Beiträge von Ettena

    Ich kenne das auch. Und ich bin bereits 48.

    Auch ich habe einen alkoholkranken Vater. Er war nie in der Lage, mir Sicherheit und Geborgenheit zu geben. Schlimmer noch. Ich hatte das Gefühl, er liebt mich nicht und ich sei Schuld daran.
    Und egal, was ich tat – es wurde nie anders. Ich habe kein Vertrauen erfahren. Weder in das meines Vaters – noch in mein Eigenes. Um das zu ertragen, redet man sich als Kind ein, das es so sein muss. Weil man da noch keine andere Wahl hat und abhängig ist und von ihm geliebt werden will.

    Nur diese Erfahrung kannte ich – bezogen auf meinen “ersten” Mann, meinen Vater, bevor ich erwachsen wurde.

    Wenn also nun ein Mann in mein Leben trat und einfach so meinte mich zu lieben, glaubte ich ihn das nicht wirklich. Ich konnte es auch nicht fühlen. Es schreckte mich eher ab. Es war mir fremd. Ich kannte schließlich nur die mit Liebesentzug verknüpfte Beziehung. Nur die, die mich NICHT wollte.

    Es war auch einfacher für mich, mich in einen Mann zu verlieben, der wie mein Vater gefühlsarm war oder mich ablehnte. Indirekt habe ich somit nachträglich den Kampf um die Liebe meines Vaters immer wieder auf genommen und gehofft – das gerade dieser Mann (anstelle meines Vaters) mich doch noch irgendwann liebt. Darum ging es immer. Diese Männer standen für ihn.

    Es ging soweit, das ich mich erniedrigen ließ, masochistische sexuelle Wünsche verspürte. Und letztendlich ihn sogar noch mehr liebte, wenn er mich psychisch quälte.
    Ich wollte das auch nicht. Doch wenn jemand einfach nur nett war, spürte ich gar nichts.

    Ich bin auch liebessüchtig. Liebe möchte/braucht jeder. Aber eben nur eine respektvolle Liebe tut einem gut.
    Die Sucht nach Erniedrigung aber nicht. Und wäre sie in einem gesunden Verhältnis – ohne sich zu vernachlässigen – würde man wohl kaum dabei von einer Sucht sprechen.

    Was kann ich Dir raten? Eine Selbsthilfegruppe, wo sich viele Menschen mit ähnlichen Problemen helfen und stärken. Und im weitesten Sinne als co-abhängig findest du auch hier den einen oder anderen Spiegel wieder.

    Aber als allererstes – auch wenn es noch so schwer ist: Sage NEIN zu jedem, der Dir nicht gut tut oder Dich will. Nur einmal – und Du wirst Dich schon stolzer und stärker fühlen.
    Denn mit so einem bist Du wirklich einsamer als allein. Allein brauchen wir jedoch nicht sein. Du weißt doch, wie es funktioniert: Je mehr man klammert, um so mehr erdrückt man Gefühle.
    Wenn Männe das bei Dir machen, ziehst Du Dich auch zurück.

    Liebe Grüße
    Ettena

    Ich danke Euch allen, ihr habt sehr gut beschrieben, was Kapitulation für uns bedeutet und es ist bei mir angekommen.

    Um meinen Ex geht es schon länger nicht mehr. Den "Kampf" habe ich vor einem halben Jahr abgeschlossen – ich habe kapituliert. Ihn seit dem nie wieder gesehen, nie wieder Kontakt gehabt, auch nie mehr versucht, Kontakt aufzunehmen. Sein Leben, seine Sucht – ich habe mich seitdem nicht mehr damit befasst.

    Was ich hier nie geschrieben habe – seit dem habe ich die meisten meiner Probleme angehen und bewältigen können, habe beruflich mehr Erfolg denn je. Disziplin, Konzept, Ordnung – etwas, was ich lernen musste, denn ich lebte meistens sehr chaotisch und verlor oft den Überblick. Ich muss immer noch aufpassen, denn ich lenke mich gerne ab von mir selbst und ertappe mich dabei, dass ich hier stundenlang im Forum verweile, lese und schreibe…

    Meine Freizeit – oder das "ich lebe" kam noch nie zu kurz. Im Gegenteil.
    Ich bin lieber ins Wellnessbad gefahren oder zum Tango gegangen oder überhaupt – alles, was mir Spaß macht, war wichtiger. Alles andere blieb liegen und machte mir Angst. Es gab sogar Phasen, da konnte ich nicht mal die Post öffnen oder Nachrichten schauen. Die kleinste Kleinigkeit an schlechter Nachricht und ich bekam Durchfall. Das war eine schreckliche Zeit. Das habe ich jetzt viel besser im Griff – weil ich es nicht mehr anwachsen lasse, bis es unüberwindlich scheint.

    Was ich nicht beeinflussen kann – auch da muss ich kapitulieren – sind meine Träume nachts, wenn ich schlafe. Ab und zu wache ich dann mitten in der Nacht schweißnass auf und setzte mich dann ein paar Minuten in die Küche und lenke mich ab, weil ich den Traum nicht weiter träumen möchte. In diesem Traum begegnet mir immer noch mein Ex, so leibhaftig und klagt mich an. Gegen solche Träume bin ich auch ohnmächtig und sie wirken oft nach und der nächste Tag ist dann erst einmal schwieriger.

    Ich befasse mich, auch wenn und gerade, weil ich noch hier bin – mit mir und Euch natürlich… und es stimmt, dass ich weniger analysieren sollte.
    Aber auch das hat eine Menge bewirkt und ohne Erklärungen hätte ich es nicht geschafft.
    Ich muss nur wissen, wann Schluss damit ist, also noch ein Maß dafür finden.

    Ganz liebe Grüße
    Ettena

    Vielleicht hätte ich den Thread eröffnen sollen, indem ich nur in ICH-Form berichte oder mehr die Wörter “es könnte so sein” nutze. Ich habe es zu allgemeingültig formuliert und ja selbst hier später geschrieben, dass eine Co-Abhängigkeit viel differenzierter auftritt und auch unterschiedliche Herleitungen hat. Es gibt viele Überschneidungen, auch in den Auswirkungen – aber nicht jeder hatte Rabeneltern oder ist in einer Suchtfamilie groß geworden. Wir haben sicherlich unsere Verhaltensmuster irgendwo gelernt – aber wo und wie – das weiß nur jeder von uns selbst – oder möchte es heraus finden…

    …in einer Verhaltens-Therapie, Therapiegruppe oder in anderer Form.
    Ob eine Analyse (habe ich hinter mir, drei Jahre) – dafür wäre es wohl besser, glaube ich, wenn man gerade in einem stabilen Gleichgewicht mit sich steht und nicht noch viele andere Probleme zu bewältigen hat.
    Aber welche Form der Therapie für einen das richtige ist, das kann auch nur ein Fachmann beurteilen.

    Hier kann man zumindest Anregungen und Tipps bekommen, wo man sich hinwenden kann.

    LG
    Ettena

    Ich möchte jetzt noch mal den Rat geben an alle, auch Dir, Papi, etwas vorsichtiger zu sein. Wir sind trotz einigem Wissen keine Psychologen!
    Und sprechen hier anonym und nicht von Angesicht zu Angesicht. Kennen unser Gegenüber nicht und können nicht abschätzen, wo sich dieser andere befindet.

    Alles, was wir an Ratschlägen weitergeben, kann Auswirkungen haben, die für den Betroffenen nicht gut sind. Damit müssen wir sehr vorsichtig umgehen – auch und gerade in unserer Formulierung.

    LG
    Ettena

    Hallo Weitsicht und alle zusammen,

    ja, auch ich habe mir Hilfe gesucht bei einer Therapeutin und in wohl dosierten Schritten verliere ich so nach und nach meine Ängste, Zweifel – und Strukturen, die mir nicht gut taten, lösen sich nach und nach auf. Aber in dem Tempo, wie es für mich gut ist.

    Ich kann auch nur empfehlen, sich fundierten fachmännischen Rat zu holen – es wir viel geschrieben und angeboten an Literatur darüber, leider auch viel Schund – und um zu unterscheiden, was für einen gut und hilfreich ist, das sollte man am besten mit einem Therapeuten besprechen, der sich mit unserem Krankheitsbild auskennt. Das ist der sicherste Weg.

    Denn noch mal: Co-abhängig bedeutet nicht, dass wir alle eine deckungsgleiche Symptomatik vorweisen – auch da kann sich die Krankheit differenziert entwickeln und muss evtl. auch unterschiedlich behandelt werden. Und das kann nur ein Arzt vom Fach beurteilen. Sonst können wir den Zustand, gerade bei Ängsten, evtl. verschlimmern und uns dadurch sogar in Gefahr bringen.

    LG
    Ettena

    Was mich auch interessiert ist: die Co-Abhängigkeit tritt ja, wir ihr sicher wisst, nicht immer nur in Verbindung mit einem Alkoholiker oder suchtkranken Menschen auf – aber vorzugsweise natürlich immer mit einem Menschen, dem wir helfen wollen.

    Dennoch habe ich gelesen: Co-abhängig können auch Singles werden/sein, die ein übertriebenes Maß an Anerkennung brauchen und ihr gesamtes Selbstwertgefühl von den Reaktionen ihrer Umwelt abhängig machen. Es tritt also auch nicht nur in einer Beziehung auf.

    Was wir COs alle gemeinsam haben: Unsere Erkrankung hat soziologische und kognitive Ursachen.

    Auch wenn oder falls wir ein Leben lang damit zu tun haben, so können wir dennoch umlernen, schließlich habe wir ja auch das bisherige Verhalten mal gelernt.

    Zitat von Papi


    Es gibt bei der Art und Weise an Problemlösungen heranzugehen verschiedene Mentalitäten. Die deutsche ist: Erst muß ich das Problem genau analysiert haben, bevor ich an die Lösung gehe. Die amerikanische: Ich muß das Problem garnicht kennen, um eine Lösung zu erarbeiten.

    Dazu: Wenn ich das Problem nicht kenne, muss ich auch keine Lösung suchen, weil ich kein Problem sehe. Du meintest aber wahrscheinlich "Ursache". Aber wie auch immer, diese Methodik halte ich für unzureichend. Schon alleine deswegen, weil es sich hier nicht um keine Erkältung handelt, sondern eine psychische Erkrankung, die viel zu individuell unterschiedlichste Herleitungen haben kann – und auch individuell behandelt werden sollte. Leider finde ich, dass außer dem 12-Schritte-System immer noch hierzulande zu wenig therapeutische Alternativen erforscht und auch angeboten werden.

    Gehe jetzt ins Bett…
    Euch eine gute Nacht.
    Bis morgen.

    LG
    Ettena

    Liebe Dagmar…

    ich muss gleich weg (Kundentermin) und ich sehe noch aus wie ein aufgeplatztes Sofakissen…

    Wenn ich wieder komme, möchte ich auf Dich und Deine Mail mehr eingehen und nicht so viel von mir erzählen…

    Bis später
    Ettena

    …aber auch ohne meinen Vater wäre ich irgendwann zu der Erkenntnis gekommen, innerlich spürte ich es eh schon lange.
    Es geht auch ohne – und ob das jetzt nun besser geht, vielleicht auch nicht – ich weiß es nicht. Es kam wie es kam.
    Nur lieben kann ich ihn auch nicht mehr, er ist mir fremd geworden und ich brauche ihn heute nicht mehr.
    Aber es hat es mir leichter gemacht, Zweifel aus meiner meiner Vergangenheit aufgelöst.

    Bis bald…
    Ettena

    Liebe Dagmar, lieber Spedi, vergissmeinnicht, Elocin, Käferchen u.s.w. …

    das Jetzt und Hier ist das wichtigste und wir müssen immer wieder schauen, nicht in alte Muster zu verfallen und uns nicht verlieren – alles komplett richtig – loslassen und kapitulieren und uns annehmen u.s.w..
    Das dieses das wichtigste ist, keine Frage. Und nach vorne schauen ist auch gut und richtig.

    Mir jedenfalls hat es auch geholfen, dass ich irgendwann entdeckte, wo und wie und warum ich mich so entwickelt habe.
    Noch während meiner Beziehung zu meinem Alki meldete sich plötzlich mein Vater nach 30 Jahren wieder. Anfänglich wollte ich keinen Kontakt, aber da er nicht locker ließ, nutzte ich irgendwann die Gelegenheit, noch mal hin zu schauen und konnte einiges aufarbeiten. Ich habe es immer vermutet, aber dann spürte ich es sehr schnell, dass mein damaliger Freund in seiner Ambivalenz meinem Vater sehr ähnlich war. Inzwischen ist mein Vater alt und konnte seine Fehler eingestehen und mich sogar loben und sagen, dass er stolz auf mich ist. Auch wenn sich das für mich noch fremd anfühlt, es hat etwas bewirkt.
    Nun – keine Wunder, dafür ist es zu spät – aber der lebenslange Glaube, dass ich Schuld war oder nicht gut genug, was meine Kindheit anbetrifft – das ist weg und somit konnte ich zumindest mit dieser Vergangenheit Frieden schließen.

    Diese “Absolution” habe ich natürlich nicht von all meinen Partnern bekommen, werde ich auch nie, darf ich auch nicht – es soll ja auch ohne möglich werden. Ich will mich ja nicht mehr davon abhängig machen.

    Aber zumindest weiß ich jetzt mit Sicherheit, dass meine Männer immer für meinen Vater standen und ich zeitlebens um diese Aufmerksamkeit buhlte. Das ist jetzt nicht mehr nötig. Dennoch ist mein Muster seit so vielen Jahren antrainiert, ich kenne ja kein anderes, das ich trotzdem noch gefährdet bin – aber ich erkenne es jetzt viel schneller und weil ich weiß, warum mich immer solch Männer anzogen.
    Das ist nur eine Vermutung – genau weiß ich es erst, wenn ich mich irgendwann wieder verliebe, ob ich immer noch die Sucht nach so viel Anerkennung spüre, gekoppelt mit meinem Helfersyndrom – oder mal alles etwas anders läuft…

    LG, Ettena

    Liebe Dagmar… und alle anderen…

    mir macht ein Satz meiner Therapeutin zu schaffen: “Manche trauern sogar ihr ganzes Leben einem Partner hinterher”.
    Diese Vorstellung macht mich fertig!

    Aber dagegen ankämpfen bringt ja nichts. Sondern so gut als möglich alles raus lassen an Gefühlen. Erst jetzt – ein halbes Jahr danach kann ich wirklich trauern und wieder weinen.
    Vorher habe ich mich mit Härte versucht zu konditionieren. Je zwanghafter ich es versuchte, mir gerecht zu werden, um so mehr bäumte sich mein inneres Kind dagegen auf. Aber ich merke auch, dass alleine das Kapitulieren auch nicht reicht.
    Ich bin halt auch noch nicht vollends angekommen in dem Stadium: Ich finde mich klasse und bin zufrieden mit mir.
    Ab und zu ist es da – aber dann rutscht es plötzlich ohne Grund wieder weg…

    …das heißt – nein – nicht ohne Grund: Immer, wenn ich wieder an seine Demütigungen denke.

    Diese sitzen wie ein Stempel auf meiner Haut und wie ein Stachel in meiner Seele und bohren und bohren weiter und ich hoffe, das ich es irgendwann weg bekomme. Das ist meine schwerste Arbeit!!

    Lieben Gruß zurück
    Ettena

    Ich konzentriere mich schon länger nicht mehr auf sein Leben – aber wahrscheinlich immer noch zu wenig auf meines. Und vielleicht geht es mir auch so, weil gerade kein Suchtmittel in greifbarer Nähe ist?
    Schon allein die Tatsache, dass ich lieber hier im Forum schreibe, als meine Steuererklärung zu machen – sozusagen flüchte… o Schitt!!! Ich weiß doch genau, wie ich ticke…
    Ich muss aufhören, mir Ersatz oder Flucht zu suchen…
    Das schwächt mich.

    Ich arbeite zu hause und bin deshalb oft 24h alleine. Manches mal ist das wie Einzelhaft. Ich bin dann immer froh, wenn ich unter Menschen komme. Aber geht nicht immer – wie gerade, wo ich so viel zu tun habe.

    Lg, Ettena

    Hi Dagmar,

    ich weiß auch nicht, was los ist mit mir. Ich habe heute das Gefühl, dass ich durch drehe und alle Informationen und Gedanken nicht mehr richtig sortieren kann. Ich habe seit ein paar Tagen zu viel gelesen und geschrieben und bin durch den Wind. Kennst Du das?

    Und dann immer das Gefühl, ich habe etwas falsch verstanden und liege auf dem "Holzweg".

    Vielleicht liegt es auch daran, dass ich zur Zeit in meiner Verhaltenstherapie bezgl. dieses Themas auch noch mal Informationen bekomme… und… jetzt alles sortieren muss… Aufgaben, Aufgeben, Aufmachen (Auflaufen?) u.s.w.

    …Und ich habe ihn noch nicht verdaut :cry:, obwohl es schon sechs Monate her ist und ich nie wieder Kontakt hatte… und ich endlich möchte, dass sein Bild aus meinem Kopf verschwindet…

    Danke.
    Ettena

    Ich bin hier im Forum sehr oft über das so genannte Zauberwort "Kapitulation" gestolpert. Laut Wikipedia heißt Kapitulation: Einseitige Unterwerfungserklärung, … keine Widerstand mehr leisten zu wollen.

    Sowohl den Alki wie auch uns COs soll angeblich die Kapitulation weiter bringen. Verstehe ich nicht. Ich soll mich meinem Schicksal ergeben? Hinnehmen, wie ich bin? Damit abfinden? Und dann? Was passiert dann?
    Ich bin dann glücklich und zufrieden, wenn alles so bleibt wie es ist?
    Kann doch nicht sein… ist bestimmt anders gemeint – oder doch nicht?

    Bitte um Erklärung und was das Ziel der Kapitulation sein soll.

    Liebe Grüße
    Ettena

    Lieber Spedi,

    mag sein, dass für Alkoholiker eine andere Herangehensweise und Therapieform besser ist. Da fehlen mir die Erfahrungen. Da kennst Du Dich besser aus und es würde mich freuen, mehr über Deine Therapie-Form zu erfahren.
    Ich kann nur als Co berichten. Und auch wenn wir uns in vielen Mustern und Verhaltensweisen ähnlich sind, so glaube ich, ist die stoffgebundene Sucht noch mal anders zu behandeln und zu bewältigen.

    Doch generell Teppich rüber und gut ist – weiß nicht, ob das förderlich ist, weder für Dich, noch für mich.
    Ich glaube aber eher, wir reden ein wenig aneinander vorbei. Weder schwarz noch weiß oder gar in Prozenten oder Promille lässt sich das Gestern vom Heute trennen. – Ein “Heute” gibt es nur, weil es auch ein “Gestern” gab. Und wenn ich darin keinen Unterschied sehe, dann ist heute gleich gestern. Und den Unterschied kann ich nur im Vergleich finden.
    Und um zu wissen, ob ich es heute besser mache, muss ich wissen, warum ich gestern anders machte.

    Außerdem hingen außer mir noch viele andere Beteiligte mit dran. Und die möchte ich nicht einfach ins Nirwana schicken, sondern kann aus heutiger Sicht auch mehr Verständnis für andere aufbringen, die auch unter MEINEM Verhalten litten. Ich will keine Scheuklappen tragen und nur in eine Richtung schauen und nur meinen Stiefel fahren, sondern TROTZ aller Selbsthilfe auch weiter offen, empathisch und kritikfähig bleiben gegenüber allen, die mich ein Stück auf meinem Weg begleitet haben und werden. Dazu gehört auch: Hinschauen, wo ich verletzt habe – nicht nur, wo ich verletzt wurde. Sonst trage ich zeitlebens die Maske “Opfer”, die mich blind macht für mich selbst und andere. Selbstreflektion geht nicht ohne 180-Grad-Umschau.

    Aber wie gesagt, ich glaube, dass erste Glas nie mehr anzurühren, bedarf mehr Konzentration auf das Jetzt –
    bei mir als Co lauert die Gefahr da, wo ich sie selbst erzeuge – aus mir heraus und in mir drin – da muss ich arbeiten.
    Den Alkohol selbst muss man nicht analysieren – der war gestern genauso hochprozentig wie heute – aber meine Partner (meine Sucht) waren nicht alle genau gleich und trotz allem bedienten sie mein Muster. Das zu unterscheiden und rechtzeitig zu erkennen, wer mir gut tut und wer nicht, ist noch mal schwieriger.
    Du weißt: Alkohol ist Alkohol. Mann ist jedoch nicht gleich Mann.

    Ich merke gerade, mir wir kalt und ich muss doch schon die Heizung anmachen…
    Ich gehe erst einmal in die Badewanne und wärme mich auf…

    Bis später…
    Ettena

    Liebe Leute,

    ich habe nicht damit gerechnet, welchen Verlauf mein Beitrag nimmt.
    Eigentlich habe ich damit gerechnet und gehofft, dass der/die eine oder andere zumindest Bezug auf meinen Text nimmt oder vielleicht auch eine andere Auffassung vertritt, was die Ursache für unser heutiges Verhalten sein könnte.

    Ist es jetzt so, dass es keiner von Euch wissen will oder seit ihr wirklich der Meinung, dass Veränderung möglich sei, ohne die Ursache zu kennen oder sich selbst zu analysieren? Alles hat doch eine Herleitung. Keiner wird doch abhängig geboren und muss sich seinem Schicksal ergeben. Und Kapitulation heißt für mich nicht damit abfinden, sondern auch “Aufgeben”.

    Und sind wir nicht auch hier, um aus unseren vergangenen Fehlern zu lernen und unsere Muster aufzubrechen?
    Ich glaube, ohne dabei auch die Vergangenheit zu betrachten, geht es nicht.
    Um vorwärts zu kommen, muss ich doch wissen, was “hinten” und was “vorne” ist.

    Bei allem, was ich tue, muss ich verstehen, warum ich es tue. Ohne Wissen kein Fortschritt.
    Ich sage das mit Gewissheit, ich habe eine Analyse hinter mir und meine jetzige Verhaltenstherapie baut darauf auf und gibt mir nun das “Werkzeug”, mein Wissen auch ins Gefühl zu bekommen und meine alten Verhaltensmuster Stück für Stück durch neue Erfahrungen verändern zu können. Das wäre definitiv vorher nicht möglich gewesen.
    Das wäre so ähnlich, als wenn man vom Kopf her weiß, was das Wort “Liebe” heißt, aber es nicht fühlen kann.

    Ja, es tut erst einmal weh, in die Vergangenheit zu schauen. Aber genau diese Gefühle hat das Kind in uns begraben wollen. Deswegen stehen wir ja nun da, wo wir stehen. Doch man kann kein Haus auf einem besetzten Grab aufbauen.

    Dieses Forum hat mir sehr geholfen, weil es Denkanstöße gibt – aber jeder Weg fängt nie in der Mitte an, sondern hat immer auch einen Anfang: Der Start. Und das genau ist meine Orientierung: So weit bin ich nun schon gegangen, soviel habe ich nun schon erreicht. Dahin möchte ich nicht mehr zurück – in diese Richtung will ich gehen – nach vorne.

    LG, Ettena

    Ich habe hier mal eine Sicht aus eigenen Erfahrungen und mit Hilfe von Erfahrungen einiger ebenso betroffenen Freundinnen zusammen gestellt
    und würde mich freuen über Gedanken anderer zu dem Thema…

    -------------------

    Der Umgang mit den eigenen Schuldgefühlen ist eines der schwierigsten Aufgaben eines Cos. Zum einen wird einem mehr Schuld eingeredet, als man hat, zum anderen fehlt einem noch der reale Blick auf sich selbst.

    Schließlich würden wir nicht so lange in einer unglücklichen Beziehung ausharren, wenn wir nicht immer angetrieben wären von dem Wunsch nach "Heile machen" oder dem Gefühl "Ich bin nicht gut genug" und "Ich muss kämpfen um mein Glück". Wenn wir es dann auch noch mit der Gattung "Alk" zu tun haben, sitzen wir in der Falle "Lebensaufgabe" – meist ohne Aussicht auf Erfolg.
    Doch diese Position ist uns vertraut, schließlich haben wir schon in unsere Kindheit die Ambivalenz des "Ich liebe Dich doch" zwar gehört, doch nicht gefühlt, weil das Verhalten unserer Eltern anderes aufzeigte.
    Also war Liebe immer gekoppelt mit Verlust und Ablehnung.

    Für unsere Kinderseele wäre es undenkbar gewesen, das Vertrauen und die Liebe der Eltern anzuzweifeln, denn wir waren abhängig von ihnen. So haben wir uns lange lieber eingeredet, dass diese nicht anders können oder wir Schuld daran sind, wie sie agieren.
    Genau dieses Muster nehmen wir mit in unsere Beziehungen und versuchen im übertragenen Sinne dort wieder gut zu machen, was uns bei unseren Eltern nicht möglich war – um endlich Erlösung und Liebe zu erfahren.

    Es ist also kein Wunder, dass uns gesunde Männer gar nicht erst anziehen.
    Denn ein solcher würde uns vielleicht von Anbeginn das Gefühl geben, dass er uns so mag, wie wir sind – und dann hätten wir ein Problem: Die Erkenntnis, dass unsere Eltern doch schlecht waren und uns vielleicht doch nicht geliebt haben – denn nun haben wir einen Vergleich. Und egal, wie alt wir sind – wir wünschen uns zeitlebens das Wort "Entschuldigung". Doch selten tritt das ein – und wenn doch, glauben wir es nicht mehr.

    Und nun? Nun beginnt die große Aufgabe, auch ohne auszukommen und uns zu befreien und selbst zu lieben. Dazu gehört auch, sich zu verabschieden von dem Wunsch nach der ewig helfenden Hand. Also heißt unsere Aufgabe: Aufgeben. Nicht sich, sondern den Wunsch nach dem "Übervater".
    Sich selbst komplett alleine zu organisieren und sich so anzunehmen, wie man ist. Mal ehrlich – eigentlich tun wir das doch schon die ganze Zeit – ja wir übernehmen sogar noch die Pflichten unseres alkoholkranken Partners.

    Wenn nicht der große Hunger nach Liebe wäre...
    Und die große Angst vor dem Alleine sein...
    Und der Wunsch, zu erfahren, dass man o.k. ist.

    Und wir wollen es genau von diesem kranken Menschen erfahren und hören, genau von diesem – ersatzweise für unsere Erzeuger, die auch versagt haben in Sachen Liebe und Fürsorge.

    Lg, Ettena

    Ich habe auch mal darüber nachgedacht, wann ich das letzte mal so richtig glücklich war –––– tja, immer wenn ich verliebt war und mich geliebt fühlte. An dieses Glücksgefühl kommt bisher nichts dran.

    Zufriedenheit kenne ich auch ohne Partner. Aber eben nur Zufriedenheit. Dafür Ruhe und Gelassenheit um so mehr. Denn ohne Partner bleibt der Fokus eben nur auf mich gerichtet und ich kann so sein, wie ich will.

    Aber glücklich ist etwas anderes. Ich wünsche mir natürlich auch einen Partner fürs Leben und hoffe, doch mal irgendwann eine gesunde Beziehung führen zu können.

    Ich weiß nicht ob auch die Menschen, die nicht zur Co-Abhängigkeit neigen, alleine wirklich lange glücklich sind. Ich glaube, es ist menschlich und sehr gesund, nicht allein leben zu wollen. Sonst würde ja auch etwas nicht stimmen.

    LG, Ettena

    Hallo liebe Dagmar,

    ich bin jetzt auch mal wieder da… nach einer längeren Aus-Zeit – und ich bin erstaunt, mal eine ganz andere Dagmar zu erleben.

    Vor einem halben Jahr hatte ich ein inneres Bild von Dir mit ledernem Schutz-Panzer, die mit Härte versucht, vieles untern Teppich zu ersticken als es zuzulassen. Damit meine ich, DEINE Gefühle, egal wie sie sind, das bist Du und das ist gut so und Du musst nicht immer kämpfen, Du DARFST sensibel und zart sein und trauern und schimpfen und weinen… und hast ein Recht auf Deine Wünsche. Ehrlich gesagt, habe ich jetzt zum ersten mal das Gefühl, dass Du Dich fühlst. Ist das nicht klasse?

    Es stimmt übrigens, das auch wir Co-Abhängige einen gestörten Narzissmus aufweisen – und mit allen Mitteln versuchen, geliebt zu werden und uns zum Schluss nur noch mit den Augen unseres Partners sehen und spüren, ihn aber auch manipulieren. Indem wir ihm das Bild seiner Traumfrau vorgaukeln – in Wahrheit aber ganz anders sind. Und dann fangen wir an, ihn zu hassen, weil wir uns verstellen müssen und verkannt fühlen und zahlen es ihm auf andere Weise zurück. Auch wir machen ihn dann klein – eine Spirale.

    Wir sind nicht nur hier, um anderen und zu beweisen, wie stark wir sind – sondern auch, weil wir hier alles, was uns bewegt und auch unsere Trauer, egal wie lange sie dauert, los werden können und uns so zeigen dürfen, wie wir sind. Das ist keine Schwäche – sondern der Anfang einer inneren Stärke, die weich und sensibel sein darf und sich gerade deshalb schützen will.

    Wir können stolz sein auf unsere Liebesfähigkeit, die irgendwann auch uns selbst erreicht.
    Und eines ist sicher: Wenn das der Fall ist, fallen wir für solche Männer gar nicht mehr in das Beuteraster und umgekehrt.
    Weil wir nicht mehr um jeden Preis geliebt werden müssen – sondern auch mit weniger Liebesbeweisen spüren, das es Liebe ist.

    Ganz liebe Grüße
    Ettena