So, nachdem ich 2 Jahre lang offensichtlich so ziemlich alles falsch gemacht habe was man nur falsch machen kann - natürlich aus den allerbesten Motiven heraus - bin ich nun am Ende meiner Weisheit.
Was ich zum besseren Verständnis vorausschicken muß:
daß wir nicht ständig zusammen wohnen, jeder von uns hat noch seine eigene Wohnung. Er hat so gut wie niemanden, keine eigenen Freunde, seine Eltern sind kaum erreichbar, seine Tochter kommt kaum noch zu ihm, weil sie ihn schon öfter "abstürzen" sah. Wenn er bei mir ist war er bis jetzt immer nüchtern und vollkommen "normal", das sind (waren) die Zeiten der Hoffnung (und leider auch der Verdrängung).
Meine Familie und mein Freundeskreis weiß, daß er ein Alkoholproblem hatte (vor drei Jahren war er auf Entzug), aber sie wissen nicht, daß er es immer noch hat. Jeder mag ihn, jeder akzeptiert ihn. Wenn er bei Zusammentreffen dabei ist, ist er voll integriert und beliebt, es gibt keinerlei Probleme.
Naja, schon aus dieser Einleitung heraus könnt ihr sehen, daß die Palette meiner Fehler seeeehr klassisch sind (waren). Sie umfaßte auch noch unter anderem:
Zu ihm fahren, wenn es möglich ist,
Helfen (zu mir holen, wenn er im Öl ist, damit er nicht noch mehr trinkt),
reden, trösten, drohen (Drohungen werden natürlich nicht oder nur sehr abgeschwächt wahrgemacht),
Seine Alkoholvorräte vor seinen Augen wegschütten (natürlich im Bewußtsein, daß er sich jederzeit neue beschaffen kann),
Freunde und Familie belügen (wenn er einfach nicht kommt und ich nach einem Kontrollanruf bestätigt finde, was ich befürchte, falls er überhaupt ans Telefon/Handy geht),
die zwei, drei Wochen zwischen den einzelnen Abstürzen ganz normal leben und so tun als ob nichts wäre.
Einfach froh sein, daß es wieder einmal vorbei ist und er wieder vernünftig und ganz der Alte ist, mit dem man Pläne für den Urlaub schmieden kann und Besuche und Unternehmungen mit Freunden ausmachen kann (von denen dann ca. 50 Prozent in die Hosen gehen, weil mein Freund wieder "abstürzt").
Zu seiner "Verteidigung" muß ich sagen, daß er wiederholt versucht hat, NICHT mit mir mitzukommen, wenn ich ihn zu mir holen wollte, er meinte dann immer, ich solle ihn in Ruhe lassen, er würde sich später melden. Meist konnte ich ihn überreden, doch mit mir zu kommen, es ging ihm dann zwar auch meist besser, aber mittlerweile weiß ich, daß es trotzdem nicht der richtige Weg war.
Nun ist es so, daß sich sein Zustand trotz (ich sollte wohl eher sagen "wegen") meiner Bemühungen seit einigen Monaten dahingehend verschlimmert hat, daß er nun bereits so ungefähr alle 1-2 Wochen für einige Tage abstürzt.
Aus meiner Sturheit ("ich MUSS ihm doch helfen!") bin ich erst jetzt erwacht. Vor einigen Tagen kam er betrunken zu mir, als auch meine Tochter da war. Das war noch nie der Fall! Ich muß sagen, er ist nie agressiv und/oder bösartig in betrunkenem Zustand, aber natürlich brauch ich nicht darüber zu diskutieren, daß es auch so ein unzumutbarer Zustand ist.
Rauswerfen konnte ich ihn schlecht, weil ich nicht wußte, ob er zu sich nach Hause findet, ob er nicht doch anfangen würde zu randalieren (wenn auch nur mit lauten unartikulierten Worten), ob er die Gegensprechanlage malträtieren würde. Zuerst sagte ich, auch wenn es ihm so egal ist, daß meine Tochter ihn so sieht, mir wäre es nicht egal und er solle verschwinden. Er tat so als würde er aufbrechen, saß dann aber regungslos mit hängendem Kopf im Schlafzimmer auf dem Bett . Ich hätte ihn zu diesem Zeitpunkt schon am liebsten nicht mehr gesehen, aber schon allein rein körperlich wäre ich nicht in der Lage gewesen, ihn aus der Wohnung zu schmeißen. So behielt ich ihn hier, er schlief dann gottseidank bis morgens im Schlafzimmer.
Am nächsten Morgen hielt ich ihm eine Standpauke (wieder einmal), er war nüchtern, fuhr nach Hause und blieb für den Rest des Tages auch nüchtern, denn ich machte natürlich (wieder einmal) den Fehler ihn anzurufen, wie es ihm ginge. Denn natürlich tut er mir dann leid, wenn er wieder nüchtern ist und natürlich liebe ich ihn trotzdem. Anhand der 2 oder 3 Telefonate, die wir an diesem Tag führten (er rief dann von selbst wieder an) merkte ich daß er nichts mehr getrunken hatte.
Er hat auch seinen Chef angerufen, mit ihm gesprochen, eine Therapie ist unumgänglich. Gestern fuhr ich bei ihm vorbei, er hatte sich 2 Tage "Auszeit" genommen, auch um nach Therapiemöglichkeiten zu suchen. Er will nicht, daß ich ihm dabei helfe, das habe ich auch akzeptiert (endlich!) allerdings möchte er, dass ich ihn hin und wieder anrufe. Ich bin nur zu ihm gefahren, weil ich es fairer fand, ihm persönlich zu sagen, daß ich mich zurückziehe und er sich erst wieder melden braucht, wenn er eine ernsthaft Therapie macht. Das wollte ich nicht am Telefon tun. Ich bin dann zwar traurig, aber trotzdem alleine heimgefahren.
Mir ist klar, daß eine große Wahrscheinlichkeit besteht, daß er jetzt allein zu Haus wahrscheinlich weitertrinkt, und sich erst in den nächsten Tagen - wenn überhaupt - um eine Therapie kümmern wird. Ob er wieder arbeiten geht mit Anfang nächster Woche ist auch fraglich.
Ich habe ihm beim Abschied gesagt, daß jede Therapie nur dann einen Sinn hat, wenn er es wirklich will, ich kann ihn nicht dazu zwingen (obwohl ich es gerne täte!). Er meinte auch von sich aus, daß er in nächster Zeit nicht zu mir kommen möchte, aber ich solle ihn doch bitte hin und wieder anrufen.
Soll ich das tun? Mich zurückziehen, mein eigenes Leben weiterführen aber ihn trotzdem hin und wieder anrufen? Hat das einen Sinn? (Ich meine, das mit dem Anrufen.)
Ratlos,
simasu