Beiträge von Motek

    Hallo,

    ich war lange nicht da und will mich mal wieder melden. Nach dem letzten Post hatte ich gut ein Jahr im internen Bereich ein Tagebuch geführt, danach bin ich seltener hergekommen. Ich habe mich im neuen Leben eingerichtet, in 'nachher'. Die Anfangsprobleme- Alk(p)träume, Suchtdruck usw- sind sehr selten geworden. Meistens bin ich froh darüber, keinen Alkohol trinken zu müssen. Mir hilft dabei, dass meine Partnerin auch abstinent lebt. Wir sind quasi unsere eigene kleine Gruppe. Über lange Zeit die letzten Jahre hatte ich Auf- und Abphasen, also z.T. recht lange glückliche Phasen, dann wieder düstere. Das ist ein Grund, warum ich hier wieder reinschaue. Ich glaube, dass die Depriphasen schon immer da waren (va im Winter, wenn das Licht fehlt), schon in der Schulzeit. Und ich denke, dass diese Zeiten die sind, in denen ich dann am häufigsten per Alk den Notaus im Hirn gesucht habe. Das will ich für mich beackern. Meine y ist sehr tolerant mit mir, wenn ich meine Wolke mit mir rumschleppe... ich bin dann zu nicht viel zu begeistern und vergrabe mich in der Freizeit zu Hause mit Büchern. Der Witz an diesen Phasen: es gibt keinen richtigen Grund (Job/Beziehung/... alles soweit in Ordnung). Also versuche ich, mir die guten Dinge bewußt zu machen und die guten Dinge zu genießen.

    Der andere Grund: ein Lebenszeichen. Ich bin noch da. Ich lebe abstinent. Es gibt ein 'nachher', und es ist oft auch ein gutes Nachher.

    Viele Grüße
    Motek

    Hallo Baghira,

    super, dass du schon 6 Wochen dabei bist!
    Diese Existenzängste, wenn es im Geschäft mal nicht so läuft, sind mir sehr bekannt. Ich sehe sowas auch als Gefahr für meine Nüchternheit, wenn ich unglücklich bin, ist der Saufdruck näher. Ich versuche in solchen Phasen, mich auf das Schöne und Gute im Leben zu konzentrieren und mich nicht emotional an den Sachen festzubeißen, die schlecht laufen oder mir Angst machen. Ich darf nüchtern sein! Ich darf selbstständig sein und meinen Alltag weitgehend frei gestalten. Ich darf in einer hübschen Wohnung leben! Ich darf ganz viel Dinge genießen, die man für das einfache Überleben gar nicht unbedingt braucht! Sowas. Oft hilft mir das--

    Aber du machst das schon ganz gut, tu Dinge, die dir gut tun, deinem Körper guttun.
    Ich wünsche dir noch sehr viele weitere 6 Wochen :)

    Viele Grüße
    Motek

    Hallo,

    ich habe -wie andere auch- schon eine ganze Weile vor Tag X geahnt, dass es so ist, es aber nicht eingestehen wollen.

    Calida schreibt:
    "ich habe es lange vor mir geleugnet, weil das ja andernfalls bedeutet hätte, dass ich was tun muss. Und ich wollte doch weitertrinken. Vor allen Dingen gings mir dann auch so besch...., dass ich nicht noch einem Riesenproblem in den Spiegel schauen wollte."

    Genau, ich wollte nicht handeln, ich wollte weitertrinken, ich wollte kein persönlich schwerwiegendes Problem beackern. Aber so Gedankenfetzen gabs immer mal:
    - wenn ich im Suff Dinge getan habe (Sachbeschädigung grob gesagt), die ich noch immer niemandem erzählt habe, nach vielen Jahren, aus Scham
    - wenn ich regelmäßig gemerkt habe, dass Menge und Frequenz deutlich über dem lagen, was andere trinken
    - wenn ich noch am zweiten bis dritten Tag nach einem Exzess 'Kater' hatte (jetzt weiss ich, dass es Entzugssymptome waren)
    - wenn meine Wohnung stark vermüllt war und Pfandgut in relevantem Wert rumstand: Gedanke: so sieht die Wohnung eines Alkis aus
    - manchmal habe ich gemerkt, dass ich lieber daheim saufe, als mit Freunden wegzugehen oder Hobbies nachzugehen, sozial geduldet war ja deutlich weniger, als das Level, das ich erreichen wollte
    - wenn ich für mich selbst keine Träume für das Alter/ einen Ruhestand denken wollte... ich bin gar nicht davon ausgegangen, bis zum Rentenalter noch zu leben

    Und meist hab ich mich vor mir selbst rausgeredet oder gedrückt. Mir war die Konsequenz klar, Entzug und möglicherweise Therapie mit hoher Rückfallwahrscheinlichkeit, viel aufarbeiten, an sich arbeiten, sich von anderen sagen lassen, wie ein gutes Leben auszusehen hat. Gar nicht wieder Alkohol trinken. Keine schöne Perspektive.

    Irgendwann war es dann halt nicht mehr zu leugnen, ich war die letzten 1,5 Jahre mit einer Vertrauensperson über Alkohol im Gespräch (gescheiterter Versuch, kontrolliert zu trinken), mein Freund sagte mir eines Tages mit Tränen in den Augen, dass es jetzt soweit ist. Genau darum hatte ich ihn vorher gebeten, mir auch einen objektiven Spiegel zu geben, eine Außensicht, ich wusste schon vorher, dass ich selbst mir nicht eingestehen würde, abhängig zu sein. Das war am 11.02.2016.

    Hallo Fridolin,

    Craving meint das brennende Verlangen nach Alkohol, das man in starken Drucksituationen verspürt (unbezwingbares Verlangen, heftige Gier). Für solche Situationen sollte man vorher schon einen Plan haben, wie man sich ablenkt und in Sicherheit bringt. Bei mir hilft Gitarre spielen und mich mental an die Dinge erinnern, die jetzt besser sind (keine Kopfschmerzen tagsüber z.B.) oder auch, wenn ich auswärts Druck verspüre, der Rückzug in meine Wohnung, Doku an oder ein Spiel am Rechner, um den Kopf mit Anderem zu beschäftigen. Und natürlich den Körper nicht vergessen, manchmal ist man in Wirklichkeit hungig, durstig, müde. Das kann auch Saufdruck auslösen.

    Schau doch mal, dass du dich bei einer Suchtberatung blicken lässt. Meine bietet z.B. eine Orientierungsgruppe an, die sich 4x trifft und auf niedriger Schwelle bearbeitet, welche Motivation mich hat saufen lassen, welche Gründe ich hätte, abstinent zu werden/bleiben usw. Wenn man sich drauf einlässt, kann das wertvolle Anstöße geben. Auch hat mich mein Suchtberater noch Monate in unregelmäßigen Einzelterminen begleitet und mir gute Tips gegeben und vor Allem Denkanstöße- um nicht nur abstinent zu sein, sondern auch langfristig eine zufriedene Trockenheit zu erreichen.

    Viele Grüße
    Motek (führe mein Tagebuch im inneren Bereich)

    Lieber Erny!

    Wir sind nicht hier, um Leute zu knechten. Wir sind nicht hier, um dich klein zu machen. Wir sind als Selbsthilfegruppe da, um über Erfahrungen zu reden und Tips zu geben, aber auch kritisches Feedback- und genau kritische das braucht man auch, um nicht nur im eigenen Saft zu schmoren.

    Ich fasse mal zusammen, was ich aus dem letzten Post verstanden habe:

    A) du siehst dich nicht als dauerhaft krank oder willst dich so nicht sehen, sondern willst geheilt sein
    B) du möchtest dich nicht dauerhaft mit dem Thema Alkoholismus auseinandersetzen
    C) du kommst im Moment ganz gut klar und siehst dich als Sieger vom Platz gehen
    D) du möchtest dich jetzt, nachdem das mit dem Alk abgehakt ist, mit dem anderen Mist beschäftigen, der wegen dem Alkohol liegen geblieben ist

    Das wird jetzt hart:

    a) Alkoholabhängigkeit ist nicht heilbar. Aber sie ist behandelbar. Und als abstinente Abhängige dürfen wir unter Umständen ein ganz normales Leben führen, wenn wir ein paar grundsätzliche Dinge beachten und es uns nicht unmöglich schwer machen, Rückfälle zu vermeiden. Übrigens gehört Krankheitseinsicht zum Weg zur Trockenheit.
    b) kann ich nachvollziehen. Der Gedanke ist leider mit einer Fußangel verbunden. Gerade die Auseinandersetzung damit befähigt uns dazu, aufmerksam zu sein und zu bleiben
    c) und was machst du, wenn die anfängliche Euphorie weg ist und die Probleme sich emotional wieder zum Berg türmen? Viele von uns hätten gern einfach einen Schalter umgelegt und danach als neue Menschen weitergemacht, so einfach ist das aber nicht
    d) das ist eine gute Sache. Die Basis dafür bleibt aber die Abstinenz. Trockenheit ist nicht Alles im Leben. Aber ohne sie ist Alles andere Nichts.

    Viele Grüße
    Motek

    huh,

    csqn- schön, von dir zu lesen! Irgendwann im Herbst habe ich mich von brass in Motek umbenannt, nicht wundern... bin noch dabei und meistens zufrieden. Momentan hocke ich in einem etwas antriebslosen Motivationsloch, Advent und Weihnachten war viel los, dann hatte ich eine Menge Bürokratie zum Jahreswechsel- ich versuche gerade, wieder auf Touren zu kommen. Job läuft, seit September habe ich eine Freundin.
    Dein Anlauf letztes Jahr im Februar lief so bis Mitte April, danach war hier im Forum nichts mehr zu lesen. Wo stehst du denn heute?

    Viele Grüße
    Motek / ex-brass

    Hallo Luna,

    wenn XY abhängig ist, sind die ursprünglichen Gründe wurscht für dich heute- er bleibt abhängig, selbst wenn der Grund beseitigt ist. Außerdem verursacht Alkohol auf Dauer auch Depressionen und Ähnliches. Deswegen beginnen viele Langzeittherapien erst mit Abstand zum Entzug, damit unterscheidbar wird, was vom Alkohol kommt und was nicht.

    Einige von uns analysieren die Gründe für ihre Abhängigkeit auch nicht bis in die Tiefe, wenn sie eine zufriedene Trockenheit erreicht haben, da ordne ich mich mit ein. Alkoholiker kann man auch ohne großes Trauma oder schwere Depression werden. Ich hatte schlicht Freude am beschwingt sein, war in einer alkoholschweren Szene unterwegs und hab mich gern abgeschossen, um gedanklich aus dem Alltag zu entfliehen. Ich bin kein Arzt, kann aber aus meiner Erfahrung sprechen: Selbsthass, Depression und Rückzug vom Umfeld gabs bei mir auch. Und das hat bei mir aufgehört, als ich aufgehört habe zu konsumieren.

    Also... die Arbeit an der Ursache kann man aufnehmen, wenn nicht mehr getrunken wird und etwas Zeit ins Land ging. Jetzt nützen dir diese Überlegungen wenig bis nix.

    Viele Grüße
    Motek (von der Alkoholiker-Seite)

    Hallo Kamarasov,

    das geht auch mir so. Bin ein ganzes Stück ruhiger und vermutlich langweiliger geworden. Wobei ein Teil der eigenen Fähigkeit zur Unterhaltung anderer sicher nur eingebildet war. Ich lerne mich nach knapp einem Jahr immer noch kennen, das wird die nächsten Jahre bestimmt so bleiben. Es ist spannend, an sich Eigenschaften zu entdecken, die man vorher immer ersäuft hatte. Viel Freude daran!

    Viele Grüße
    Motek

    Hallo Betty,

    Zitat

    Er ja nicht, weil er noch nicht morgens trinkt, dafür zittert er aber.

    Siehe Sunshine... Sucht beginnt schon sehr viel eher. Ich habe mengenmäßig auf einem ähnlichen Level aufgehört. An der Menge kann man es aber nicht festmachen, es ist nur ein Anhaltspunkt. Meine Familie hat mir regelmäßig Rückmeldungen gegeben (Sorge formuliert, nachgefragt, Beobachtungen über nicht mehr normales Verhalten). Das kannst du machen, solltest aber mit solchen Reaktionen wie von Letztens rechnen. Je mehr ich mir selbst Gedanken gemacht habe, desto weniger empfänglich war ich für Kritik von außen, weil ich die Wahrheit nicht akzeptieren wollte. Und im Herzen wissen es die Meisten, wenn sie abhängig sind- nur ist es von da noch ein ganzes Stück weg zum Akzeptieren. Und die Menschen, denen ich zugehört habe, waren (sind) mir sehr geliebt und wertvoll, trotzdem habe ich sie dafür angebrummt. Der Nebel verdreht unsere Logik, selbst wenn wir zwischendurch nüchtern sind.

    Wichtig für euch vielleicht: keiner von euch ist für die Menge und Zeitpunkte des Trinkens verantwortlich, das ist nur der Konsumierende selbst. Das kann nicht oft genug gesagt werden... ('wenn mich die Schwiegermutter so angeht, kann ich ja nicht anders..' solche Sprüche sind geradezu typisch)

    Nur der Vollständigkeit halber: Tremor unabhängig vom Alk gibt es durchaus, ich selbst habe merkliches Zittern, wenn mein Kreislauf auf Touren ist, und ganz ruhig sind die Hände nie. Das war auch schon vor meiner Alkoholkarriere so und betrifft auch Angehörige, die kaum Alk trinken. Will sagen: ein Zittern kann ein Hinweis sein, kann aber auch andere Ursachen haben.

    Viele Grüße
    Motek

    Hallo Indian,

    kein Tropfen auf den heißen Stein, jeder Tag ohne ist gut. Ich genieße den Gedanken: ich darf heute nicht_trinken_müssen. Ich darf heute selbst entscheiden. Die Freiheit vom Müssen ist ein hohes Gut. Wie war dein 5. Tag, wie geht es dir?

    Viele Grüße
    Motek

    Hallo Marie,

    willkommen bei uns!

    Zitat

    Zur Zeit esse ich leider viele Süßigkeiten, aber ich denke das ist das kleinste Übel von allen...

    Der Körper ist ja an die Kalorien aus dem Alkoholabbaustoffwechsel gewohnt, daher ist das nur natürlich. Bei vielen klingt die Lust darauf auch wieder ab, und wie du ja selbst schreibst- es ist definitiv das kleinere Übel. Mir hat Musik (machen) oft die Laune gehoben; außerdem meine Wohnung als Rückzugsort.

    Viel Kraft!
    Motek

    Hallo,

    das klingt jetzt möglicherweise ein wenig nach Kindergarten: ich habe mir nach ca 3-4 Wochen und danach auch immer mal wieder Zeit genommen, um Bilanz zu ziehen über positive Veränderungen. Ganz ohne genervtes Seufzen, dann fällt es einem doch ab und an mal ein: Leistungsfähiger. Zuverlässiger. Viiieel mehr Zeit. Legaler (betrunken Auto fahren...). An sowas denke ich manchmal, wenn ich unzufrieden mit mir bin. Das sind alles Dinge, die mir selbst sehr nützen. Natürlich sind die auch schön für die Umgebung, aber sie nützen am meisten mir selber.

    Wenn du nun sagst, der Anstoß und die erste Motivation kam wegen deiner Familie, gut, es hat offenbar für die ersten Wochen gereicht. Das muss aber nicht deine Motivation bleiben. Es gibt bestimmt viele Gründe dafür, dass du für dich selbst gesund_abstinent_trocken lebst. Mir klingen so Sätze im Ohr "leben Sie für SICH SELBST", wobei man hier auch das 'leben Sie' fett unterstreichen könnte. Selbst leben und nicht durch Alk/Sucht gelebt werden. Übrigens auch nicht durch Andere, wobei ich ohne Kinder da leicht reden hab. Allerdings gibts viele Verpflichtungen, bei denen man mal ganz egoistisch 'nein' sagen kann, und überraschenderweise verstehen die Leute das oft sogar.

    Ich war anfangs nicht unbedingt glücklich abstinent, sondern halt einfach abstinent. Manche Dinge entwickeln sich, wenn man den Raum zulässt.

    Ich zitier' mal Giugiean...: "Sorgen Sie dafür, dass es Ihnen gut geht!"

    Hallo Eniba,

    gut, dass du deine Bahn ziehst, wie du willst, trotz Widerstände.
    Ich les mich grad noch ein bei deinem Threat... welcome back!
    (bin drinnen unterwegs, meiner ist hier sehr verstaubt...)

    Grüße
    Motek

    Hallo Kamarasov,

    ich finde auch gut, wie du offenbar sehr bewußt Trigger und Risiken einschätzt:

    "Die Trigger werden deutlicher. (...) Alles was Risiko bedeutet, wegmachen."

    Mich hat es anfangs und oft immernoch etwas geärgert, bestimmte Anlässe aus Risikovermeidung zu meiden, das fühlt sich auch so nach Verzicht an. da hast du einen ganz wichtigen Gedanken:

    "Dennoch, das werde ich meiden müssen, da es mich psychische Kraft kostet."

    Da es mich Kraft kostet. Genau. Sowas wie diese Autofahrt kosten Kraft, weil ich auf hab-acht bin. Und es gibt eine ganze Menge Anlässe, für die ich einfach keine Lust mehr habe, einen ganzen Abend auf hab-acht und Selbstschutz gepolt rumzulaufen.

    Eine gute (Rest-)Woche dir!

    Motek