Nur weil es so gekommen ist, wie es gekommen ist, habe ich eine tolle Frau gefunden und so hat auch die Not manchmal etwas Gutes. Ich habe einmal zu ihr gesagt: "Da musste ich erst Alkoholiker werden, um dich kennen zu lernen." Von daher kann ich zur Zeit meine Sucht nicht wirklich bereuen. Ich weiß aber auch, dass ich, wenn ich wieder mit dem Saufen anfange, viel kaputt machen kann. Aber noch ist meine Motivation groß, denn ich habe Glück gehabt und das Leben hat mich wieder mit offenen Armen in Empfang genommen.

    Oh, keine Sorge, die Lust am Schreiben habe ich noch nicht verloren. :wink:

    Ich hatte heute beim Sozialdienst eine "Einzeltherapie" zu dritt. Ich und zwei Therapeutinnen. Meine erste Session. Die Grundannahme: "Jeder hat aus einem bestimmten Grund angefangen, zu trinken." Ich dachte: Na dann, viel Spaß beim suchen, denn ich für mich konnte keinen bestimmten Grund ausmachen.

    Auf dem Heimweg hatte ich plötzlich totales Kopfkino. Ich parkte mein Auto vor der Haustür und blieb zwei Stunden darin sitzen. Rauchte eine Zigarette nach der anderen und schwänzte meine Gruppe. Videoschnipsel, Sequenzen aus meinem Leben reihten sich aneinander. Das Thema Alkohol war dabei eher zweitrangig. Fassungslos saß ich davor. Ich konnte keine Zusammenhänge erkennen. Hier ein Schnipsel aus der Jugend, da einer aus der ersten Trockenheitsphase, wieder einer, als ich nass war. Hätte mich jemand in den Arm genommen, ich hätte geheult und ich hätte nicht mal sagen können, weshalb. Es hat keiner getan, zum Glück. Ich überlegte, wann ich denn das letzte Mal geweint hatte (bei halbwegs klarem Verstand). Ich konnte es nicht genau sagen, vermutlich vor 6 Jahren, als meine Mutter mich beim ersten Entzug in die Arme nahm. Und danach? Was ist mit mir passiert?

    Ich spreche weder über Gefühle, noch Probleme. Ich habe eine Mauer um mich herum gebaut, die ich einfach nicht sprengen kann. So sehr ich es will, ich kann es nicht. Viel schlimmer noch: Ich habe sie so hoch gebaut, dass ich nicht mal selbst mehr drüber schauen kann. Ich weiß nicht mehr, was ich fühle. Menschen, die mir "zu nahe" kamen, habe ich von mir gestoßen (wohlgemerkt: Auch oder gerade in der Phase, wo ich trocken war). Zu dieser Erkenntnis bin ich gekommen. Und plötzlich ergaben einige Dinge einen Sinn: Eine tolle Frau sagte mal zu mir, sie wisse überhaupt nicht, woran sie bei mir sei. Kunststück, wenn ich meine Gefühle nicht zeige, mir darüber selbst nicht mal im Klaren bin. Habe ich mich mal damit auseinandergesetzt? NEIN!!! Mir ging's doch gut, jedenfalls habe ich mir das solange eingeredet, bis ich es selber glaubte. Ich bin dadurch einfach nur unverbindlich geworden. Kein Wunder, dass ich laufend Beziehungen versenke, kein Wunder, dass sich niemand mehr an meinen Geburtstag erinnert. Ich habe mich nicht in die Isolation gesoffen, ich hatte mich schon vorher isoliert. Der Suff war nur der endgültige Schritt.

    Der größte Sprung ist der, über seinen eigenen Schatten. Ich kann es nicht, noch nicht. Ich will niemanden zu dicht an mich heranlassen, aus Angst, enttäuscht zu werden. Ich kann mir eigene Schwächen nicht eingestehen, getreu dem Motto: Ein Indianer weint nicht! Zum Alkoholismus kann ich stehen, ist ja halt 'ne Krankheit, kann ich ja nix für. Hinter diesem Krankheitsbegriff kann ich mich toll verstecken. Und hey, ich will ja sogar 'ne Therapie machen, also vorwerfen kann man mir diesbezüglich nichts. Und bevor jemand schreibt, dass das doch ein toller erster Schritt sei: Ich habe mich bis heute dahinter versteckt. Ich glaube, ich wollte diese Schritte konsequent gehen, um mir nichts vorwerfen lassen zu müssen. Ich hatte ja keine Ahnung, dass Therapien hart sein können. Voller Scham denke ich daran, dass ich sogar versucht habe, die Therapeuten mit meinem Gemauere zu verarschen. Bis sie mich durchschauten, drohten die Sitzung abzubrechen, mich ins Kreuzfeuer nahmen und ich keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Sie haben ihren Job gut gemacht!!! Dies anzuerkennen, könnte der erste Schritt für eine zögerliche Vertrauensbasis sein. Heute habe ich erkannt, dass es mir beschissen geht und dass ich verdammte Hilfe brauche!!! Ich bin kein Held, ala John Wayne, auch wenn ich’s gern der ganzen Welt vorgaukeln möchte.

    Was das ganze mit Alkohol zu tun hat, erschließt sich mir noch nicht ganz. Ich habe aber eine vorläufige Antwort auf die Frage, weshalb ich mich nicht früher geoutet habe. So sieht jedenfalls meine erste vorläufige Diagnose aus.

    Okay, soviel erstmal dazu. In der Therapiesitzung wurde mir geraten, morgen in der Gruppe einfach mal zu versuchen, darüber zu reden, da ich mich bisher bei den Gruppengesprächen vornehm zurückgehalten habe. Mir ging’s ja gut, ich hatte keine weiteren Probleme. Die andern sehr wohl, also ließ ich sie reden. Ich bin am überlegen, diesen Text einfach auszudrucken, die wichtigsten Stellen zu markieren und vorzulesen. Der Text beschreibt meine Situation sehr gut, ist hübsch strukturiert und ich kann mich wenigstens hinter einem Zettel verstecken. Es ist schon krass, dass ich ohne Probleme, frei vor hundert Leuten zu einem bestimmten Thema referieren kann, aber es nicht schaffe, vor zwei Therapeuten, geschweige denn vor einer Gruppe von zehn Mann, über mich zu reden.
    Und somit habe ich nicht nur gegen eine Krankheit, sondern auch noch mit einem viel diffuserem Problem zu kämpfen.

    Bis denne

    PS: Meine Cowboystiefel behalte ich trotzdem an! :wink:

    Einen wunderschönen guten Abend!

    Die erste Woche in meiner Therapiegruppe ist vorbei. Ob sie mir was gebracht hat, weiß ich noch nicht. Es finden täglich angeleitete Gruppentherapien statt. Da sich die Gruppe allerdings nicht nur aus Alkoholikern zusammensetzt, sondern dort auch Menschen vertreten sind, die ganz anders gelagerte Probleme haben, geht es natürlich nicht immer um Alkohol. Mir fällt es schwer, mich in jemanden hineinzuversetzen, der unter einem Burnout-Syndrom leidet und ihm geht es genauso. Die Folge: Man muss mehr erklären, bleibt dadurch sachlicher und geht nicht wirklich in die emotionalen Tiefen. Ich habe schon für mich festgestellt, dass ich mich mit diesen Erklärungen auf der Sachebene selber vor emotionaler Tiefe schützen kann. Ich werde dort nicht wirklich gezwungen, mich mit mir auseinanderzusetzen. Das ist in meinen SHG's doch anders. Dort wird nachgebohrt, da komme ich nicht so einfach davon. Zudem hatte ich die Woche noch nicht einmal ein Gespräch mit meiner mich betreuenden Therapeutin. Das soll nächste Woche stattfinden. Vielleicht vermittle ich derzeit den Eindruck, recht stabil zu sein, so dass man sich nicht so wahnsinnig um mich kümmern muss. Aber es ist halt die besagte Käseglocke und ich bin die Woche "trocken" geblieben. Dennoch habe ich Angst vor dem Wochenende...

    Ich habe mir in dieser Woche zwei Denksportaufgaben gestellt. Ich habe mir am Mittwoch einen Vortrag über Rückfälle "aus heiterem Himmel" angehört. Ich hatte, wie gesagt, vor drei Jahren einen Rückfall und habe mich in diesen Ausführungen nicht wieder gefunden. Warum nicht? Mache ich mir schon wieder etwas vor? Hatte ich damals doch persönliche Probleme, die ich nicht kompensieren konnte? Wollte ich damals in Wirklichkeit gar nicht aufhören? Ich habe schließlich immer behauptet, das erste Glas Sekt aus Unwissenheit, wahlweise Überheblichkeit, angerührt zu haben. Deshalb hoffe ich auf das Gespräch mit meiner Therapeutin; vielleicht kann sie mir dabei helfen, die Nuss zu knacken.

    Das zweite Problem, welches mich beschäftigt, ist die Schuld-Frage. Obwohl man mir im Krankenhaus immer wieder einredete, ich hätte keine Schuld an dieser SCH***-Krankheit, kann ich es noch nicht so recht glauben. Wie gesagt, alle loben mich ja dafür, dass ich mich geoutet habe und Hilfe gesucht und in Anspruch genommen habe. Aber: Hätte ich das nicht viel früher machen müssen? Hätte ich nicht viel früher erkennen müssen, dass ich Hilfe brauche? Konnte ich es überhaupt erkennen oder habe ich es erkannt und mir selbst was vorgemacht... Ich musste mir in letzter Zeit häufiger den Vorwurf gefallen lassen, dass Menschen, die mir nahe stehen, mir nicht mehr vertrauen könnten, da ich nicht schon früher etwas erzählt hatte. Sind die Vorwürfe berechtigt? Ich habe einfach das Gefühl, Schuld anderen gegenüber auf mich geladen zu haben. Und wenn ich schon keine Schuld daran haben sollte, dann trage ich dennoch die Verantwortung, für meinen späten Hilferuf. Ich habe einfach anderen nicht vertraut, bis ich soweit unten war, dass ich mir nicht mehr selbst helfen konnte. Irgendwie ist es dann ganz besonders einfach "Hilfe!" zu rufen...

    Klar, ich weiß, dass mich diese Fragen im Moment überhaupt nicht weiter bringen, aber sie sind da, geistern durch meinen Kopf. Vielleicht werde ich sie mir auch zu gegebener Zeit beantworten können. Ich hoffe es zumindest...

    Vaan, Du hattest Recht. Ich komme morgens tatsächlich besser aus dem Bett und es ist ein gutes Gefühl, nicht überlegen zu müssen, ob man noch Restalkohol hat. :D Aber auf das Fernsehprogramm kann ich mich immer noch nicht konzentrieren. Dafür hatte ich seit langer, langer Zeit mal wieder meine Gitarre in der Hand und siehe da, ich habe nichts verlernt. :D

    Ich wünsche Euch ein schönes Wochenende!

    Bis denne

    PS: Ist dann doch wieder etwas mehr geworden :wink:

    Einen wunderschönen guten Abend! Zunächst möchte ich mich natürlich für die Glückwünsche und Aufmunterungen ganz herzlich bedanken. Das hilft und es tut einfach nur gut, einfach drauf loszuschreiben und ohne große Erklärungen verstanden zu werden. :D

    Ich werde weiter berichten!

    Liebe Grüße und bis denne

    Man soll die Feste feiern, wie sie kommen; man kann es aber auch lassen. Ich bin heute Dreißig geworden, ein optimaler Zeitpunkt, um neu anzufangen, um nicht zu sagen, erwachsen zu werden. Keine Feier, gemütliches Beisammensein bei meinen Eltern, Abendessen. Kein Stress, und vielleicht ist das auch der Grund, warum es mir am heutigen Tag an nichts fehlte. Und plötzlich wurde mir bewusst, wie sehr ich mich isoliert hatte. Eine SMS von meiner Ex-Freundin, ein Anruf von meinem ehemaligen Chef. Das war's. Bis jetzt. Ich bin da auch nicht böse drüber.

    Seit Montag bin ich in Betreuung beim Sozialdienst meines Arbeitgebers. Es hat sich dort eine kleine Gruppe, mit den unterschiedlichsten Problemen zusammengefunden, die gemeinsam den Tag verbringen. Beschäftigungstherapien, wie Kochen, Basteln, Gartenarbeit; alles Dinge die mir schon immer sehr viel Freude bereitet haben. :wink: Aber bitte, wenn's hilft, soll's mir recht sein. Immerhin unterstützen sie mich beim Beantragen und Aussuchen der LZT. Außerdem steht dreimal in der Woche Sport auf dem Programm, wobei ich heute etwas über das Lauftraining erschrocken war. Es war ein flotterer Waldspaziergang und ich stellte mir ernsthaft die Frage, weshalb ich mir überhaupt Sportzeug angezogen habe. Dafür ist dann morgen Rückenschule und am Freitag Schwimmen, wobei ich rückblickend auf die Lauferei am heutigen Tage schon die Befürchtung habe, dass das eher 'ne bessere Plansch-Übung wird. :wink: Die Gruppe ist echt okay, es werden nicht nur Probleme gewälzt, ich habe meine große Klappe wieder gefunden, wir haben uns köstlich amüsiert und hey, ich bin erstmal wieder unter einer Käseglocke, werde dort beschäftigt, bis die LZT startet. Somit komme ich erst gar nicht auf dumme Gedanken. :wink:

    Ich besuche nebenbei natürlich noch meine richtigen SHG's, obwohl das ein wenig in Stress ausartet. Gegen 17:00 Uhr nach Hause kommen, Einkaufen rennen und dann sofort wieder zur SHG. Ich bin todmüde, wenn ich nach 20:00 Uhr nach Hause komme, so mit Verlaub auch abgesättigt vom Thema Alkohol, so dass sich mein Kopfkino Abends etwas in Grenzen hält. Ich habe so das Gefühl, dass ich mich damit abgefunden habe, alkoholkrank zu sein. Es ist 'ne Tatsache, über die es nicht lohnt, weiter nachzugrübeln. Nur ich mich was für mich aus dieser Erkenntnis machen und denke, dass der Weg erstmal der richtige ist. Alles andere wird sich zeigen und vielleicht denke ich morgen schon wieder ganz anders. :wink:

    Bis denne

    PS: Ich bin früher in der Tat gerne Laufen gegangen und der Waldspaziergang hat mir gezeigt, dass mich das angebotene Sportprogramm eher nicht befriedigen wird. Wenn ich wieder ewtas mehr Zeit habe, werde ich die Lauferei auf jeden Fall wieder in Angriff nehmen :D

    "Wenn Du die Entgiftung hinter Dir hast, ist jeden Tag Sonnenschein!", sagte ein Mitpatient in der Klinik zu mir. Weder das Wetter noch meine eigene Verfassung, scheinen diese Aussage bewahrheiten zu wollen. Als ich in der Klinik war, herrlichster Sonnenschein und jetzt? Alles grau in grau. Wie bezeichnend...

    Da ich fast ausschließlich zu Hause für mich allein gesoffen habe, assoziiert mein Gehirn jede Tätigkeit (mit Ausnahme Abwaschen), die ich hier ausübe, mit Alkohol. Egal ob ich fernsehe oder am PC hänge. Leuten, die in Kneipen gesoffen haben, rät man, ihr Umfeld zu wechseln. Und ich? Rausgehen! Aber wohin?

    Ich bin gestern in aller Frühe nach Polen gefahren, um Zigaretten zu holen. Suchtverlagerung eben. Ich habe das Gefühl, ich fresse die Dinger zur Zeit. Nachmittags war ich wieder zurück. Fußball gucken. Denkste! Kopfkino; volles Rohr. Frag mich nach den Bundesligaergebnissen, ich werde die wenigsten nennen können. Ich spielte massiv mit dem Gedanken, ins Krankenhaus zurückzukehren, schließlich hatte mir meine behandelnde Ärztin diese Option offen gehalten. Aber ich kann doch nicht jedes Mal vor dem Saufdruck in die Klinik flüchten, kann doch dort kein Bett mieten. Ich muss lernen, mit dem Druck zu leben, in der Hoffnung, dass er irgendwann nicht mehr allgegenwärtig ist. Jemanden anrufen? Ich hatte keine Lust, zu versuchen, das Unerklärliche zu erklären. Wie soll ich auch jemandem Saufdruck erklären, der nicht mal weiß, was Alkoholkrankheit ist. Ich bin mir ja nicht mal sicher, ob ich genau weiß, was mit mir passiert. Kleine Schritte machen. Trinkpause bis zum Abend verlängern. Dann werde ich eh müde, lese noch ein wenig und gehe dann schlafen. Der nächste Tag wird vielleicht nicht gar so schwer.

    Hat geklappt. Ich bin heute recht früh aufgestanden, habe mir Brötchen geholt und schön gefrühstückt. Ich konnte mich auch wieder auf den PC konzentrieren. Nicht der übliche Sonntagsblues. Zum Glück! Aber ich musste ja auch ausnahmsweise mal nicht den Sonntag zum Ausnüchtern nutzen. Also auch keine "Nach-Suff-Depressionen". Und hey, das Radioprogramm ist am Sonntag gar nicht so schlecht. Ich war so davon gefesselt, dass der Fernseher den ganzen Tag ausblieb. Und so hatte das Fernsehverbot in der Klinik durchaus einen Sinn. Es geht auch ohne!!! Zumindest tagsüber.

    Und so habe ich wieder ein kleines Ziel erreicht. Den Tag überstanden. Der Abend sollte nicht das ganz große Problem werden. Ich werde gleich in die Badewanne springen, mein Buch lesen, das Radio dudeln lassen.

    Ich habe irgendwo gelesen: "Schreiben hilft!" Es stimmt. Ich habe früher sehr gerne Geschichten geschrieben. Es ist schon komisch, jetzt seine eigene aufzuschreiben.

    Aber ich möchte nicht vergessen, mich für Euren Zuspruch zu bedanken. Es ist schön, das Gefühl zu haben, verstanden zu werden. Keine Vorwürfe, keine versteckten Schuldzuweisungen. Danke!!!

    Guten Abend!

    Es ist zwar nicht meine Art, mich selbst zu zitieren, aber so stellte ich mich im Vorstellungsbereich vor:

    "Alle Welt lobt mich; Angehörige, Freunde, der Sozialdienst des Arbeitgebers. Ich habe das Gefühl, dass ich der Einzige bin, der nicht stolz darauf ist, in einer Entzugsklinik gelandet zu sein. Ich hatte Glück! Ich hatte das einfache Glück, erkannt zu haben, dass ich meinen Alkoholkonsum in keiner Weise unter Kontrolle hatte. Immerhin ist es mir ja gelungen, mich jahrelang selbst zu belügen.

    Ich habe schon in jungen Jahren festgestellt, dass ich mehr vertrug als alle anderen. Allerdings konnte ich mich schon bald nicht mehr auf Partys volllaufen lassen; es fiel langsam auf. Auch selbst auferlegte Regeln halfen nicht. Ab einer gewissen Promillezahl konnte ich einfach nicht mehr aufhören. Filmrisse waren an der Tagesordnung. Ich soff mich in die Isolation, habe keine Partys mehr besucht, sondern für mich allein getrunken. Allmählich immer mehr und täglich. Meine Krankentage häuften sich. Bis meine Eltern plötzlich in meiner Wohnung standen. Niemand sieht seine Mutter gerne weinen und ich beschloss aufzuhören. Uninformiert, natürlich. Ich habe kalt entzogen, ohne zu wissen, dass die Hölle, die ich da durchmachte, körperlicher Entzug war. Nach einer Woche war das durch gestanden, ich konnte wieder normal schlafen. Ich wurde trocken, schließlich hatte ich es allen versprochen. Es war eine schöne Zeit!!!

    Zweieinhalb Jahre später das berühmte erste Glas Sekt zum Geburtstag. Nicht, das ich daraufhin sofort Saufdruck verspürte oder Entzugserscheinungen zeigte. Nein, ich glaubte jetzt, ich hätte den Alkohol im Griff. Und tatsächlich sollte es drei Monate dauern, bis ich das nächste mal trank. Kein Glas Sekt. Eine Flasche Wein. Genau genommen war es eine halbe Flasche, da ich einfach einschlief. Den Rest habe ich weggekippt. Kein Saufdruck, kein Entzug. Allerdings häufte sich der Alkoholkonsum allmählich. Wieder für mich allein, ich wollte schließlich nicht, dass sich jemand um mich sorgte. Ich besuchte Partys, trank dort nichts, hielt auf dem Rückweg an der Tankstelle an und kaufte genug Alkohol, um mich abschießen zu können. Ein schleichender Prozess, der sich circa zwei Jahre hinzog. Plötzlich war ich wieder voll dabei. Abstürze, die sich über eine Woche hinziehen konnten. Saufen, Fernsehen, Schlafen, Saufen usw. Aber hey, ich konnte doch jederzeit aufhören, schließlich war ich nie besoffen auf Arbeit. Damit war klar, ich hatte alles unter Kontrolle.

    Gar nichts hatte ich unter Kontrolle. Der letzte Absturz zog sich über eine ganze Woche hin. Drei komplette Tage sind aus meinem Gedächtnis verschwunden. Ich wachte in der Nacht von Freitag zu Samstag neben meiner Couch auf dem Boden liegend auf. Um mich herum viele Flaschen, auch harte Sachen. Die Herkunft konnte ich mir nicht erklären. Mir wurde schlagartig bewusst, dass ich Hilfe brauche, dass ich allein nicht aus dem Teufelskreis herauskomme. Ich bin kreuz und quer durch Berlin gefahren, in der Hoffnung, dass mich irgendein Krankenhaus aufnimmt. Samstagabend hatte ich Glück, ich wurde aufgenommen. Für 13 Tage. Die letzten Tage meines Klinikaufenthalts nutzte ich, um SHG's kennen zu lernen.

    Heute ist mein erster Tag außerhalb der Klinik. Ich war beim Sozialdienst meines Arbeitgebers. Dort wurde mir zugesagt, dass sie sich mit mir zusammen um eine LZT kümmern würden. Ich werde vorläufig nicht zu meinem Arbeitsplatz zurückkehren. Ich bin jetzt formell bis zum Beginn der LZT beim Sozialdienst beschäftigt. Dort werde ich jeden Werktag in der Zeit von 07:00 bis 16:00 Uhr betreut.

    Wenn ich mir alles recht vergegenwärtige: Ich hatte und habe Glück gehabt. Der Anfang ist gemacht! Zum Glück!"