...und nun fängt das Grübeln an

  • In meiner Vorstellung hatte ich kurz erwähnt das ich seit einigen Jahren unter Angst und Panikstörungen leide, wusste aber nicht das das Vorstellungsforum nicht für alle Besucher lesbar ist.
    Die erste Panikattacke war Jahre nach der Trennung zu meiner Mutter, so das ich nie einen Zusammenhang gesehen habe. Vielmehr habe ich meinem Vater vieles zugeschustert, weil er uns Kinder mit Worten ganz niedrig gehalten hat, und uns gar nichts zutraute. Mir wurde klar das ein Kind welches ständig zu hören bekommt….das kannst du nicht….so geht das nicht…. gib dir mehr Mühe…. usw. schließlich kaum Selbstbewusstsein entwickeln kann.
    Seit dieser Zeit habe ich sehr viel über mich und meine Jugend nachgedacht, habe erkannt das bei meiner Erziehung eigentlich gar kein selbstbewusster Mensch heraus kommen konnte, was ich bis zur ersten Panikattacke nach Außen verkörpert habe.

    Nachdem ich hier viele Lebensberichte gelesen habe, kommen mir aber nun echte Zweifel!

    Unter „Meine Mutter, ich kannte sie nicht wieder“ , habe ich so einiges erzählt. Beim Schreiben fiel mir nun auf, das ich in negativen aber auch positiven Erinnerungen keine Bilder meiner Mutter sehe. Da ist einfach nichts, dunkel… Mein Vater ist all gegenwärtig, aber nicht meine Mutter! Ich wusste zum Beispiel immer das meine Mutter uns Kinder sehr oft in Schutz genommen hat, schlechte Noten hat Vater selten gesehen, haben wir etwas angestellt, hat sie es ausgebügelt usw.
    Ganz viele Bilder Kreisen in meinen Kopf, so etwa ab meinem 6 Lebensjahr, ich erinnere mich an verschiedene Personen (Oma, Opa, Nachbarn, Freunde d. Eltern, Feierlichkeiten und vieles mehr), doch nie ist ein Bild meiner Mutter dabei. Überhaupt fällt mir auf, das wir Kinder damals eigentlich nebenher gelaufen sind, will heißen, das auch die Kinder der anderen Familien immer „nur“ dabei waren, aber wir schon gemerkt haben das wir stören. Wir Kinder wurden oft von manchen Dingen ausgeschlossen, wie zum Beispiel wenn die Erwachsenen auswärts essen gingen, wurden wir alle mit einem Butterbrot Zuhause gelassen. Zwar durften wir dann lange auf bleiben, durften länger auf dem Hof spielen, aber viel lieber wären wir auch mal mit gekommen. Ich weiß auch noch das mir meine Freunde immer leid taten, fand vieles ungerecht und gemein, weil ich und meine Schwester hatten es ja viel besser!
    Aber hatten wir es besser???
    Wir wurden ständig alleine gelassen, waren sogenannte Schlüsselkinder, wurden viel im Haushalt eingespannt. Sicherlich war das nötig, da unsere Eltern schließlich Geld verdienen mussten, doch irgendwie sehe ich in den Erinnerungen nur meinen Vater. Das soll auch gar kein Vorwurf an meine Eltern sein, denn die Zeiten haben sich geändert.
    Ich erinnere mich auch an Situationen, wo ich als Kind instinktiv wusste, das es nicht in Ordnung war das ständig ein „guter Freund“ bei uns war. Ich mochte ihn nicht, ging ihm aus dem Weg. Jahre später war er das Verhältnis meiner Mutter, ob damals schon, weiß ich nicht. Ist aber eigentlich auch egal, dennoch fehlen mir in den Erinnerungen Bilder meiner Mutter.
    Ehrlich, ich habe so mit etwa 15 Jahren immer gesagt das meine Mutter wie eine Freundin ist, nicht so mütterlich wie es meine Freunde und Freundinnen Zuhause hatten. Meine Mutter ging mit meiner Clique auf Popkonzerte, wir gingen zusammen in die Stammkneipe, doch heute empfinde ich es als Missbrauch an meiner Person. Denn ich war quasi das Alibi für manche Seitensprünge, die ich total spannend fand, zumal sie mich ja eingeweiht hat in ihre Intimsphäre.
    Ich kam mir so erwachsen vor!!!
    Nun frage ich mich, ob es sein könnte das sie schon viel früher mit den Tabletten oder Alkohol angefangen hat, nur das wir Kinder es entweder nicht gemerkt haben, oder erfolgreich verdrängt haben. Sollte sie tatsächlich schon früher in einer Art und Weise anhängig gewesen sein, dann könnte ich mir auch heute manche meiner Verhaltensweisen erklären.
    Och menno, ich fahre gerade Achterbahn. Bekomme gegenüber meinem Vater ein schlechtes Gewissen...
    Bekomme aber auch ein befreiendes Gefühl, irgendwie..., ich weiß noch nicht so genau...*grübel*
    Ich werde das geschriebene jetzt mal wirken lassen, mal sehen was ich für mich daraus ziehen kann. Über anregungen würde ich mich freuen.
    Ganz lieben Dank, einfach so für´s lesen...
    Liebe Grüße
    Söckchen

    „Geliebt zu werden kann eine Strafe sein. Nicht wissen, ob man geliebt wird, ist Folter.“

    Robert Lembke

  • Nun habe ich 2 Tage über meine Gedanken nachgedacht, immer wieder meine eigenen Zeilen gelesen. Irgendwie tun mir die Zeilen leid, und irgendwie auch wieder nicht. Klar ist für mich, das ich natürlich nicht alle Schuld und Last auf meine Mutter abwälzen kann. Schließlich hatte ich Zeit genug um erwachsen zu werden, und mich so zu entwickeln das ich im Leben bestehen kann.
    Allerdings ist es für mich ganz wichtig das ich nicht annähernd in die Lage meiner Mutter komme, also ich meine das mein Kind mich nicht wenig bis garnicht in Erinnerung haben soll, wenn er später mal über seine Kindertage zurück denkt.
    Ich habe sehr viel Leid gelesen, Leid auf jeder Seite, und ich komme zu dem Schluß, das die Kinder das größere Leid ertragen müssen. Auf Ewig, ihr ganzes Leben! Für mich vergleichbar mit Kriminalitätsofern, in jeglicher Hinsicht.
    Es ist schwer für mich das zu formulieren, ich hoffe das das jemand versteht. Aber ich merke, das es mir gut tut darüber zu schreiben, auch wenn es manchmal weh tut.
    In diesem Sinne
    Söckchen

    „Geliebt zu werden kann eine Strafe sein. Nicht wissen, ob man geliebt wird, ist Folter.“

    Robert Lembke

  • hallo söckchen

    ich finde nicht, das es darum geht, irgendjemanden die schuld zuweisen zu können sondern darum, über das was mich beschäftigt zu sprechen bzw. zu schreiben. damit seh ich manches klarer, finde anregungen aus den antworten von anderen und weiß warum ich so handle und kann gezielt dagegen angehn. was nützt es das ganze drumherum zu behandeln, aber den kern oder ich sage mal die wurzel dabei außer acht zu lassen?

    ich glaube dir, das du damals stolz darauf warst das deine mutter dich in alles eingeweiht hat und dich somit wie eine erwachsene behandelt hat, letztendlich ist das aber seelischer mißbrauch. hört sich etz hart an, ich weiß, aber ich wüßte nicht wie ich es anders ausdrücken soll, außerdem halte ich nix davon etwas zu beschönigen - das hilft keinem weiter!

    ich bezweifle das du irgendwann herausfinden wirst, ob deine mutter scho früher abhängig war oder erst eben seitdem du meinst es zu wissen.
    lange hab ich auch herauszufinden versucht warum meine mutter trinkt, gespräche mit ihr und ihren eltern geführt, von allen seiten natürlich was anderes gehört und ich war zwischen den stühlen gehockt - jeder wollte natürlich, das ich ihm glaube. kräftezerrend ohne ende war das ganze, ich laß mich da nicht mehr mit hineinziehn. wissen tu ich es bis heute nicht, denken kann ich es mir zwar, aber nützen tut mir das auch nix. egal was war, ich finde nicht das es eine entschuldigung dafür ist!

    Zitat

    Ich habe sehr viel Leid gelesen, Leid auf jeder Seite, und ich komme zu dem Schluß, das die Kinder das größere Leid ertragen müssen.


    da stimme ich dir zu, wir sind lange zeit von unseren eltern abhängig, in der kindheit lernt man das meiste für das weitere leben, wenn wir da scho falsches vorgelebt bekommen, zieht sich das durch unser ganzes leben. es ist ein langer weg, sich und unsere "macken" zu ändern, aber ich glaube es ist möglich, auch wenn es mit sehr viel arbeit verbunden ist. aber es lohnt sich!

    liebe grüße

Unserer Selbsthilfegruppe beitreten!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!