Danke dir Hartmut
Nachdem ich ein bisschen quergelesen habe, möchte ich die Gelegenheit nutzen, noch ein wenig mehr über meine Situation zu schreiben. Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll...
Ich habe schon relativ früh als Kind gemerkt, dass mit meinem Vater etwas nicht stimmt, da meine Mutter sehr häufig sauer auf ihn war und es dadurch zu Streit kam. Dass das alles etwas mit Alkohol zu tun hatte, merkte ich so mit ca. 12 Jahren. Ich habe danach allerdings noch drei Jahre gebraucht, um mich meiner Mutter anzuvertrauen, dass ich von seiner Sucht weiß. Es fühlte sich an, als würde ich ihn verraten, aber letztendlich war es der Befreieungsschlag für mich (ebenso für meine Mutter), von dem Moment an waren wir in der Sache Verbündete. Mittlerweile bin ich mir sicher, dass sie co-abhängig war und ich habe, was die Ehe meiner Eltern betrifft, viele Schuldgefühle. Bei einem schlimmen Streit meinte meine Mutter mal, dass sie sich trennen wollte. Ich habe diesen Streit mitbekommen und sie weinend angefleht, dass sie das nicht tut. Das hat mein Vater direkt ausgenutzt, um sie als schlimmste Mutter auf Erden darzustellen. Er war generell ein höchst manipulativer Mensch, ich bin zwar keine Psychologin, aber relativ sicher, dass er eine stark narzisstisch geprägte Persönlichkeit hatte. Jedenfalls war das Thema Trennung dann erstmal vom Tisch.
Als ich älter wurde, habe ich meinen Vater immer mehr durchschaut und mich nicht mehr manipulieren lassen, was unsere Beziehung sehr verschlechtert hat. Irgendwann kam ich an den Punkt, dass ich eine Trennung meiner Eltern gut gefunden hätte. Allerdings habe ich noch eine kleine Schwester, die viel mehr ein Papakind war als ich (vor allem, nachdem ich mich von ihm abgewandt habe) und ich dachte immer, sie würde das nicht verkraften. Also blieb meine Mutter weiterhin bei ihm.
Wenn ich lese, was ich bisher geschrieben habe, komme ich mir vor wie in einem falschen Film. Es hört sich an, als hätte ich ein unfassbar schlimmes Leben gehabt...dabei empfinde ich das gar nicht so. Alle unsere Probleme waren eigentlich immer mit dem Alkoholismus meines Vaters verbunden, der Rest lief sehr gut.
Ich mache jetzt einen großen Sprung zu seinem Tod, da ich vorhin in einem anderen Thread etwas darüber gelesen habe, dass sich jemand manchmal den Tod der alkoholkranken Mutter herbeisehnt (und da ich hier sonst nie fertig werden würde). Ich bin Ende 20 und habe letztes Jahr oft überlegt, wie ich mir meine Zukunft mit meinem Vater vorstelle. Also wie ich mit ihm umgehe, wenn ich mal Familie habe usw. Eine Einsicht seinerseits, dass er krank ist, war für mich ausgeschlossen. Tatsächlich dachte ich manchmal, naja, es wäre vieles leichter, wenn er mal irgendwann nicht mehr ist. Jetzt ist dieser Fall viel früher eingetreten und ich dachte, es müsste sich eigentlich wie eine Erleichterung anfühlen, doch das tut es nicht. Es ist einfach surreal. Ich glaube, man gewöhnt sich so sehr an diese schlimmen Umstände, dass man erstmal lernen muss, wie das Leben ohne diese ständige Angst vor der Sucht und ihren Folgen sich anfühlt. Und jetzt fängt das Aufarbeiten erst wirklich für mich an. Der Weg ist noch lang, aber ich will ihn endlich gehen.
Ich merke, ich verliere mich allmählich in meinem Text. Es gibt so viel, was ich noch schreiben könnte. Daher war es das fürs Erste. Freue mich auf den Austausch mit euch.