Guten Abend!
Es ist zwar nicht meine Art, mich selbst zu zitieren, aber so stellte ich mich im Vorstellungsbereich vor:
"Alle Welt lobt mich; Angehörige, Freunde, der Sozialdienst des Arbeitgebers. Ich habe das Gefühl, dass ich der Einzige bin, der nicht stolz darauf ist, in einer Entzugsklinik gelandet zu sein. Ich hatte Glück! Ich hatte das einfache Glück, erkannt zu haben, dass ich meinen Alkoholkonsum in keiner Weise unter Kontrolle hatte. Immerhin ist es mir ja gelungen, mich jahrelang selbst zu belügen.
Ich habe schon in jungen Jahren festgestellt, dass ich mehr vertrug als alle anderen. Allerdings konnte ich mich schon bald nicht mehr auf Partys volllaufen lassen; es fiel langsam auf. Auch selbst auferlegte Regeln halfen nicht. Ab einer gewissen Promillezahl konnte ich einfach nicht mehr aufhören. Filmrisse waren an der Tagesordnung. Ich soff mich in die Isolation, habe keine Partys mehr besucht, sondern für mich allein getrunken. Allmählich immer mehr und täglich. Meine Krankentage häuften sich. Bis meine Eltern plötzlich in meiner Wohnung standen. Niemand sieht seine Mutter gerne weinen und ich beschloss aufzuhören. Uninformiert, natürlich. Ich habe kalt entzogen, ohne zu wissen, dass die Hölle, die ich da durchmachte, körperlicher Entzug war. Nach einer Woche war das durch gestanden, ich konnte wieder normal schlafen. Ich wurde trocken, schließlich hatte ich es allen versprochen. Es war eine schöne Zeit!!!
Zweieinhalb Jahre später das berühmte erste Glas Sekt zum Geburtstag. Nicht, das ich daraufhin sofort Saufdruck verspürte oder Entzugserscheinungen zeigte. Nein, ich glaubte jetzt, ich hätte den Alkohol im Griff. Und tatsächlich sollte es drei Monate dauern, bis ich das nächste mal trank. Kein Glas Sekt. Eine Flasche Wein. Genau genommen war es eine halbe Flasche, da ich einfach einschlief. Den Rest habe ich weggekippt. Kein Saufdruck, kein Entzug. Allerdings häufte sich der Alkoholkonsum allmählich. Wieder für mich allein, ich wollte schließlich nicht, dass sich jemand um mich sorgte. Ich besuchte Partys, trank dort nichts, hielt auf dem Rückweg an der Tankstelle an und kaufte genug Alkohol, um mich abschießen zu können. Ein schleichender Prozess, der sich circa zwei Jahre hinzog. Plötzlich war ich wieder voll dabei. Abstürze, die sich über eine Woche hinziehen konnten. Saufen, Fernsehen, Schlafen, Saufen usw. Aber hey, ich konnte doch jederzeit aufhören, schließlich war ich nie besoffen auf Arbeit. Damit war klar, ich hatte alles unter Kontrolle.
Gar nichts hatte ich unter Kontrolle. Der letzte Absturz zog sich über eine ganze Woche hin. Drei komplette Tage sind aus meinem Gedächtnis verschwunden. Ich wachte in der Nacht von Freitag zu Samstag neben meiner Couch auf dem Boden liegend auf. Um mich herum viele Flaschen, auch harte Sachen. Die Herkunft konnte ich mir nicht erklären. Mir wurde schlagartig bewusst, dass ich Hilfe brauche, dass ich allein nicht aus dem Teufelskreis herauskomme. Ich bin kreuz und quer durch Berlin gefahren, in der Hoffnung, dass mich irgendein Krankenhaus aufnimmt. Samstagabend hatte ich Glück, ich wurde aufgenommen. Für 13 Tage. Die letzten Tage meines Klinikaufenthalts nutzte ich, um SHG's kennen zu lernen.
Heute ist mein erster Tag außerhalb der Klinik. Ich war beim Sozialdienst meines Arbeitgebers. Dort wurde mir zugesagt, dass sie sich mit mir zusammen um eine LZT kümmern würden. Ich werde vorläufig nicht zu meinem Arbeitsplatz zurückkehren. Ich bin jetzt formell bis zum Beginn der LZT beim Sozialdienst beschäftigt. Dort werde ich jeden Werktag in der Zeit von 07:00 bis 16:00 Uhr betreut.
Wenn ich mir alles recht vergegenwärtige: Ich hatte und habe Glück gehabt. Der Anfang ist gemacht! Zum Glück!"