Beiträge von birnane1981

    Hallo Theresa,

    er hatte mir damals erzählt, dass er und die Mitpatienten diese Art von Tagebuch führen sollen während der Entzugszeit. Ich kannte auch einige Inhalte, es stand also für mich nicht viel "Neues" darin.

    Der Satz hat mich natürlich sehr berührt, als ich ihn nochmal gelesen habe. Für mich steht er für den Zusammenhalt, den wir damals hatten, für viel Hoffnung, für die bedingungslose Liebe damals... er zeigt mir aber auch, wie früh ich schon reifen musste und wie groß dann die Enttäuschung war, als er doch wieder angefangen hatte zu trinken. Gerade weil da so viel Kraft drinsteckte, ich hab ihn unterstützt so gut ich konnte - mit 14 Jahren. Als ich 19 war, hat er wieder angefangen.

    Ich bin erstaunlicherweise im Reinen damit, dass ich dieses "Ich bin immer für Dich da, egal was passiert..." nicht halten konnte. Es ging einfach nicht mehr. Ich musste mich retten und konnte die dauernden Enttäuschungen und den Schmerz, sowie den Anblick, die leeren Flaschen die aus Schränken quollen, die Aggressivität und Vorwürfe wenn er betrunken war, das vor verschlossenen Türen stehen (Schlüssel steckt von innen, Papa im Suffschlaf) nicht mehr ertragen.

    Als ich den Satz gelesen habe, noch mitten im Schock, tat es natürlich trotzdem sehr weh. Ich hatte die ersten Wochen das Gefühl ich bestehe nur aus Schmerz. Mittlerweile geht es besser, aber kommt wie gesagt in Wellen.

    Wie ist das bei Dir aktuell?


    Es ist völlig in Ordnung, dass Du fragst, denn ich habe noch nie Jemanden im "wahren Leben" getroffen, der das Gleiche oder Ähnliches erlebt hat. Obwohl es ja für mich Normalität war in gewisser Weise.

    Liebe Grüße

    Steffi

    Liebe Luise,

    hui, das ist eine schwierige Situation.


    Als ich etwa in Deinem Alter war, habe ich mich - auf Anraten meiner Mama - an eine Therapeutin gewandt um schlimmeren Auswirkungen auf meine eigene Psyche entgegenzuwirken.

    Das Erste was ich damals zu der Therapeutin gesagt habe war, dass ich auf keinen Fall den Kontakt zu meinem Vater abbrechen werde.

    Es hat eine Weile gedauert, aber ich habe es dann doch getan - bzw. mich erstmal zurückgezogen. Ohne Therapeutin hätte ich das emotional vermutlich nicht geschafft. Mein Papa und ich ohne einander - das konnte ich mir niemals vorstellen. Mitleid kam natürlich auch noch dazu.

    Sie (die Therapeutin) hat mir - ganz behutsam - klar gemacht, dass mein Vater für sein Handeln selbst verantwortlich ist und dass ich ihn nicht retten kann. Ich habe ihm irgendwann mal einen Brief geschrieben, um ihm zu sagen, dass ich jederzeit wieder an seiner Seite wäre, wenn er sich zu einem Entzug entschließt. Das ist leider nicht passiert - er hat mir den Brief vorgeworfen und weiter gemacht.

    Ohne Dich zu kennen, finde ich es sehr mutig und reflektiert, dass Du schaust, wie Du Dich schützen kannst! Das heißt nicht, dass Du Deinen Vater nicht liebst - lass Dir das niemals einreden - es sollte nur die Liebe zu Dir selbst überwiegen!

    Du startest gerade in Dein eigenes, unabhängiges (Erwachsenen-)Leben, ich wünsche Dir von Herzen alles Gute dafür!

    LG

    Steffi

    Liebe Steffi,

    es hat mich sehr berührt, was und wie du geschrieben hast und ich habe darauf letzte Nacht in mehreren Stunden versucht dir etwas zurückgeben, das vielleicht helfen könnte zu begreifen. Schlussendlich hatte ich in knappen 10 Linien etwas Text beisammen, der allerdings alles andere als tröstlich war, geschweige den das Ganze für dich begreifbarer machen könnte - also habe ich alles gelöscht. Gleichwohl war es nicht für nichts, mindestens für mich - ich, der zuweilen glaubt, dass es auf alles Antworten gibt; habe sie für dich nicht gefunden - trotz Insiderwissen. Ich hatte nämlich einen Onkel, der vor über 20 Jahren, in vergleichbarem Alter auf gleiche Art und Weise verstarb, er als Vater von 6 Mädchen und einem Knaben, der sich mittlerweile ebenfalls zu Tode gesoffen hat.

    Noch heute habe ich ein extrem ambivalentes Gefühl, wenn ich an ihn denke - ich glaube, mein Onkel kam in seiner Welt und mit sich einfach nicht zurecht und fühlte sich trotz grosser eigener Familie schrecklich einsam, denn er war meist nur sehr schweigsam, ausser er war betrunken. Seine Töchter letztmals darauf angesprochen, sprachen von einem mittlerweile Fremden, den sie gerne geliebt hätten, wenn es nur möglich gewesen wäre und so hätten sie es mindestens versucht, was möglich war.

    Ich weiss, das ist kein Trost für dich und hilft kaum das Elend zu begreifen - für dich bleibt vielleicht nur die Trauer, dass er so war wie er war und es wird möglicherweise eine neue Sicht von dir auf deinen Vater notwendig sein, wenn du „Frieden“ finden willst - LG Ste.

    Ich danke Dir von Herzen! Jede einzelne Antwort auf meinen Beitrag ist in gewisser Weise tröstlich... Vielen Dank, dass Du versucht hat, es mir begreiflicher zu machen. Trotz aller Trauer habe ich mich meinem Vater seit Jahren nicht mehr so nah gefühlt, wie die letzten 6 Wochen, seit er gestorben ist. All die schönen Dinge, hatte ich jahrelang verdrängt, um mir den Nicht-Kontakt zu erleichtern. Vielleicht kommt der Frieden mit der Zeit... auch zu wissen, dass da Niemand mehr ist, um den ich mich im Innersten immer sorge, trägt etwas bei...

    ...zu dem Thema "Was führt uns zur Sucht..." gab es ja auch schon die ein oder andere Antwort.. Wenn ich die Lebensgeschichte meines Papas nachvollziehe, habe ich auch eine Ahnung "wie es dazu kam".

    Vater und Großvater waren schon Alkoholiker, Mutter psychotisch (durch Kriegstraumata) und während seiner Kindheit mehrere Male für Monate in der Psychiatrie, er ist ein mittleres Kind von 5, hat laut meiner Oma "von allen am wenigsten Liebe bekommen" - weil meine Tante nur 11 Monate später direkt hinterher auf die Welt kam.. Bundeswehr, Saufgelage nach der Arbeit in der Werkstatt... Eine Mischung aus Seelenschmerzen, Veranlagung, sehr niedrigem Selbstwertgefühl...

    Obwohl er einen Entzug gemacht hat und 5 Jahre trocken war, in denen er mir immer erzählte, er könne nicht mal ein Yes-Törtchen essen, er wäre sonst gleich wieder "drin in der Sucht" ... verleugnete er nach dem Rückfall bis zum Schluss seine Sucht. Er trinke doch nur mal ein Bierchen nach der Arbeit. Salopp zusammengefasst.

    Warum tun wir es trotzdem... Es muss hier eine Form von Betäubung gewesen sein..

    Ich bin bei dem Thema übrigens gerade unglaublich froh, dass ich trocken bin und den Absprung geschafft habe. Ich möchte nicht, dass meine Kinder irgendwann einmal in der Situation sein müssen, wo so eine Verzweiflung auftritt, wegen dieser schei…. Sauferei und das noch zusätzlich zu der Verzweiflung, die man eh wegen eines geliebten Menschen hat.

    Ich kann Dich wirklich gerade sehr gut verstehen, Steffi.

    Aber Du hilfst Dir selbst, indem Du z.B. hier bist und Dich sortierst. Das ist gut so!

    LG Cadda

    Alleine, das zu lesen, hilft schon so ungemein! Weil es einfach zeigt, dass es auch alkoholkranke Eltern gibt, die es schaffen und ihren Kindern DAS ersparen können... Und ja, es ist wirklich eine Art "doppelte Trauer"... Wie gesagt die eigentliche Trauer und dann ganz schwer die Trauer um das was man alles nicht hatte, wegen der Sauferei... Ich habe so oft mit meinem Mann darüber gesprochen, wie sehr ich mir wünsche, mit meinem Papa einfach mal in einer Pizzeria zu sitzen (früher ging das noch) - oder ihm all die kleinen und großen Entwicklungsschritte seines Enkels zu zeigen.

    Vor 3 Wochen war ich mit meinem Mann in dem Ort, in dem mein Vater Ende der 90er seine (einzige) Entziehungskur gemacht hat und wo er dann auch sesshaft wurde. Ich nenne solche Orte/Straßen "Memory Lane".

    Vor der (Entzugs-)Klinik saßen 3 Männer in der Sonne auf einer Bank und alberten herum... Sie strahlten so viel Hoffnung aus, man konnte den Neuanfang förmlich in der Luft spüren und ich weiß noch wie wichtig diese Zeit damals auch für mich war - ich war 14 - und saß mit meinem Vater öfters auf eben dieser Bank. Ich wohnte damals bei meiner Mutter, rund 60 km vom "Kurort" entfernt. Mindestens 3 x pro Woche bin ich nach der Schule mit Bus und Bahn hingefahren um meinem Papa zu zeigen, dass es sich lohnt, dass ich da bin. Und er war so stolz. Rund 5 Jahre war er trocken.

    In seinen Sachen habe ich die Tagebücher aus der Entzugszeit gefunden - sie schließen ab mit dem Text:
    "Papa", sagte Steffi, "du schaffst es bestimmt, ich weiß es genau. Ich bin immer für Dich da, egal was passiert"..

    Vielen Dank lieber Hartmut, für deinen Beitrag, es fühlt sich an wie das ein oder andere Puzzleteil, das dadurch hinzukommt. "Gefangen in zwei Welten" - ja, so muss es gewesen sein. Bis er sich der einen irgendwann hingegeben hat, so ganz. Und dass es ein Zwang ist... Auch was Cadda beschreibt... Dieses "langsame reinrutschen in die Sucht"... Wahnsinn. Ich trinke auch gern mal ein Weinchen... so fangen wahrscheinlich viele Suchtgeschichten an...

    Liebe Helena,

    mein herzliches Beileid, von ganzem Herzen. Mein Vater ist ebenfalls Anfang Januar verstorben, ich habe darüber an anderer Stelle in diesem Forum geschrieben. Vielleicht magst Du Dich, wenn Du soweit bist, ein wenig austauschen. Ich verstehe jedes Wort, das Du schreibst. Fühl Dich gedrückt!

    Liebe Grüße

    Steffi <3

    Liebe Cadda,

    vielen lieben Dank für Deine Nachricht und Deine Hilfe dabei, zu verstehen, was in einem Menschen, der trinkt, vorgeht. Es leuchtet absolut ein, dass einem das Suchtgedächtnis einredet, "Ach komm, das eine mal noch..." - ich nehme an es ist unmittelbar gekoppelt an "Ich mach das alles wieder gut" - oder "Es ist noch so viel Zeit, dieses eine mal schadet doch nicht". Zumindest in gewisser Weise nachvollziehbar.

    Danke auch dafür, dass Du so offen darüber sprichst, wie es Dir ergangen ist. Seit Deiner Antwort sind 2 Wochen vergangen - seitdem durfte das ein oder andere schon etwas heilen. Es bleiben die schönen Erinnerungen, die sich zur Trauer gesellen. Sie kommt immer mal wieder in "Geröll-Lawinen" und dann schaue ich mir tapfer jeden einzelnen Stein und Felsbrocken an, und sortiere ihn - arbeite auf. Versuche zu verstehen. Ich vermisse ihn unfassbar doll - obwohl ich seit Jahren den Kontakt auf ein Minimum reduziert hatte - immer mit der heimlichen Hoffnung, dass doch noch alles gut wird.

    Ich bin mir sicher, wir sehen uns wieder - und da wo er jetzt ist, gibt es keinen Schmerz und keine Sucht mehr.

    Ganz liebe Grüße

    Hallo Carina,

    auch ich kenne das - die Schuldgefühle... Mein Vater ist ebenfalls vor Kurzem verstorben. An meinem Geburtstag im November hat er mir abends geschrieben, dass er hofft, mich noch einmal zu sehen. Er muss eine Vorahnung gehabt haben - ich habe nie darauf geantwortet. Erst an dem Tag seines Todes Anfang Januar habe ich ihm mal wieder ein Foto geschickt - das hat er nicht mehr gesehen. Als ich seine Sachen aus dem Krankenhaus abgeholt habe, war die Nachricht noch ungelesen auf seinem Handy.

    Ich konnte schon die Jahre vorher Dank Therapeutin (die ich erstmals aufgesucht habe um den Schmerz über den Alkoholismus vom Papa zu ertragen und dann immer mal wieder) und Unterstützung meines Mannes schon ein bisschen "vorbauen" für die jetzige Situation.

    Beide haben mir immer wieder klar gemacht, wenn ich ins Zweifeln kam all die Jahre, ob ich mehr tun könnte, usw. - dass ich niemals Schuldgefühle haben soll, weil ich den Kontakt abgebrochen habe.

    ALLES WAS PASSIERT IST, IST NICHT UNSERE SCHULD!

    Wir haben uns diese Situation und unsere Herkunft nicht ausgesucht. Alles was passiert ist, ist eine Reaktion auf das was der Alkohol aus unseren Eltern, Vätern, Müttern und deren Handlungen gemacht hat. Wir sind die Kinder und knabbern daran schon genug.

    Verzeihen ist wichtig und heilsam - und was bleibt ist die Liebe, sofern sie nicht komplett vernichtet wurde - aber bitte such die Schuld für Dein Handeln, Nichthandeln oder "Dichtmachen" niemals bei Dir! Wenn Du gemeine Sachen gesagt hast, hatte das einen Grund - nicht im besagten Moment, ok, aber in dem was dazu geführt hat! Es hatte nichts mit Boshaftigkeit zu tun, sondern mit schmerzenden Wunden, die Du hattest.

    Alles Liebe!

    Steffi

    Guten Morgen Ihr Lieben,

    vielen Dank für Eure Worte! Puh... ich überlege jetzt, ob ich hier in diesem Thread nochmal näher erzählen bzw. fragen sollte, oder ob ich einen neuen eröffne? Bin da nicht so "firm".

    Am Liebsten würde man sich die ganze Geschichte von der Seele schreiben, aber sie ist halt auch schon so oft durchgekaut.

    Ich habe zum Glück einen lieben Mann (hätte nie gedacht, dass ich es mal so lange in einer Beziehung aushalte), einen 7-jährigen Sohn (der die Mama aktuell ganz ganz viel weinen sieht und ganz viele Fragezeichen in seinen Äuglein hat) und eine Mutter, die sich schon vor 36 Jahren von meinem alkoholkranken Vater getrennt hat - und sich immer wieder vorwirft, dass sie mir das, was ich die letzten Jahrzehnte durchgemacht habe und auch jetzt fühlen muss, nicht ersparen konnte.

    :!: DIe größte Frage, die bleibt - und vielleicht kann Jemand, der selbst getrunken hat, oder trinkt... mir versuchen das zu erklären:
    Warum hat er sich gegen ein Leben mit uns, in Gesellschaft, mit Liebe und Geborgenheit und für ein Leben mit Alkohol, Schulden, enormen gesundheitlichen Problemen und letztendlich den Tod entschieden? :?: :?: :?:

    Also gestorben ist er ja vor 3 Wochen - an einem schweren Herzinfarkt. Als er sich endlich durchgerungen hat - das weiß ich nur von seiner Lebensgefährtin - und der Notarzt kam, war sein Rücken (die Nieren) schon blau und die Füße auch. Er hat STUNDENLANG nicht den Notarzt gerufen - trotz starker Herzinfarkt-Symptome. Als er dann in die Klinik eingeliefert wurde, hat es das Herz nicht mehr geschafft...

    Am Tag vorher hatte er sich tatsächlich noch durchgerungen zum Kardiologen (mit Überweisung vom Hausarzt) zu gehen - dort wurde er weggeschickt, weil er keinen Covid-Testnachweis dabei hatte. SIE HABEN IHN WEGGESCHICKT!!! WEGEN EINEM SCHEISS CORONA TEST, den jeder FRISEUR VOR ORT MACHEN KANN NOTFALLS - aber kein ARZT!?????????? Er war wohl nicht geimpft, weil er sich - zum Glück wisst Ihr warum - Außenstehende verstehen das ja oft nicht - sowieso nie oder selten zum Arzt getraut hat.

    Habt alle einen guten Tag... mit vielleicht dem ein oder anderen Sonnenstrahl :*

    Hallo Miteinander,

    tja, wo fange ich an... am Samstag vor 3 Wochen, am 8. Januar 2022 ist mein Papa gestorben. Er hat mit 66 Jahren den Kampf gegen das Leben verloren. Und ich den Kampf um meinen Papa.

    Ich bin 40 Jahre alt, 1981 im November geboren... absolutes Papakind und werde wohl nie begreifen, warum der Alkohol so mächtig war, dass mein Vater zugelassen hat, alles - auch mich - zu verlieren. Seit 2007 hatten wir nur noch sporadisch Kontakt - Selbstschutz meinerseits. Viel Kampf, viel Liebe, viel Enttäuschung... viel Schönes...

    Jetzt ist er gestorben.
    Ich habe all die Jahre immer mal überlegt, in eine Selbsthilfegruppe für Angehörige zu gehen... Oder oder oder... Habe natürlich auch eine Therapie hinter mir - was enorm dazu beigetragen hat, den Schritt des Kontaktabbruchs zu gehen. Was immer unterbewusst geblieben ist, ist die Frage W A R U M??? Was führt dazu, dass Jemand zulässt alles zu verlieren???? Wie schafft der Alkohol das?

    Vielleicht finde ich hier die ein oder andere Erklärung?!

    Würde mich freuen, "aufgenommen" zu werden...

    Liebe Grüße
    Steffi