Beiträge von Billy

    Hallo Andi,

    es tut mir unfassbar Leid, dass sich die Situation verschlechtert hat. Gibt es denn jemanden, dem du dich auch im "echten" Leben anvertrauen kannst? Vielleicht würde dir das ja auch gut tun. Kann aber auch verstehen, wenn das für dich nicht in Frage kommen sollte.

    Deinen Entschluss über deinen Auszug finde ich toll und deine Gedanken über deine Mutter und deine Geschwister zu 100% nachvollziehbar. Ich dachte das Gleiche, als ich damals auszog. Ich dachte, ich lasse meine Mutter und meine Schwester im Stich, weil sie dann ohne mich mit meinem Vater klarkommen müssen. In der Situation hat es mir geholfen, offen mit meiner Mutter über mein schlechtes Gewissen zu sprechen. Sie hat mich ermutigt, diesen Schritt zu gehen und ich habe es danach auch nicht bereut. Zudem war meine Wohnung dann auch gewissermaßen ein Zufluchtsort für meine Schwester, wenn sie es zu Hause nicht aushalten konnte. Das Ding ist, wenn ich dageblieben wäre, hätte das an der Sucht meines Vaters nichts verändert. Es würde mir einfach nur schlechter gehen.

    Es ist richtig und wichtig, dass du dir einen Ausweg aus dieser Situation suchst, damit es in erster Linie DIR besser geht. Und das wünsche ich dir von Herzen.

    Gruß von Billy

    Vielen lieben Dank AufderSuche für diese offene, ehrliche und ausführliche Antwort. Ich habe nach meiner Anmeldung hier erstmal einige Zeit gebraucht, alles Gelesene zu verdauen. Es freut mich sehr zu lesen, dass du für dich einen Weg gefunden hast und das gibt mir Hoffnung.

    Tatsächlich mache ich auch gerade eine Therapie und sie tut mir unfassbar gut. Das Gefühl des Makels ist bei mir eher unfassbar tiefe Scham...und die empfinde ich immer noch, obwohl mein Vater nicht mehr lebt. Mein ganzes Leben lang habe ich mich für meinen Vater geschämt und Scham ist so ein lähmendes Gefühl, das einen nicht weiterbringt. Deswegen kann ich mir momentan auch noch nicht vorstellen, offen mit der Krankheit meines Vaters umzugehen, ich habe mich bisher nur sehr wenigen Menschen diesbezüglich anvertraut. In der Therapie kann ich jetzt lernen, damit umzugehen und dafür bin ich sehr dankbar. Gehst du offen mit der Krankheit deiner Eltern um?

    Als ich im Forum über die Eigenschaften von EKAs gelesen habe und mich in so vielen Punkten wiederfinden konnte, hat mich das zuerst total runtergezogen. Aber du hast völlig Recht, dass man diese Fähigkeiten, obwohl der Grund für deren Entstehen negativ ist, positiv für sich als Stärke nutzen kann.

    An meinem inneren Kritiker arbeite ich auch schon seit einer Weile, es ist eine echte Herausforderung ihn überhaupt erstmal bewusst wahrzunehmen. Oft deckt sich seine Stimme auch mit dem, was oder wie etwas mein Vater sagen würde. Er hat keine Gelegenheit ausgelassen, mich für etwas zu kritisieren und kleinzumachen. Und wenn es keinen Grund gab, dachte er sich einen aus. Ich glaube, das war seine Strategie, von seinen Fehlern/seiner Sucht abzulenken. Zum Glück habe ich in der Therapie schon gute Handlungsweisen lernen können, mitfühlender mit mir zu sein und dem inneren Kritiker bewusst zu widersprechen.

    Eine Sache, die mir tatsächlich noch große Sorgen macht ist, wie mein Verhalten in Beziehungen durch meinen Vater geprägt ist. Ich habe große Angst, auch an jemanden zu geraten, der Alkoholiker ist. Es scheint da ja so ein Muster zu geben, dass dies bei vielen passiert. Der letzte Mann, bei dem sich zwischen ihm und mir etwas anbahnte war dem Alkohol auch nicht abgeneigt. Ob es schon eine Sucht war, konnte ich nicht beurteilen. Aber das war auch einer der Gründe, warum nichts Festes daraus geworden ist. Es hat mich echt schockiert, ich hätte mir niemals vorstellen können, dass mich so eine Person anzieht. Aber ja, ich hatte in meinem Leben ja kein positives männliches Vorbild dafür, wie man eine liebevolle Beziehung führt. Mittlerweile bin ich übervorsichtig und kann mich deswegen auch nur schwer öffnen. Ich will einfach nicht so leiden müssen, wie meine Mutter es tat. Dann bleibe ich lieber allein.

    Das war es erstmal wieder, viele Grüße von Billy

    die Kinder sollen wieder diese leichtigkeit verspüren

    Hallo Fabienne,

    ich drücke dir von Herzen die Daumen für deinen großen Schritt. Meine Mutter hat es leider nie geschafft, sich von meinem alkoholkranken Vater zu trennen und diese Leichtigkeit konnte ich daher nie kennenlernen. Umso mehr freut es mich, dass du das deinen Kindern ermöglichen möchtest.

    Gruß von Billy

    Und so habe ich mich damals gefragt, wie es wohl wäre, wenn sie sterben würde. Ich hätte weniger Streitereien meiner Eltern anzuhören. Es würde im Haus nicht mehr so stinken. Es würden keine Türen mehr knallen. Aber ganz viel tolles würde auch fehlen, sie hat sich mit so vielem bei uns Kindern grosse Mühe gegeben und sich für alles interessiert, was wir gemacht haben. Und so hatte ich grosse Angst davor als Kind, dass sie zu früh sterben könnte.

    Liebe Merlyn,

    vielen Dank für deinen Beitrag, in dem ich mich fast vollständig wiederfinde. Diese Ambivalenz fand ich immer sehr belastend. Dazu hatte ich auch so eine unfassbare Wut auf meinen Vater, dass er mit seinem Lebensstil riskiert, schwer zu erkranken, es ja geradezu herausfordert, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, wie schlecht es auch uns in diesem Fall gehen würde (vielleicht hat er sowas auch gedacht, ich kann es mir aber kaum vorstellen).

    Das Gegeneinander ausspielen hat zum Ende hin nicht mehr geklappt, da wir es alle längst durchschaut haben (meine Schwester ist mittlerweile auch erwachsen). Dadurch entstand auf seiner Seite Groll und wir haben manchmal die absurdesten Diskussionen geführt, die überhaupt keinen Sinn gemacht haben und in denen er uns die Worte im Mund umgedreht hat, weil er IMMER Recht haben musste. Aber mit der Zeit hab ich mich so stark von ihm zurückgezogen, dass ich noch kaum Angriffsfläche für ihn bot. Und so wurde der Umgang mit ihm immer schwerer, je älter ich wurde.

    Ehrlich gesagt finde ich deine Gedanken eher verständlich als grausam und kann sie zu 100% nachvollziehen.

    Gruß von Billy

    Was damals passiert ist, hat mich mein ganzes bisheriges Leben verfolgt.

    Liebe*r AufderSuche,

    vielen Dank für deinen Beitrag. Mir ist der obige Satz sehr hängen geblieben. Darf ich dich fragen, ob und inwiefern sich dieses "Verfolgen" im Laufe der Zeit verändert (hat)? Konntest du irgendwann besser damit umgehen oder gibt es bestimmte Dinge, die einfach immer schwierig bleiben? Es interessiert mich sehr, da ich das Gefühl habe, noch total am Anfang mit der Aufarbeitung zu stehen. Mir ist bewusst, dass das auch auf kein konkretes Ziel hinsteuert und dann vorbei ist, sondern ein lebenslanger Prozess.

    Gruß von Billy

    aber dich das Trinken baue ich immer mehr Abstand zu ihm auf, was ihn in nüchternem Zustand sehr verletzt

    Hallo Andi,

    ich finde es unfassbar mutig, dass du hier deine Situation schilderst. Mit 18 Jahren hätte ich mich das niemals getraut. Ich habe mich in obigem Zitat sehr wiedergefunden. Für mich war diese Zerrissenheit zwischen der Distanz aus Selbstschutz und der "Verletzung" meines Vaters sehr belastend. Denn ich wollte ihn nicht verletzen, ich hatte ihn auf irgendeine Weise doch lieb, obwohl er mir so viel Leid angetan hat. Allerdings habe ich für mich gemerkt, dass mir die Distanz sehr gut getan hat und der Preis dafür, ihn nicht zu sehr zu verletzen nicht sein darf, dass ich noch mehr durch seine Sucht verletzt werde.

    Wie geht es dir mit dem "Abstand aufbauen" bisher?

    Gruß, Billy

    Danke dir Hartmut :)

    Nachdem ich ein bisschen quergelesen habe, möchte ich die Gelegenheit nutzen, noch ein wenig mehr über meine Situation zu schreiben. Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll...

    Ich habe schon relativ früh als Kind gemerkt, dass mit meinem Vater etwas nicht stimmt, da meine Mutter sehr häufig sauer auf ihn war und es dadurch zu Streit kam. Dass das alles etwas mit Alkohol zu tun hatte, merkte ich so mit ca. 12 Jahren. Ich habe danach allerdings noch drei Jahre gebraucht, um mich meiner Mutter anzuvertrauen, dass ich von seiner Sucht weiß. Es fühlte sich an, als würde ich ihn verraten, aber letztendlich war es der Befreieungsschlag für mich (ebenso für meine Mutter), von dem Moment an waren wir in der Sache Verbündete. Mittlerweile bin ich mir sicher, dass sie co-abhängig war und ich habe, was die Ehe meiner Eltern betrifft, viele Schuldgefühle. Bei einem schlimmen Streit meinte meine Mutter mal, dass sie sich trennen wollte. Ich habe diesen Streit mitbekommen und sie weinend angefleht, dass sie das nicht tut. Das hat mein Vater direkt ausgenutzt, um sie als schlimmste Mutter auf Erden darzustellen. Er war generell ein höchst manipulativer Mensch, ich bin zwar keine Psychologin, aber relativ sicher, dass er eine stark narzisstisch geprägte Persönlichkeit hatte. Jedenfalls war das Thema Trennung dann erstmal vom Tisch.

    Als ich älter wurde, habe ich meinen Vater immer mehr durchschaut und mich nicht mehr manipulieren lassen, was unsere Beziehung sehr verschlechtert hat. Irgendwann kam ich an den Punkt, dass ich eine Trennung meiner Eltern gut gefunden hätte. Allerdings habe ich noch eine kleine Schwester, die viel mehr ein Papakind war als ich (vor allem, nachdem ich mich von ihm abgewandt habe) und ich dachte immer, sie würde das nicht verkraften. Also blieb meine Mutter weiterhin bei ihm.

    Wenn ich lese, was ich bisher geschrieben habe, komme ich mir vor wie in einem falschen Film. Es hört sich an, als hätte ich ein unfassbar schlimmes Leben gehabt...dabei empfinde ich das gar nicht so. Alle unsere Probleme waren eigentlich immer mit dem Alkoholismus meines Vaters verbunden, der Rest lief sehr gut.

    Ich mache jetzt einen großen Sprung zu seinem Tod, da ich vorhin in einem anderen Thread etwas darüber gelesen habe, dass sich jemand manchmal den Tod der alkoholkranken Mutter herbeisehnt (und da ich hier sonst nie fertig werden würde). Ich bin Ende 20 und habe letztes Jahr oft überlegt, wie ich mir meine Zukunft mit meinem Vater vorstelle. Also wie ich mit ihm umgehe, wenn ich mal Familie habe usw. Eine Einsicht seinerseits, dass er krank ist, war für mich ausgeschlossen. Tatsächlich dachte ich manchmal, naja, es wäre vieles leichter, wenn er mal irgendwann nicht mehr ist. Jetzt ist dieser Fall viel früher eingetreten und ich dachte, es müsste sich eigentlich wie eine Erleichterung anfühlen, doch das tut es nicht. Es ist einfach surreal. Ich glaube, man gewöhnt sich so sehr an diese schlimmen Umstände, dass man erstmal lernen muss, wie das Leben ohne diese ständige Angst vor der Sucht und ihren Folgen sich anfühlt. Und jetzt fängt das Aufarbeiten erst wirklich für mich an. Der Weg ist noch lang, aber ich will ihn endlich gehen.

    Ich merke, ich verliere mich allmählich in meinem Text. Es gibt so viel, was ich noch schreiben könnte. Daher war es das fürs Erste. Freue mich auf den Austausch mit euch.

    ...ich bin neu hier und nicht 100% sicher, ob meine Geschichte hier reinpasst.

    Ich bin Kind eines alkoholkranken Vaters, der dieses Jahr an den Folgen seiner Alkohol- und Nikotinsucht verstorben ist. Dieses Forum hat mir schon vor einigen Jahren geholfen, den Entschluss zu fassen, mit ihm auf Distanz zu gehen und mich nach und nach mit den Folgen seiner Krankheit auf mein Leben bzw. das meiner Familie zu beschäftigen. Allerdings habe ich mich bis heute nicht getraut, tatsächlich aktiv mitzuschreiben. Ich bin total überwältigt von der Menge der Beiträge hier, habe aber noch nichts zu verstorbenen alkoholkranken Angehörigen gefunden, daher meine Unsicherheit.

    Diese Zeilen zu schreiben kostet mich grade eine riesen Überwindung, aber ich habe das Gefühl, dass mir der Austausch mit euch helfen kann, vieles Geschehene einzuordnen und zu verarbeiten. Nach dem Tod meines Vaters traten bei mir vermehrt Paikattacken auf und ich mache deswegen derzeit eine Verhaltenstherapie. Momentan lerne ich vor allem, negative Gefühle zuzulassen und sie nicht zu verdrängen und so bin ich wieder hier gelandet. Einfach weil ich mich endlich mit diesem ganzen Mist, der mir widerfahren ist, auseinandersetzen will.

    Weiß nicht, ob das als Vorstellung reicht. Weitere Fragen beantworte ich gerne.

    Grüße gehen raus an euch