Meinem Vater war es egal, ob ich und meine Mama direkt daneben standen und zuschauten, wenn er sich kaputt soff oder nicht. So einfach war das. Aber es hatte eine enorme Verbesserung meiner Lebensqualität bewirkt, als ich beschlossen habe den Kontakt einschlafen zu lassen, zu schauen wann ich wirklich was von meinem Vater hören und sehen will. Was soll ich sagen, ich habe ihn das letzte Mal lebend Ende Oktober 2021 gesehen. Tot Anfang Februar. Das war alles andere als einfach aber es wäre deutlich härter für mich gewesen, seinen Abgang in allen Einzelheiten hautnah mitzuerleben.
Hallo Helena! Ich finde das richtig stark, dass du den Schritt gewagt hast, dich um dich selbst und um dein Leben zu kümmern! Und auch, dass du diesen Schritt nicht bereust.
Ich glaube, meiner Mutter ist es nicht komplett egal, wenn ich mitbekomme, dass sie trinkt. Sie will, wie ich bereits erzählt habe, nicht über das Thema reden. Wahrscheinlich, weil sie die Schuldgefühle nicht an sich ranlassen will. Kein Elternteil gibt gerne zu, dass er in der Erziehung "versagt" hat.
So, wie es gerade ist, ist es für mich auch ertragbar. Früher habe ich das ja hautnah mitbekommen und es gab durchaus lange Phasen, da war sie jeden Tag betrunken. Jetzt bekomme ich das eben nur noch so am Rande mit. Aber alles, was ich bis hier hin erlebt habe, kann ich natürlich nicht mehr vergessen, weswegen mich schon die kleinsten Anzeichen, dass sie wieder trinkt, emotional aus der Bahn werfen.
Ich hatte das Gefühl, es wäre meine gesellschaftliche Pflicht mich um meine Eltern zu kümmern. Dachte, die Leute würden schlecht über mich denken, wenn ich es nicht täte. Am Ende hat sich rausgestellt, dass das niemand in meinem Umfeld dachte. Nur die Stimme in meinem Kopf……aber die kann ich ja glücklicherweise beeinflussen, denn es ist meine.
Noch ein letzter Gedanke: bei mir war irgendwann von der Person, die ich als Vater liebe, nicht mehr viel übrig. Da saß am Ende ein fremder Mann vor mir, der noch entfernt aussah wie mein Vater. Der Alkohol hat meinen Vater langsam aber stetig ausgelöscht. Wie viel von deiner Mutter ist bei dir noch da?
Ich komme in sämtlichen Themen immer mehr dahin, mir klar zu machen, dass es mir egal sein sollte, was andere denken. Natürlich klappt das in vielen Dingen noch überhaupt gar nicht, aber bei der Sache wäre mir das tatsächlich egal, wenn andere irgendwas schlechtes davon denken würden. Ich sehe nur momentan nicht die dringende Notwendigkeit, zu versuchen, den Kontakt abzubrechen. Dadruch, dass ich sie ja eh nicht mehr ständig sehe, ist das irgendwie zur Zeit schon okay so, wie ich oben schon beschrieben habe. Außerdem glaube ich, dass das mit dem Kontaktabbruch familiär auch gar nicht so richtig umsetzbar wäre.
Ich habe nur die vergangene Woche sehr stark gemerkt, dass ich den Drang verspüre, einfach mal zumindest für ein paar Monate in eine andere Stadt zu ziehen um mich nicht mehr mit ihr und anderen Familiengeschichten rumschlagen zu müssen. Ich habe vor 5 Tagen Corona bekommen und habe mich deswegen ständig mit meiner Familie, und vor allem mit meiner Mutter gestritten. Sie war zum Beispiel sauer, als ich mich nicht ohne Maske an den gleichen Tisch zum Essen setzen wollte und hat mich deswegen als Zicke bezeichnet. Das ist ein sehr gutes Beispiel, um auf deine letzte Frage einzugehen: Sie ist nicht mehr fähig dazu, eine sachliche Diskussion zu führen und sieht alles immer sofort als Angriff. Das macht Gespräche mit ihr total anstrengend und eigentlich hab ich auch keine Lust, mich großartig mit ihr zu unterhalten. Aber auch das sieht sich dann wieder als Beleidigung. Sie erwartet, dass ich so tue, als wäre nie was gewesen und versteht anscheinend nicht, dass ich nie wieder ein normales Verhältnis zu ihr aufbauen kann. Oder sie will es nicht verstehen. Es ist nicht so, dass sie nur noch eine leere Hülle wäre. Sie ist schon noch da, aber ihr Charakter hat viele negative Seiten, von denen ich glaube, dass sie früher nicht da waren.
Ich finde es auf jedenfall schon mutig das du den Schritt zum Therapeuten gehst. Ich konnte mich dazu noch nicht bringen. Schon oft gesagt aber noch nicht in die Tat umgesetzt.
Wie hast du den richtigen Therapeuten gefunden? Und geht es dir dadurch besser?
Hallo Kaninchenliebe!
Bei mir hat das auch erst mal ein bisschen gedauert, bis ich gesagt habe "Ich möchte eine Therapie machen". Hab mir dann aber vor circa 2 Jahren eine Überweisung vom Hausarzt geholt, damit ich mich bei einen Psychotherapeuten diagnostizieren lassen konnte (einen Ersttermin dort bekommt man oft relativ schnell). Der hat mir dann mit der Diagnose (chronisch depressive Verstimmung) einen weiteren Wisch gegeben, womit ich dann zum C.G.-Jung Institut bin, wo ich dann weitere Gespräche hatte. Dort meinten die, dass sie sich melden würden, wenn ein Platz für eine Therapie frei wird, aber als sie sich dann monatelang nicht gemeldet hatten, beschloss ich mich, das selbst in die Hand zu nehmen.
Hab dann erst mal im Internet alle Therapeutinnen in der Nähe durchgeschaut und der, die mir am sympathischsten rüberkam, auf gut Glück eine Mail geschrieben. Tatsächlich hat das dann dort geklappt und nun bin ich bei ihr seit einem halben Jahr in Therapie.
Es hilft mir auf jeden Fall, mit schwierigen Situationen besser umzugehen und klarere Gedanken zu fassen. Allerdings muss ich auch sagen, dass das kein Wunderheilmittel ist und man nicht innerhalb von ein paar Monaten plötzlich glücklich oder "geheilt" ist. Das braucht natürlich seine Zeit, da das ja auch nur einmal in der Woche stattfindet.
Aber ich kann dir auf jeden Fall trotzdem sagen: Wage den Schritt! Es ist ja leider auch nicht so, dass man sofort einen Platz bekommt, wenn man sich mal nach Jahren dazu überwunden hat, irgendwo anzurufen. Oft dauert das dann auch nochmal viele Monate. Außerdem macht es ja absolut keinen Sinn, es nicht zu probieren. Wenn du das Gefühl hast, dass dir das was nützen könnte (wovon ich überzeugt bin), warum dann noch warten? Dadruch geht nur Zeit verloren, die man in eine bessere Lebensqualität hätte investieren können.
Zu deiner Geschichte: Du musst natürlich herausfinden, was für dich das Beste ist. Ich sehe das nicht so, dass das unbedingt der Kontaktabbruch sein muss. Das ist bei jeder Person anders und es kann ja auch ein Mittelweg sein. Hast du denn deiner Mutter erklärt, warum du den Kontakt zu ihr reduzierst? Natürlich bist du ihr keine Erklärung schuldig, aber vielleicht denkt sie dann wenigstens ein bisschen darüber nach, auch wenn sie dich im ersten Moment beschmipft. Und war deine Mutter schon mal in Therapie? Hinter einer Sucht steckt ja mehr.