Beiträge von 9Leben

    Mein Mann war auch ein ganz lieber Mensch, charmant, empathisch, sehr gefühlvoll, immer hilfsbereit mit großen Schwierigkeiten, auch mal nein sagen zu können und darauf bedacht, von sich nach außen ein tadelloses Bild abzugeben.

    Mein Mann hat zum Abbruch jeder seiner Trinkpausen gesagt, dass das plötzlich ein dermaßen starker Drang ist, wieder zu trinken.

    Nach seinem Rückfall nach der Reha hat er immer gesagt, "Ich habe Suchtdruck, sei froh, dass Du nicht weißt, was das ist."

    Wenn Dein Vater noch eine gute Konstitution hat, kann das ja noch Jahre so weiter gehen. Hat er erst später mit dem Trinken angefangen?

    Und zu dem schaffen können, seine Alkoholkrankheit dauerhaft zu stoppen: Theoretisch kann es jeder schaffen. Praktisch sieht es anders aus. Weil sich in der Erkrankung eben auch Hirnfunktionsprozesse bzgl. der Botenstoffe und Rezeptorenausstattung dauerhaft verändern. Nicht zu vergessen die dauerhafte Zellschädigung auch im Hirn, was kognitive Fähigkeiten und schlussfolgernde Willensbildung und -festigung ungünstig beeinflusst.

    Könnte im Falle des Falles Deine Mutter ein paar Tage bei dir übernachten, wenn es für sie mit deinem Vater zuhause zu ätzend wird? Dann kann sie etwas "für sich leben" trainieren, evtl. Vorbehalte dagegen abbauen. Vielleicht ergibt sich daraus ein Antriebsschub zur Veränderung. Aber es bleibt Sache Deiner Mutter, wie sie mit sich (und Deinem Vater) umgehen möchte.

    Für Dich freut es mich, dass du deinen eigenen Haushalt mit für Dich guter Partnerschaftsbeziehung hast. Dann hat man mehr Fundament, dass eine gesunde Abgrenzung gewahrt bleiben kann.

    Hallo Luna,

    in Deiner Mutter erkenne ich mich wieder. Irgendwann resigniert man, weil man so kraftlos geworden ist. Man wartet darauf, dass es irgendwie für einen beendet wird, weil man selbst schon zu lange mit der Belastung, die als Gewohnheit mit einem verklebt ist, lebt.

    Und dann gibt es bestimmt noch weitere Hemmfaktoren, die "Abers", mit denen man sich einen aktiven Ausstieg aus der Beziehung versagt.

    Aber was sollen die Leute sagen, aber ich will nicht allein leben, aber ich habe kein Geld, aber..., aber...., aber....

    Liebe Nova,

    genau so sehe ich das. ich hoffe auch, das ich künftig viel früher in einer für mich gesunden Weise reagiere. Als Co war ich während der Ehe darauf gerichtet, dass ich - nach Co-Verständnis- irgendwie der Gesundheit meines Mannes dienlich bin. Hier nochmal eine Anregung, da nochmal eine im Grunde nicht ernstgemeinte Trennungsdrohung. Pendeln zwischen Trinkerei Trinkerei sein lassen und Appellieren, Bitten, Fordern.

    Über die Zeit habe ich mich in dieser alkoholbelasteten Beziehung kräftetechnisch abgeschliffen wie ein Kieselstein, der im Meer vom Wasser umspült wird.

    Ein paar Jahre vor seinem Reha-Antritt hatte er mal während der x-ten Streiterei ums Trinken gesagt: "Wenn Du den Scheidungsantrag stellst, unterschreibe ich ihn." Und hämisch dann dazu: "Aber Du musst dann zahlen." Da habe ich gedacht, nö, ich lasse mir vor den Kindern nicht die Rolle der Bösen zuschieben, die durch Scheidung die Familie kaputtmacht und einen Suchtkranken im Stich lässt und dafür dann noch höhere Unterhaltszahlungen am Hals als in der Ehe hat. Ich hatte es wieder so gesehen: Wir sind noch nicht am Ende, weil ich nach meinem Gefühl noch nicht genug und noch nicht alles versucht habe. Dabei hing ich schon längst in der Sinnlos-Spirale nach unten fest, ohne es damals wahrhaben zu wollen.

    Dann kam die nächste Entgiftung, stationäre Vorsorge, der Reha-Antritt, was meine damalige Denke dann ja zu bestätigen schien, siehste, nur geduldig am Ball bleiben, dann kommt doch noch etwas Gutes. Die Zeit der Reha war nach langen Jahren mit die Beste für uns seit den Anfangsjahren. Was das für ein Hoffnungsschub war, ist nicht wirklich in Worte zu fassen. Bis das kam, was kommen musste, Rückfall. Der Anfang vom endgültigen Ende.

    Heute stelle ich rückblickend fest, dass ich sehr viel einschlägiges Lehrgeld bezahlt habe. ich bedaure, dass sich das Lehrgeld vor allem in meinen Lebensjahren ausdrückt. Aber umso mehr wird die verbleibende Zeit meinem Wohl gehören, und alkoholgeneigte Menschen werden nicht dazu gehören.

    Liebe Nova,

    so sehe ich mich rückblickend auch. ich habe mich sehr lange in der eigenen Wahrnehmung selbst betrogen. Der Selbstbetrug ging so: "Jetzt ist es gerade schlecht, aber es wird auch irgendwann wieder gut."

    In Wahrheit wurde es stetig schlechter.

    Hallo Petra,

    zur ersten Frage:

    Heute würde ich eine solche Beratung als zutreffende Zusammenfassung meiner damaligen Problemschilderung sehen, und vielleicht hätte es mir das NoGo, den Kindern durch Scheidung die familiären Strukturen auseinander zu reißen, beiseite wischen können, in dem ich die Trennung statt destruktiv konstruktiv als eine Art Schutz für uns alle hätte wahrnehmen können. Schutz vor weiterem gemeinsamen Elend, in dem trotzdem jeder für sich ist und schädigende Verhaltensmuster lebt.

    Zur zweiten Frage:

    Schwierig - vielleicht hätte es mir geholfen, strikt bei meiner Wahrnehmung bleiben zu können, dass ich es so schon, wie es damals war, eben nicht mehr wollte. Dann hätte ich vielleicht früher einen Ausstieg gefunden.

    Dagegen stand mein damaliges Mindset: "Ideale Partnerschaften gibt es nicht." "Stell Dich nicht so an" "Du bist ja selber auch nicht ohne Makel" "Noch kannst es doch gut aushalten, so viel ist ja nun auch nicht los".

    Damals hatte sich der Trinkrhythmus meines Mannes von vier Tagen Konsum und drei Tage nichts auf mind. sechs Tage Konsum und maximal 1 Tag nichts verschoben, und gemeinsame, vor allem unbeschwerte Familienzeit war so gut wie nicht vorhanden, außer, wenn Familientreffen anstanden. Da wurde die Fassade aufrecht erhalten. Aber auch bei diesen Treffen hat er sich oft zwischenzeitlich verkrümelt, z.B. beim Grillen im Park herumgelaufen und sich zu trinkaffinen Bekannten gesetzt. Denen er dann auch die Schuld geben konnte, wenn er mit einer Fahne zurückkam.

    Streit aus dem Nichts bzw. Provokationen zuhause waren damals auch schon dabei. Damals bin ich immer noch drauf eingestiegen. dann ging es wie PingPong-Spiel hin und her. Ermüdend und sinnlos.

    Die Geschichten, die ich auf dem Seminar gehört habe, drehten sich um wiederholte häusliche Gewalt durch Suchtkranke, finanzielle Überschuldung durch zusätzlichen Drogenkonsum bei Arbeitslosigkeit und Kontaktpflege ins kriminelle Milieu, den Angehörigen mehrfach nach Vollrausch bewusstlos im eigenen Erbrochenen auffinden und Entnahme gemeinsamer, durch den Alkoholiker sexuell missbrauchte oder insgesamt schwer vernachlässigte Kinder aus dem häuslichen Umfeld durch das Jugendamt.

    Dagegen fand ich meinen Status dann sehr: siehe oben "Stell Dich nicht so an".

    Liebe Lotta,

    wenn das Vertrauen weg ist, das sehe ich auch so, dann fehlt eine wichtige Beziehungsbasis.

    Euer Kind ist dennoch eine andauernde Verbindung zueinander. Das ist, finde ich, nochmal eine höhere Anforderung, wie man die eigene Belastung der Partnerbeziehung für sich loswerden kann.

    ich wünsche Dir viel Kraft und gute Entscheidungen!

    Mein Mann hatte es auch gern bequem und für sich angenehm. So sehr er sich für alkoholbedingte Folgen (morgendliches Händezittern, blaue Flecken infolge von Stürzen, wenn er vom Pegel- ins Totalrausch-trinken gewechselt hat) geschämt hat, so wenig durfte Entzug anstrengend oder schmerzhaft sein. Bei stationären Entgiftungen fand er z.B. die ersten Tage am besten, wenn Alkohol durch das Entzugsmedikament abgelöst wird. Quasi Ausschlafen und damit ist alles einfach ausgeschwitzt. So seine Idee des Ganzen. Ab Tag 3 war er dann immer besonders garstig, übellaunig, vorwurfsvoll, aggressiv, die Ärzte unfähig, die Mitpatienten doof. Ab Tag 7 war er dann ruhiger und gesammelt und frisch aussehend. In Wahrheit war er das, weil er für sich gedacht hat. dass er nun wieder aufgerichtet ist und den Alkoholkonsum "neu" angehen kann.

    Hat er dann auch wieder gemacht, nur viel Neues gab es dabei nicht.

    achelias ,

    dieser Gruppendruck in Bezug auf Alkoholkonsum in Gesellschaft ging mir auch schon immer auf den Senkel. Ich kann mit dem Zeug nichts anfangen. In meiner Jugend habe ich es natürlich auch probiert. Aber es gab mir nichts. Die einzige Wirkung, die ich gespürt hatte war, dass mich Alkohol müde macht, egal, ob Sekt, Wein, Bier oder die harten Sachen. Da ich aber noch nie Ein- oder Durchschlafprobleme hatte, in der Jugend schon mal gleich gar nicht, hat der Konsum für mich überhaupt keinen Sinn ergeben. Auch als Jugendliche hatte ich schon von Alkoholkrankheit gehört und gelesen und wie schnell man hineinschlittern kann. Persönlicher Kontrollverlust war/ist für mich eine Horrorvorstellung.

    Dann zog ich in verschiedenen Gruppen los und musste mich immer(!) rechtfertigen, weshalb ich nun z.B. die Runde "Verteiler" nicht mitmache. "Aber zu den Guttemplern gehörst Du nicht oder?!" war z.B. eine Reaktion. Dabei hatte ich niemanden zum Verzicht angeregt, sondern nur nicht mittrinken wollen. War für einige echt schwer zu akzeptieren.

    Finde ich bis heute noch bizarr/verdreht.

    Liebe Lanananana,

    danke gleichfalls. ich finde den von Dir beschriebenen Entwicklungsprozess, den Du in Deiner alkoholbelasteten Partnerschaft durchlaufen hast, beeindruckend.

    Bei Alkoholkranken und Co würde ich sagen, dass jeder sich an seinem Schopf aus dem Sumpf ziehen muss. Aber sobald jeder ernsthaft an seinem Schopf zieht, kann man auch unterstützende Hilfe annehmen, um das Ziehen zum Erfolg zu führen.

    Vielleicht bezieht sich die entsprechende Baron-Münchhausen Geschichte ja auf genau solche Lebenslagen, wer weiß? ;)

    Das ist schon mal ein guter Schritt, wenn Du Dir Szenarien definiert hast, bei denen Deine Grenze überschritten wäre. Wenn Du dann noch die Konsequenz hast, das für Dich hoch zu halten und verbindlich zu machen, hast Du eine Chance, ohne allzu große Blessuren auszusteigen.

    Wenn das für Dich eine Option ist.

    Sobald bemerkt wird dass der Partner ein Problem mit dem Alkohol hat, sollte es angesprochen werden und wenn dieser es nicht ändern möchte oder es nicht einmal einsieht ist es besser (vor allem wenn kleine Kinder in der Familie sind) wenn man früh die Reißleine zieht. Denn die Abwärtsspirale ist meist vorprogrammiert. Das kann sich niemand schönreden. Es wird nicht besser aber es wird ziemlich sicher schlechter.

    Liebe Petra,

    Deinen Satz kann ich aus meiner Erfahrung nur bestätigen. Für mich bedeutet der Begriff CO, dass man als Angehöriger oder auch Freund oder auch Arbeitskollege eines Alkoholikers, der in einer mehr oder weniger regelmäßigen persönlichen Beziehung zu einem Alkoholiker steht, und Hilfe gibt oder anbietet, die bei nicht Suchterkrankten eventuell nichts oder absichtentsprechende Hilfe bewirkt, beim Suchterkrankten dagegen sicher nichts oder sogar Gegenteiliges der Absicht bewirkt.

    Und je enger die Bindung zum Alkoholkranken, desto größer die Wahrscheinlichkeit, jede Enttäuschung lediglich als Anlass für den nächsten nutzlosen Hilfsversuch zu nehmen. Bis man als CO für sich genug Leidensdruck daraus gebaut hat, um seinem eigenen Veränderungsimpuls nachzugehen.

    Das ist glaube ich, der "Abhängigkeitsaspekt" beim CO. Man wiederholt wider besseres rationales Wissen eigene psychische (und psychosomatische) Leidenssituationen bis zur eigenen Reife des Ausstiegszeitpunkts - wenn er denn überhaupt kommt, bevor der Alkoholiker gestorben ist.

    Der Alkoholabhängige wiederholt wider besseres rationales Wissen sein Trinkverhalten, bis er für sich den Reifezeitpunkt des Ausstiegs gefunden hat - oder eben nicht.

    Neues Thema, passend zum Co-Typ ;-):

    Beratungsstunden für Angehörige von Alkoholkranken

    In einer Beratungsstunde habe ich als Angehörige meines trinkenden Ehemanns mal einen Vorwurf herausgehört, wenn ich nicht wäre, hätte mein Mann schon die Chance zu suchtverkürzender Einsicht gehabt. Dabei hat der Berater, nach eigenen Angaben trockene Alkoholiker, nur gesagt: Erst als sich meine Frau nicht mehr um mich gekümmert hat, mich völlig ignoriert hat, konnte ich zur Einsicht kommen und habe den Weg zur Abstinenz und einem nüchternen Leben beschritten.

    Ich weiß noch, dass ich damals aus der Beratungsstunde noch ratloser (und wütend auf den Berater) gegangen bin, als ich hingekommen war. Die Art der Beratung hat mir nicht gepasst. Zu "völligem Ignorieren" eines Menschen, mit dem ich in Bindung stehe, war und bin ich nicht in der Lage. Es soll ja Eltern geben, die, wenn ihre Kinder etwas angestellt haben, mit den Kindern Stunden oder gar Tage absichtlich kein einziges Wort reden. Oder eben Partner, die es im Umgang miteinander auch so halten, bis der so Bestrafte reumütig "angekrochen" kommt. Für mich ist das destruktive Psychofolter. So hatte ich den Rat damals verstanden.

    Ein anderes Mal hatte ich mit den Kindern, damals noch im Grundschulalter, ein ganz wunderbar gestaltetes Wochenendseminar besucht. Für die Kinder gab es ein extra kindgerechtes Programm zum Thema Alkoholkrankheit. Wir Erwachsenen hatten unsere Gesprächskreise einschließlich Schilderung der persönlichen Lage und durchlebten Dramen im Zusammenleben mit alkoholkranken Angehörigen. Meine Bewertung unserer häuslichen Situation war daraus aber im Vergleich zu allen anderen Teilnehmern: "Uns geht es ja noch Gold!" :-O.

    So blieb ich weiter auf der highway to hell....

    Das klingt ja gruselig.

    Aber wenn das ganze letztendlich zum Tod geführt hat,dann hat er ja schon ordentlich getrunken oder?!

    Liebe Lotta,

    ja, es war zum Schluss gruselig. Mein Mann hat auch weiter gearbeitet, sogar einige Jahre im Schichtdienst als Fahrer. Bevor es zu brenzlig wurde, hat er dann für gesorgt, dass sein damaliger Zeitvertrag nicht verlängert wurde. Die letzten ca. 2,5 Jahre vor seinem Tod konnte er dann gar nichts mehr. Das letzte, was er davor noch gemacht hatte, war ein kleines Lädchen bzw. Kioskbetrieb (ausgerechnet!). Als der Kiosk dann eines Tages mal des Nächtens ausgeraubt wurde, hat er das als persönliche Kränkung empfunden (-er hatte die Wahrnehmung, dass er im Bezirk alle "wichtigen" Leute kennt, die ihm wohlgesonnen seien und sein Kiosk darum unter besonderem Schutz stehe-) und danach hat er nichts mehr gemacht.

    Seine Anfangslieblingsgetränke waren schon in jungen Jahren Spirituosen-Mixgetränke, weil eine schnelle berauschende Wirkung für ihn im Vordergrund stand - sich damit entspannt und unbeschwert fühlen zu können. Erst nur am Wochenende im gesellschaftlich akzeptierten Rahmen. Damit nahm das Unglück und auch die stetige Steigerung des Alkoholkonsums von einmal wöchentlich auf täglich permanent über den Tag verteilt seine Lauf, nur zeitweise unterbrochen durch mehrere Entgiftungen im Krankenhaus, einmal mit anschließender sechswöchiger ambulanten Therapie und einmal anschließend Reha-Maßnahme. Von anfänglichen Partyrauscherfahrungen im Jungerwachsenenalter bis zu seinem Tod hat es in seinem Fall dann noch 34 Jahre gedauert.

    Der körperliche Verfall ist traurig zu sehen und die psychische Veränderung und das dadurch geradezu irrwitzige Verhalten wahnsinnig anstrengend.

    Wenn Du, Lotta wegen deines m.E. ehrbaren Wunsches, dem Kind so lange wie möglich beide Elternteile zugänglich zu halten, bzgl. einer wirklichen Trennung von deinem Partner noch blockiert bist, kann ich das gut verstehen.

    Ich sehe nur die Gefahr, dass, je länger man in einer Beziehung zu einem alkoholabhängigen Partner bleibt, sich die persönlichen Grenzen zu eigenen Ungunsten verschieben und man darüber Antrieb, Energie, Geld, Jugend an etwas verliert, das man besser für sich (und das Kind) eingesetzt hätte.

    Ab wann wäre es denn wirklich unerträglich für Dich? Hängt es für Dich von der Trinkmenge ab? Jobverlust wegen Trinkerei? Erste Handgreiflichkeit gegen Dich oder Euer Kind im Suff?

    Liebe Lea,

    ich weiß es nicht. Mir fehlt ja der Vergleich.

    Außerdem hatte ich in mir, dass ich mich ja die ganze Zeit nicht auf einen "vernünftigen" Weg, auf eine andere Richtung begeben habe, dann "muss" ich den unvernünftigen eben auch ganz zu Ende durch gehen.

    Die Bilanz dabei ist, dass ich darüber mind. 20 Jahre länger in der Beziehung insgesamt gewesen bin, als vermutlich der Zeitpunkt für eine Trennung "vernünftig" gewesen wäre.

    Heute würde ich sagen, mir fehlte seinerzeit genug Selbstwert und stringentes "bei mir selbst bleiben" für eine zeitgerechte andere Richtung.

    Viele Grüße

    9Leben

    Liebe Lotta,

    genauso ist es. ich habe mich nicht getrennt und ihn auf seinem Sterbeweg begleitet.

    Als er zur Reha gegangen war und die auch anstatt vorzeitig abzubrechen planmäßig durchlaufen hat, hatte ich so große Hoffnung, dass das unsere erfolgreiche Kehrtwende wird. Erste Alarmzeichen waren danach aber wohl, dass er die Nachsorge-Sitzungen in der SHG vorzeitig beendet hat und sich nicht aktiv eine für ihn passende Arbeit gesucht hat. Letztlich hatte ich dann ca. fünf Monate nach Reha-Ende den Rückfall gerochen. Eine umgehende Rückkehr in das Hilfesystem wollte er partout nicht. Da war mir klar, worauf es hinauslaufen wird. Zu dem Zeitpunkt habe ich mir dann gesagt, nun brauchst du auch keinen Trennungsstress mehr anzuleiern, jetzt kannst du weiter abwarten - er hat seine Entscheidung im Umgang mit der Krankheit endgültig getroffen, das Ende ist absehbar.

    Er hat lediglich noch dreimal "trockengeschleudert" wie es ein Arzt mal salopp formuliert hatte, wenn man außer stationärer Alkoholentgiftung nichts weiter anschließend macht. Und das vierte Mal war dann das "Trockenschleudern" in den Tod. Akute Bauchspeicheldrüsenentzündung zu fortentwickelter Leberzirrhose Stadium C, Krampfanfall während des letzten stationären Krankenhausaufenthalts, dann noch 10 Tage auf der Intensivstation, bis der Tod durch multiples Organversagen eingetreten war.

    Dauer von Rückfall nach Reha-Ende bis zum Tod war ca. ein Jahr.

    Liebe Grüße

    9Leben

    Liebe Lotta,

    ich kann Dir nur wünschen, rechtzeitig genug die Stärke zum Absprung aufzubringen. Wann das rechtzeitig sein wird, entscheidest Du. Dein Partner pflegt offenbar beharrlich seine Krankheit. Wenn Du ihm dabei Gesellschaft leisten willst, mahnst, streitest, schimpfst, appellierst und hoffst, wird ihn die Erkrankung in den vorzeitigen Tod über schwere chronische Erkrankungen führen.

    Das mitzuerleben ist das Grauen, das man sich ersparen sollte.

    Sage ich, die die Stärke und den Mut zur Ungewissheit, was nach Trennung alles kommen kann, seinerzeit nicht hatte.

    Guten Morgen zusammen,

    vielen Dank für die schnelle Freischaltung :-).

    Ich habe mir hier die Info zu "co-Abhängigkeit" durchgelesen und finde mich in Teilen natürlich darin wieder, in Teilen aber auch nicht.

    Was mir auch immer schwer gefallen ist, ist die Definition von Zumutbarkeitsgrenzen und konsequentes Handeln danach. Egal bei wem und in welchem Zusammenhang, in Konfliktsituationen reflektiere ich immer auch die gegnerische Partei und versuche deren Motivation zu verstehen. Aber eben nicht mit dem vorrangigen Ziel, darauf taktisch meine Position besser behaupten bzw. durchzusetzen. Und oft komme ich dabei zu dem Schluss, dass ich mir dann sinngemäß sage, stell Dich nicht so an bzw. "einmal geht noch, aber das nächste Mal ist Schluss". Und das nächste Mal verschiebt sich dann und weiter und weiter.

    Eine Therapeutin hatte mir mal die Frage aufgegeben: "Wo sind eigentlich Ihre Grenzen?" Das geistert bis heute in meinem Kopf, weil ich lange keine für mich klare Antwort darauf gefunden habe. Klarer ist jedenfalls jetzt, dass ich kein zweites Mal in einer Beziehung mit Alkohol zu tun haben will. Lieber lebe ich für den Rest meines Lebens allein. Die Folge davon ist allerdings, dass ich bei Treffen mit guten Bekannten/Freunden quasi jedem die Alkoholgetränkegläser in den Mund zähle und bei jedem argwöhne, ob sich da schon Spuren eines Problems anzeigen.

    Und noch etwas zum Thema CO: Was hat man eigentlich in einem Familiensystem, wenn einem an der Aufrechterhaltung etwas liegt und solange die belastenden Anteile noch nicht überwiegen, für eine Wahl im Umgang mit dem alkoholbelasteten Familienmitglied, insbesondere, wenn es Elternteil ist?

    Ist es nicht Auswahl zwischen Pest und Cholera, also Weiterleben in gewisser Dysfunktionalität bezüglich gemeinsamer Kinder oder Auflösung der gewohnten Familienstruktur, was für die Kinder vielleicht letztlich auch nicht das berühmte Beste ist? Hat die Macht der Gewohnheit COs besonders gut im Griff? Wenn man nicht mit besonderen Resilienzfähigkeiten gesegnet ist, dann entwickelt man als Mit-Betroffener einer Alkoholerkrankung wahrscheinlich so oder so Therapiereife.....

    Hallo Petra,

    ich habe schon sehr früh mit den Kindern über die Alkoholkrankheit ihres Papas gesprochen. Er ziemlich spät, aber immerhin auch mit ihnen, zumindest während seiner Zeit in der Reha, als sie ihn dort auch mit mir gemeinsam besucht haben. Mein Mann hat uns immer zu vermitteln versucht, dass er ja "nur" sich schadet und von uns keinesfalls will, dass wir auch trinken. Dass seine Suchterkrankung uns als Familiensystem insgesamt betrifft, wollte er nicht sehen.

    Für unsere Jungs war die Krankheit, auch wenn wir offen darüber gesprochen haben, natürlich trotzdem eine enorme Belastung, auch wenn mein Mann in guten Momenten seinen Söhnen auch gesagt hat, dass er sie liebt und stolz auf sie ist. Nur wurden die guten Momente leider mehr und mehr durch unangenehme ersetzt.

    Wie von selbst verstand es sich z.B., dass sie ab Teenageralter ihre Freunde lieber nicht zu sich nach Hause eingeladen hatten. Ihr Vater/mein Mann hätte nichts dagegen gehabt; vor Gästen hat er sich- soweit es ihm je nach Zustand noch möglich war - in der Regel zuvorkommend und freundlich gezeigt. Gastfreundschaft war meinem Mann ein hoher Wert. Aber man wusste eben nicht, ob er noch in einem akzeptablen Gemütszustand war. Bei schlechter Laune - kennt hier wohl jeder - wurde aus dem Nichts Streit provoziert, mit Beleidigungen, Niedermachen und Beschimpfungen. Dabei braucht man nicht noch unfreiwilliges externes Publikum.

    Jetzt z.B. kommen die Freunde meiner Kinder zu uns wie selbstverständlich nach Hause.

    Ich bin auch sicher, dass das Zusammenleben mit einem suchtkranken Elternteil natürlich prägt. Daher hoffe ich sehr, dass die Prägung trotz allem konstruktiv ausfällt. Mantraartig habe ich beiden immer gesagt, das sie weder schuld am Zustand ihres Vaters noch für ihn verantwortlich sind, egal was er ihnen in seinen Suffphasen weiszumachen versucht, noch an seiner Krankheit etwas ändern können.

    Ergänzend hatten sie Therapiestunden bei Kinder-und Jugendpsychologen, und die Schulzeit ging bei einem in eine einjährige Verlängerung, bei dem anderen wäre es fast auch so gekommen. Jetzt sind sie wieder zielstrebig.

    Trotzdem hat jeder von uns auch mal Flascheninhalte in den Ausguss geschüttet vor lauter Wut und Frustration über die eigene Ohnmacht, auch wenn wir wussten, dass die Sucht dadurch nur ein Stückchen teurer wird.

    Liebe Grüße

    9Leben

    Was machen eigentlich Suchtbeauftragte? Rentable Agreements mit der Alkohollobby? Wenn ich politisch etwas zu sagen hätte, dann wäre Werbung jeglicher Art für Alkohol schon längst verboten, das Zeug nicht mehr in Supermärkten neben Lebensmitteln (!) erhältlich, sondern in Extra-Geschäften, zu denen man nur gegen Vorlage des Ausweises ab 21 Jahren Zutritt hätte, und das Jugendschutzgesetz wäre geändert auf Mindestalter 21 Jahre für erstmaligen Alkoholkonsum, egal ob Bier, Wein etc.

    So lange, bis es ein Umdenken in die Richtung gibt, dass gesellige Zusammenkünfte o h n e Alkohol der Standard sind und jeder, der Alkohol auf Partys trinken will, pikiert gefragt wird: "Was, warum denn das? Hast Du ein Suchtproblem?"

    Ok, es ist nur meine Vision ;)

    Hallo Petra,

    auch Dir danke für deine Anteilnahme. Das würde mich freuen, wenn es jemandem hilft. Ich persönlich finde Erfahrungsaustausch wertvoll. Einerseits ist es beruhigend, nicht allein zu sein, andererseits ist es interessant, wie individuell es innerhalb desselben Themas zugeht.

    Ich bewundere wirklich jeden Suchtkranken, der die Kehrtwende aus der Abwärtsspirale schafft.

    Auch Angehörigen, die auf ihre Weise versuchen, mit dem suchtkranken Familienmitglied einen konstruktiven Weg für welche tatsächliche Dauer auch immer zu finden, gilt mein Respekt.

    Rein rational kann man meiner Ansicht nach nur aus der Ferne entscheiden, nicht, wenn man mittendrin steckt.

    Liebe Grüße

    9Leben