Bin ich noch zu retten?

  • Mir geht es richtig mies!!

    Vor zwei Monaten habe ich mit meinem Freund Schluss gemacht, weil er sich mal wieder für Tage nicht gemeldet hatte.
    Er reagierte einfach nicht auf meine Anrufe. Ob er an der Flasche hing, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass seine Kinder bei ihm waren, und in deren Gegenwart trinkt er nicht – ob heimlich nachts, wenn sie im Bett sind, das kann sehr gut sein.
    Aber ich rief tagsüber an, als er gerade am Kochen war (so seine Eltern, die im gleichen Haus wohnen).

    Mir war bewusst, das er das Ende forciert hat.
    Erst war ich erleichtert, weil das Hin und Her ein Ende hat und ich fühlte mich stark, dass ich diesen Schritt gegangen bin.
    Aber da er nie einen Grund dafür genannt hat, weder mit mir noch mal gesprochen, noch geschrieben hat, einfach nichts,
    Hat mich das verunsichert und ich bekam zunehmend Gewissensbisse, Entzugserscheinungen, Selbstvorwürfe. Die ganze Palette. Ich konnte es mir einfach nicht erklären. Was ist denn nur schief gelaufen? Was habe ich falsch gemacht? Wir hatten doch gerade einen schönen Urlaub zusammen.

    Tja – und gestern habe ich dann doch tatsächlich, obwohl ich das nicht mehr machen wollte, ihm eine kurze Mail geschickt mit der üblichen Warum- Frage und eigentlich nicht mehr mit einer Antwort gerechnet.

    Doch, sie kam, wenn auch zwei Monate verspätet. Kurz zusammen gefasst:
    Das Scheitern unserer Beziehung hätte in seinen Augen zwei Komponenten: Keinen gemeinsamen Erfolg, was die wirtschaftliche Seite angeht. Das ich ihn blockiere. Dass wir beide miteinander nicht in die Gänge kommen. Vielleicht läge es auch nur an ihm. Er weiß es aber nicht. Er kann jedenfalls auch anders und mit Schwung Dinge angehen.
    Außerdem hat ihn irgendeine Frau von damals (30 Jahre her) wieder gefunden und ihm ein lohnendes Projekt angeboten und dabei seien sie sich näher gekommen, zu nahe für unsere Beziehung und jetzt wüsste er, was bedingungslose Liebe sei und es täte ihm leid, er könne nun auch anders sein, so wie ich es mir immer gewünscht habe.…

    Nun gut. Er hat sich neu verliebt, ging wahrscheinlich schon länger fremd, weil ein “lohnendes” Projekt lockte oder was auch immer? – Schwupps. Und nun ist er so, wie ich es mir immer wünschte? – Nun geht es auf einmal, ganz plötzlich?
    Da musste ich doch erst einmal schlucken – Es hätte doch gereicht zu sagen, er täte ihm leid, weil… u.s.w..

    Was habe ich ihm nur getan, weil er mir das so schreiben muss!
    Will er mich nun zu guter letzt noch mal quälen? So nach dem Motto: Siehste, es geht doch! Aber nicht mit Dir!

    Ist es vielleicht, weil ich um seine Sucht wusste? Denn außer mir wusste zur Zeit keiner, das er wieder trinkt.
    Ich hatte in der Tat Angst, mit ihm zusammen zu ziehen oder beruflich ganz zu verschmelzen und ihm das auch mal gesagt, nur trocken. Das ist schon eine Weile her. So erpicht war er aber nie, diese Schritte wirklich nach und nach umzusetzen.

    Was machte die andere besser?
    Kann er mit ihr trinken, weil sie noch nicht weiß, dass er ein Alki ist? Das ist meine Vermutung.

    LG,
    Ettena

  • Liebe Ettena!

    Vielleicht bin ich in einer ähnlichen Situation wie Du: ich habe mich von meinem Mann getrennt, nachdem er den Konflikt "Alkohol oder Ehe" für sich so gelöst hat, dass er sich für den Alkohol entschieden und unsere Ehe gegen etwas neues eingetauscht hat, das ihn nicht am Trinken hindert. Und obwohl ich weiss, dass diese Trennung das einzig richtige war, bin ich schrecklich traurig darüber und stelle mir unsinnige Fragen.

    Und Du stellst Dir auch unsinnige Fragen! Was Du falsch gemacht hast? - Wieso sollst Du etwas falsch gemacht haben???!!!
    Ist es tatsächlich möglich, dass er mit der Neuen und ohne Dich jetzt so ist, wie Du ihn Dir immer gewünscht hast???!!! Wieso solltest Du ihm das glauben? Vielleicht behauptet er das bloss - um Dich dafür zu bestrafen, dass Du ihn verlassen hast? - oder um Dich wieder "anzulocken"? - oder einfach, um darüber hinwegzulügen, dass er immer noch so ist, wie er "zu Deiner Zeit" auch schon war, nämlich süchtig und nicht bereit, etwas dagegen zu unternehmen?

    Ich kann so gut verstehen, dass es Dir mies geht, aber ich hoffe, Du bekommst viele Antworten, die Dir gut tun - und die etwas schlaueres sagen können, als ich, ich wollte einfach reagieren, auch wenn ich nichts gescheites zu sagen habe. Und ich wünsche Dir alles alles Gute und dass Du Dich nicht von unsinnigen Fragen darin beirren lässt darin, an Dich zu denken und nicht an ihn!

    Liebe Grüsse,

    c.

  • Hallo Ettena,

    ich schreibe eigentlich bei den Alkis, aber da ich vor ein paar Jahren etwas Ähnliches erlebt habe will ich dir kurz schreiben. Mein Freund hatte (und hat immer noch) starke Minderwertigkeitsgefühle und Depressionen, die er durch wilde "Abenteuer" zu kurieren suchte. Er musste sich und anderen immer beweisen, dass er "wer ist". So reiste er wochenlang kreuz und quer durch die Republik und traf sich mit allerhand Leuten, die er übers Internet kennengelernt hatte.

    Wenn er hier zu Hause war, war er immer muffig, krätzig, schlecht gelaunt, ein falsches Wort von mir reichte um ihn auf die Palme zu bringen. Und irgendwann fiel von ihm auch der Satz: "Bei den anderen kann ich so sein, wie du mich gerne erleben möchtest. Irgendwas machst du wohl falsch." Das habe ich selbst schon gemerkt, wenn ich zugehört habe wenn er mit ihnen telefoniert hat - lustig, locker, charmant... Was mache ich falsch, habe ich gedacht? Bin ich so ein schlechter Mensch?

    Nun, das bin ich natürlich nicht, und du auch nicht! Irgendwann habe ich nämlich sehen können (nach langer Arbeit mit mir und an mir selbst), dass er für diese Leute schlicht und ergreifend eine Fassade aufgebaut hat - ohne es selbst zu merken. Diese Fassade konnte er nur eine bestimmte Zeit aufrecht erhalten, danach zerbrachen dann die so unglaublich "innigen Freundschaften". Da er diese innigen Super-Freundschaften unbedingt haben wollte (er brauchte sie schließlich, um sein Ego aufrecht zu erhalten, denn es dräuten ja die Minderwertigkeitsgefühle und Depris!) glaubte er sich selbst seine eigenen Selbstbetrug und dachte, bei diesen Freunden würde er ein besserer Mensch werden. Dem war natürlich nicht so, er hat sich schlicht verbogen und wurde letztendlich von jedem einzelnen dieser "Freunde" auf unsagbare Weise ausgenutzt.

    Letztendlich geht es jedoch nicht darum, deinen oder meinen Freund zu analysieren. Es geht für uns darum zu lernen wie wir damit umgehen, weil wir selbst das Wichtigste sind was es für uns auf der Welt gibt. Ich kann meinem Freund nicht helfen, solange er nicht bereit ist sich wegen seiner Minderwertigkeitsgefühle und Depris in Behandlung zu begeben. Er konnte mir auch nicht helfen solange ich noch nicht eingesehen hatte mit dem Alkohol ein Problem zu haben. Also müssen wir auf uns selbst schauen.

    Du bist nicht besser oder schlechter als die andere Frau, und du hast auch nichts falsch gemacht. Bleib bei dir.

    LG
    Plejaden

  • Servus Plejaden,

    finde ich super beschrieben und analysiert:

    Zitat

    ...Nun, das bin ich natürlich nicht, und du auch nicht! Irgendwann habe ich nämlich sehen können (nach langer Arbeit mit mir und an mir selbst), dass er für diese Leute schlicht und ergreifend eine Fassade aufgebaut hat - ohne es selbst zu merken. Diese Fassade konnte er nur eine bestimmte Zeit aufrecht erhalten, danach zerbrachen dann die so unglaublich "innigen Freundschaften". Da er diese innigen Super-Freundschaften unbedingt haben wollte (er brauchte sie schließlich, um sein Ego aufrecht zu erhalten, denn es dräuten ja die Minderwertigkeitsgefühle und Depris!) glaubte er sich selbst seine eigenen Selbstbetrug und dachte, bei diesen Freunden würde er ein besserer Mensch werden. Dem war natürlich nicht so, er hat sich schlicht verbogen und wurde letztendlich von jedem einzelnen dieser "Freunde" auf unsagbare Weise ausgenutzt...

    Das habe ich auch schon von einigen Alkoholikern gehört, die sich offen zu ihrem damaligen Verhalten geäußert haben.

    Ettena: siehst Du da keine Parallelen???


    LG
    Spedi

  • Liebe crevette, liebe Plejaden, lieber spedi…

    alle Eure Antworten, so fühle ich es auch innerlich, treffen es direkt auf den Punkt und sind sehr gut formuliert. Und eigentlich dachte ich immer, ich bin doch auch so schlau und intuitiv und weiß doch alles – und trotzdem erwischt es mich noch mal kalt … der Entzug von ihm. Schrecklich fühlt sich das an! Ich laufe völlig unruhig durch die Wohnung, Magenkrämpfe, Herzstiche und Angst.

    Und es ärgert mich wahnsinnig, dass ich innerlich noch nicht den Absprung geschafft habe, mir noch mal Luft verschaffen wollte und ihm noch mal meine Ansicht der Dinge als Antwort geschickt habe – obwohl schon lange Schluss ist.
    Es ging mir danach nicht besser! Weil ich mich wieder mit ihm befasse, obwohl ich mich zwinge, an anderes zu denken. Meine Güte – es klappt nicht. Verzweifelt suche ich nach einem “Ausschalter” an meinem Herz, damit der Verstand wieder “leuchtet”.

    Ich möchte diese Beziehung nicht mehr leben, kann ich auch nicht mehr, dass vorweg. Ich bin fast verrückt geworden im Hinblick auf seine zwei Gesichter, die beide gekonnt und glaubhaft unterschiedliche Meinungen und Gefühle vertraten.

    Dadurch, dass es eine Fernbeziehung war, wurde ein großer Teil unserer Beziehung am Telefon “gelebt” und “gestritten”, deshalb war es schwer für mich, diesen Mann im Wesen zu erfassen. Nur der Klang seiner Stimme und vor allem die Wortwahl ließen vermuten, wann er getrunken hatte und wo er sich emotional gerade befand. Doch ganz einschätzen, wie er tickt, fiel mir immer schwer.

    Hier in diesem Portal kann ich sehr viel mit meiner Intuition abgleichen, natürlich auch mit meinen persönlichen Erfahrungen. Und wenn ich hier nicht lesen könnte, was er nicht zu erklären vermag – dann wäre ich wahrscheinlich wirklich schon völlig durch gedreht und hätte an meinem Verstand gezweifelt. Habe ich zeitweilig schon. Ich glaubte wirklich, ich bin psychotisch und sehe weiße Mäuse, wo keine sind, da er mir immer wieder sehr gut formuliert und glaubhaft genau das Gegenteil von dem erzählte, was ich gerade anders wahr nehme. Nun, dass er wahrscheinlich auch selber an das glaubt, was er sagt – davon bin ich überzeugt.

    Und trotz allem, was ich weiß: Ab und zu macht meine Phantasie diesen Mann eben noch gesund. Und genau das ist gefährlich! Genau dann knicke ich ein. Ich muss also noch ganz viel und immer wieder und wieder lesen und mich austauschen – so lange, bis sich auch meine Träume verändern und der Realität näher kommen.

    Ich mache immer noch einen Entzug.
    Ich habe noch viel Arbeit vor mir – mehr als ich gedacht habe.
    Und sehne mich nach einem ganzen Tag, an dem ich mich wieder freuen kann… weil ich nicht mehr an ihn denke.

    Ganz liebe Grüße
    Ettena

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