Liebe Juli, die Wunde ist noch so frisch und gleichzeitig auch sehr alt.
Trotzdem hätte ich ihm gern Liebe geschenkt, ihm vergeben, mir vergeben lassen.
Mit solchen Gedanken habe ich auch immer Mal wieder gehadert, Rotz und Wasser geheult, wenn es im Fernsehen solche letzten Begegnungen oder letzten guten Jahre gab. Am Ende wird nochmal alles gut und man kann in Frieden Abschied nehmen. Was für eine schöne Vorstellung. Einerseits halte ich eine solche Wendung für ausgesprochen unwahrscheinlich und andererseits würden die tiefen Wunden, die durch eine lebenslange von Sucht geprägte Eltern Kind Beziehung entstehen wohl trotzdem nicht so einfach heilen.
Mein Vater hat nicht viel und schon gar nicht Persönliches in seinen obligatorischen Grußkarten geschrieben. Aber die letzten Karten endeten mit Worten wie: „Ich freue mich auf ein Wiedersehen.“
Hat er denn aktiv den Kontakt zu dir gesucht? Stand er vor deiner Tür? Hat er jemanden um Hilfe gebeten, damit der in seinem Namen um ein Treffen mit dir bittet? Hat er selbst Verantwortung dafür übernommen, ein solches Wiedersehen zu ermöglichen?
Und selbst wenn er das alles getan hätte und du aus Angst vor diesem riesen Berg abgelehnt hättest… dann hätte auch dieses Verhalten seine Berechtigung und liegt in euer Vergangenheit begründet.
Diese Vergangenheit hat er geprägt und nicht du.
Auch ich trage diese unbeschreiblich tiefe Sehnsucht nach liebevollen Eltern in mir. Nur weil die Sucht gestoppt scheint und eventuell wirklich nicht mehr gesoffen wurde, muss sich aber leider nicht zwingend etwas an der Beziehung ändern. Und was in der Kindheit gefehlt hat, können ein paar gute Begegnungen niemals aufwiegen.
Ich würde dich gerne trösten und dir Mut zusprechen, also sei sanft mit dir selbst und erlaube dir zu trauern.
Liebe Grüße, Lea