Liebe Maggy,
ich kann Dich so unglaublich gut verstehen.
Deine Ängste, die Verzweiflung, das alles habe ich mit meinem Ex auch durchmachen müssen.
Ich habe Dir eine Menge zu erzählen. so viel, dass ich befürchte, gar nicht alles in ein Posting zu bekommen.
Vielleicht schreibe ich auch ein bißchen durcheinander. Ich hoffe, das stört Dich nicht.
Ich fasse mal kurz zusammen, wie es bei mir damals war:
Ich habe diesen Mann kennengelernt in einer psychiatrischen Tagesklinik. Ich war dort wegen einer Depression, er wegen Panikattacken. Es war keine Liebe auf den ersten Blick, sondern kam eher schleichend, dann aber mit allergrößter Wucht.
Ich war der glücklichste Mensch der Welt! So unglaublich verliebt wie noch nie. Und ihm schien es ebenso zu gehen.
Schon am tag unseres Kennenlernens habe ich herausgehört, dass er ein Alkoholproblem hatte. Aber das Ausmaß des Ganzen war mir nicht bewusst, weil er zu der Zeit gerade eine Trinpause eingelegt hatte.
Nach 2 Monaten bin ich bei ihm eingezogen. Der größte Fehler meines Lebens, wie sich schon 1 Woche später herausstellte. Zwei Tage nach meinem Einzug habe ich das allererste Gespräch über Alkohol mit ihm geführt.
Damals habe ich ihm gesagt: Wenn Du jeden Tag säufst, bin ich wieder weg.
Er hat mir versichert, dass es niemals dazu kommen werde. Vielleicht hat er es damals selbst geglaubt.
1,5 Jahre habe ich bei ihm gewohnt. Was dann geschah in Stichworten:
Jedes Wochenende Totalabstürze mit anschließender Reue, 1000 Diskussionen über Alkoholismus, 1000 mal das Versprechen, JETZT wäre aber Schluss mit der Sauferei, 1000 mal der Versuch, "kontrolliert" zu trinken, was dann doch wieder in einem Absturz endete.
Von meinem Standpunkt aus die immerwährende Angst vor dem nächsten Absturz (zumal diese immer öfter auch mit körperlicher Gewalt mir gegenüber endeten), vor seiner Untreue (nach dem 1. offiziellen Mal bin ich dann ausgezogen, konnte die Beziehung aber noch nicht endgültig beenden), vor dem finanziellen Ruin.
Ich war immer in dem Irrglauben, ihm helfen zu können und zu müssen. Er war doch der tollste Mann der Welt! Aber nur wenn er nüchtern war, was immer seltener der Fall war.
Ich habe mich im Kreis gedreht, bis ich ihn an meinem Geburtstag das zweite Jahr in Folge morgens völlig besoffen vorgefunden habe, ohne Geschenk, ohne auch nur seine Bude ein wenig aufgeräumt zu haben, kein liebes Wort für mich, aber eine Pulle Bier in der Hand.
Das war für mich der Wendepunkt. Mir wurde klar, dass dort für mich nichts mehr zu holen war. Ich war einer Illusion hinterhergerannt, hatte meine eigenen Prinzipien verraten, was eigentlich gar nicht meine Art ist und hatte mich komplett zum Affen gemacht in meinem Wunsch, ihm zu beweisen, dass es sich für mich und unsere Beziehung lohnt, das Saufen aufzugeben. Das alles übrigens auch mit Unterstützung dieses Forums, wie Du in meinem Thread nachlesen kannst.
Dort kannst Du auch nachlesen, wie lange ich gebraucht habe, um meinen Ex tatsächlich von meinem Leben auszuschließen, und wie furchtbar schwer es mir fiel, keinen Kontakt mehr zu ihm zu haben.
Es war hart. Wie ein Entzug, denn so fühlte es sich wirklich an. Aber es hat funktioniert.
Heute lebe ich in Freiheit und kann gar nicht glauben, dass ich jemals anders leben konnte.
Ich habe eine neue Beziehung, in der ich nicht das Gefühl habe, mehr zu geben als mein Partner.
Eine Liebe ohne Angst und Schmerz, in der ich nicht mehr den Drang habe, meinen Partner ändern zu wollen oder zu beweisen, dass ich seine Liebe verdient habe.
Ich muss mir nichts verdienen, weil er mich so liebt, wie ich bin.
Beruflich geht es bergauf. Ich habe wieder ein Hobby und baue mir mein eigenes Leben auf, für das ich mich vor niemandem mehr rechtfertigen muss, und das ich genieße.
Ich glaube, ich war noch nie glücklicher.
Du siehst also: Es gibt einen Weg aus dieser Situation.
Ich muss Dir aber leider sagen, dass Du diesen Weg mit allergrößter Wahrscheinlichkeit nicht mit Deinem jetzigen "Partner" gehen wirst.
Alkoholismus ist eine unheilbare Krankheit, und nur sehr wenige, die daran erkranken, schaffen es, die Krankheit langfristig zu stoppen.
Wenn Du Dich hier ein bißchen umgesehen hast, wirst du sehen, dass nur ein Bruchteil der Cos mit einem trockenen Alkoholiker lebt.
Ich weiß, es klingt sehr hart, aber nach allem, was ich und andere hier erlebt haben, wird die Geschichte für Euch zusammen wahrscheinlich nicht gut ausgehen.
Aber Du, liebe Maggy, hast die Chance, dennoch glücklich zu sein, in dem Du endlich anfängst, Dich um Dich selbst zu kümmern.
Denn ganz ehrlich:
Depressionen, alkoholkranke Mutter, Arbeitslosigkeit...
Du hast selbst genug Probleme, oder?
Da brauchst Du nicht auch noch einen sogenannten Partner, der Dir das Leben unnötig schwer macht, stimmts?
Liebe Maggy,
ich drücke dir von ganzem Herzen die Daumen, dass Dein Vorstellungsgespräch erfolgreich verläuft.
Arbeitslosigkeit ist oft der Einstieg in die Depression. Ich kenne das so ähnlich vom Studium. In der vorlesungsfreien Zeit hatte ich viel zu viel Zeit zum Grübeln, und das tat mir nicht gut.
Ich denke, Du solltest Deine ganze Energie fürs erste auf die Jobsuche richten, denn das ist mal was wirklich Produktives, weil Arbeit nicht nur ablenkt, sondern auch Geld bringt, was Dich widerum unabhängiger macht. Ausserdem lernst Du so auch wieder neue Leute kennen und hast eine Aufgabe.
Liebe Maggy,
alles Gute von einer, der es mal genauso ging wie Dir.