Alles nur wegen Alk?

  • Hallo in die Runde,

    nachdem ich schon eine Menge im Vorstellungsbereich geschrieben hatte, hab ich hier rumgestöbert. Nachdem ich in Arteps thread gelesen habe, wird mir gruselig.

    Auch ich grübel, warum mein Freund mit mir Schluss gemacht hat, hab bisher alles auf mein Verhalten geschoben. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher.

    Wir kennen uns seit über einem Jahr. Solange ich meine Wohnung hatte, war er fast täglich bei mir. War fürsorglich, lieb und der klügste Mann, den ich je gesehen hab. Aber von Anfang an hatte ich extreme Verlustängste. Ich hab immer irgendwas gespürt, was ich nicht benennen konnte. Es gab äußerlich keine Anhaltspunkte dafür, dass er mich nicht liebt. Deshalb schob ich alles auf meine Angst vorm Alleinsein (hier sind wir bei meinem Problem).

    Er trinkt regelmäßig. Bier, Wein, zwischendurch immer wieder nen Cognac oder Schnaps. Jeden Montag (da war er nicht bei mir) hat er ordentlich getrunken. Ab und an nen Absturz (hat er mir erzählt).

    Vor 2 Monaten bin ich aufgrund einer Notlage zu ihm gezogen. Wir wollten uns bald zusammen ne große Wohnung suchen.
    Dann merkte ich, dass irgendwas nicht stimmt. Ich bohrte, fragte nach, ob er sich unwohl mit mir fühle. Er wollte nicht drüber reden.

    Und so kam es zu allabendlichen "Beziehungsgesprächen. Ich wurde immmer ängstlicher, klammrich.
    Schließlich machte er Schluss - er könne die Gespräche nicht mehr ertragen. Ich zog aus.

    Nun redeten wir eine Woche später nochmal. Er sagte, es wären gar nicht diese Gespräche oder meine Ängste gewesen. Ich wäre nicht klammrig, würd ihn nicht bedrängen. Nein, es würde eben nicht passen.
    Ich fänd seine Freunde ja doof (ein Alkoholiker, ein Junkie), und seine Art zu leben würd mir auch nicht passen. Ich würde ihm Schuldgefühle machen - er würde sich nicht gut fühlen, mal nen Schnaps zu trinken, wenn er weggging und ich zu hause blieb.

    Ich sagte, ich hätte doch noch nie gemeckert - da sagte er, das käme aber noch. Außerdem müsse er sich auch mal in seiner Küche betrinken dürfen. (ohne Witz, hat er gesagt).

    Ich könnte jetzt noch seitenweise schreiben. Was ich so gerne wissen möchte: Lässt er mich wirklich wegen des Alks stehen - obwohl ich seinen Konsum bisher überhaupt nicht groß kommentiert habe? Kann das wirklich sein?

    Danke fürs Lesen.

    Lucy

  • Hallo Lucy,

    im Leben eines nassen Alkoholikers wirst Du immer die Nummer zwei sein, dafür lässt er Dich schon stehen. Außerdem provoziert er Streit, um sich schuldig zu fühlen und wieder trinken zu können. Es ist ein Teufelskreis.


    Lieben Gruß Laurina :wink:

    Hinter jeder Sucht steht eine Sehnsucht, hinter jeder Sehnsucht steht eine Hoffnung.

  • Liebe Laurina,

    nein, Streit provoziert er nicht. Dazu kommt es eher, weil er dicht macht. Ich hab was auf dem Herzen, will mit ihm drüber reden, aber er zieht sich dann zurück und sagt, er würde nur darüber reden, wenn ER wolle. Das macht mich oft ganz verzweifelt. Dann dauert es manchmal 3 Tage bis er mit der Sprache rausrückt.

    Ich weiß auch immer noch nicht, ob er wirklich Alkoholiker ist, obwohl alle mich auslachen, wenn ich es anzweifel.

    Aber von Schuldgefühlen redet er andauert. Er hat Schuldgefühle, mich alleine abends in der Wohnung zu lassen (er geht dann 1, 2 Stunden in die Kneipe). Ich hab ihm gesagt, dass wäre Unfug, er würde doch sehen, dass ich entspannt schlafe, wenn er kommt. Glaubt er nicht.

    Als wir noch in meiner Wohnung waren, bekam er in regelmäßigen Abständen nen Rappel. Wir wären zu viel zusammen, deswegen würde er auch eine Wohnung nicht in den Griff kriegen (sieht ganz schlimm aus). Dann war er einen Tag weg, am nächsten Tag war er wieder der, der en ich. Aufgeräumt hat er aber nie, sondern in der Zeit getrunken.

    Er sagte auch mal, das ginge alles so nicht weiter. Immer, wenn er nicht bei mir wäre, würde er sich betrinken. Er sieht das Trinken als Symptom.

    Ein Mal hatten wir ganz großen Streit. An dem Abend hab ich ihn dann um ersten Mal sturzbetrunken gesehen. Er war peinlich und ziemlich fies. Als ich ihm am nächsten Tag sagte, dass er nicht besonders net gewesen wäre, hat er mit mir sChluss gemacht. Begründung: Muss ja schon schlimm mit uns sein, wenn ich schon gemein werde.

    Mich macht das verrückt. Einerseits sucht er ganz doll Nähe, dann plötzlich zieht er sich zurück. Ich fühl mich auch schon ganz schlecht, weil er es so darstellt als wäre ich diejenige, die die ständige Nähe einfordert. Ich weiß nicht mehr, wo mir der Kopf steht. Denn ich hab ja wirklich ziemlich heftige Macken und han angst, alles zerstört zu haben.
    In meiner Verzweiflung hab ioch mal vorgeschlagen, dass wir uns Sonntags überlegen, wann wir uns die Woche übersehen, die anderen Tage könne dann jeder für sich planen. Nur seine spontanen Absagen wolle ich eben nicht mehr.
    Den Vorschlag fand er doof, wäre ja wie Arbeit.

    Ich weiß nicht mehr weiter.

    Danke fürs Lesen.

    Lucy

    Lucy

  • Hallo Lucy,

    ich heiße Dich hier erstmal herzlich Willkommen :wink:

    Wenn ich Dich so lese, fällt mir nur auf, daß Du Dich für sein Verhalten schuldig fühlst.

    Zitat

    Mich macht das verrückt. Einerseits sucht er ganz doll Nähe, dann plötzlich zieht er sich zurück. Ich fühl mich auch schon ganz schlecht, weil er es so darstellt als wäre ich diejenige, die die ständige Nähe einfordert. Ich weiß nicht mehr, wo mir der Kopf steht. Denn ich hab ja wirklich ziemlich heftige Macken und han angst, alles zerstört zu haben.

    Dieses Spielchen, der Wunsch nach Nähe, aber sie nicht zulassen zu können, ist auch mir bekannt von meinem Expartner.

    Lucy, ein Alkoholiker wünscht sich die Nähe, ohne Zweifel, aber er ist auch wenig, wenn nicht ganz dazu nicht in der Lage, diese anzunehmen.
    Er trinkt ja meist, weil er keinen anderen Weg findet, mit sich und seinen Gefühlen klarzukommen...Sozusagen, ertränkt er diese Gefühle. Daher auch in Deinen Augen dieses Verrücktmachen, ein ewiges Hin und her. Und glaube mir, wenn er nichts, aber auch gar nichts gegen seine Krankheit tut, wird es so weitergehen.

    Du solltest Dir im Klaren sein, daß Du etwas für Dich ganz bewußtmachen solltest: Willst Du weiterhin dieses Hin und Her in Deiner Gefühlswelt, oder willst Du eine stabile, gesunde Beziehung führen?
    Wenn Du Stabilität möchtest, solltest Du Dir die Grundbausteine ansehen, sie verinnerlichen und an Dir arbeiten. Versuche nicht einen Mneschen verändern zu wollen. Ändere Dein Leben, zu Deinem Gunsten.

    Ich wünsche Dir viel Kraft, Deinen Weg hier zu finden. Lies viel und schau in Dich hinein, was Du brauchst und dafür tun möchtest.

    Lieben Gruß

    S.Käferchen [Blockierte Grafik: https://beispiel.rocks/beispiel.rocks…/tiere/k025.gif]

  • Hallo Käferchen,

    vielen Dank für Deine Antwort. Natürlich hast Du recht: Ich möchte dieses Hin und Her nicht. Diese Entscheidung hat er mir ja auch schon abgenommen.

    Es ist etwas anderes, was mich nicht in Ruhe lässt. Ich kann ihn nicht einfach abhaken nach dem Motto "Er ist eben Alkoholiker". Er ist ein guter Mensch. Sehr klug, sensibel, kein bisschen bösartig. Er war auch nicht gemein zu mir. Die Trennung hat auch nicht "nur" mit Alkohol zu tun. Da hat sich ganz viel vermischt. Zunächst mal hatten wir ein Beziehungsproblem, dessen Dynamik in Partnerschaften passieren kann: Der eine distanziert sich, der andere wird ängstlich und rückt ihm auf die Pelle. Das lässt den einen sich noch mehr distanzieren usw.

    Der Grund, warum er sich zunächst distanziert hat, ist vermutlich der Alkohol. Seine (vermeintliche) Sucht war vielleicht der Grund, dass ihm Angst und Bange wurde als ich bei ihm einzog.

    Aber: Ich wusste es doch. Eigentlich. Ich hatte alle Informationen,die ich brauchte. Trotzdem hab ich mich immer mehr auf ihn eingelassen. Obwohl ich aus einer Beziehung kam, in der Alkohol IMMER das Streithema war.

    Machen wir es kurz: Mein Problem ist meine Abhängigkeit. Und dahinter verbirgt sich ein ganzer Berg von Bedürftigkeit und vor allem Minderwertigkeitsgefühlen.

    Da hatte ich ihn endlich gefunden: Den Seelengefährten, der mir intellektuell 3 mal das Wasser reichen kann. Doch "zum Glück" hatte er ja so viele andere Lebensbaustellen, dass ich mich nicht klein fühlen musste.

    Ist doch verrückt: Und jetzt sitz ich hier, hab Liebeskummer und heule, wenn ich daran denke, wieviel Potential dieser begabte Mensch verschleudert.

    Und frage _mich_, wie ich diese widerliche Abhängigkeit, diese Angst vorm Alleinsein und diese fiesen Inderwertigkeitsgefühle los werde. Denn eins ist mal klar: Ändert sich mein "Zustand" nicht, renne ich ruckzuck in die nächste destruktive Beziehung. Schreckliches Gefühl.

    Danke fürs Lesen,
    Lucy

  • Ups, die Inder haben da nix verloren. Meinte natürlich Minderwertigkeitsgefühle.

  • Hallo LucyLucy,
    zwei Dinge fallen mir auf ín Deinem Thread:
    1. Mir scheint es , als ob er sich von dir getrennt hat, weil er weiß, dass er im grunde keine verantwortung für dich übernehmen kann und will. Er weiß sicher genau dass er dieses alkoholproblem hast und du irgendwann damit ein problem haben wirst . das will er wohl vermeiden, also einfach gesagt: In ruhe und freiheit weitersaufen können.

    2. Du solltest auch wenn ihr euch getrennt habt an deiner coabhängigkeit arbeiten, denn nur die trennung allein nütz nichts.

  • Hallo Paddy,

    danke für Deine Antwort. Ja, ich weiß, dass ich an dieser Abhängigkeit arbeiten muss. Ich würde sie nicht unbedingt co-abhängigkeit, eher Beziehungssucht. Aber wo ist da der Unterschied? Ich hab keine Ahnung, wie das funktionieren soll. Mein erster Schritt ist absolutes Männerverbot.

    Du sagst, er will einfah ruhe zum Weitersaufen. Puh, das klingt hart.
    Ich verstehe es einfach nicht. Ich grübel und grübel. Wie kann es sein, dass er plötzlich - von jetzt auf gleich -keine Gefühle mehr für mich hat? Binnen drei Wochen alles weg? Das geht mir nicht in den Kopf.

    Wir waren über ein Jahr lang fast täglich zusammen. In meiner Wohnung. Ich hab doch gespürt, dass er mich gern hatte (obwohl ich immer so ein komisches Gefühl hatte, dass ich mir nicht erklären konnte).
    Dann war ich eine Weile in seiner Wohnung. War auch ok. Natürlich gabs auch Stress, aber das war kein anderer als vorher. Dann kündige ich meine Wohnung. Und exakt von dem Zeitpunkt an, wo ich verdammt auf ihn angewiesen war, wurde er komisch. Distanziert sich. Ich merkte richtig, wie unwohl ihm wurde und sah auch, dass es in ihm "arbeitete". Auf Fragen gab er mir keine Antwort. Und dann: Meine Gefühle sind weg.

    Da stand ich da. Er bot an, ich könne trotzdem in der Wohnung bleiben. (Ganz kurz zu meiner Geschichte: Ich hab einen Stalker am Hals (seit einem Jahr, mein Ex). Deshalb bin ich übestürzt ausgezogen. Zu ihm. Es sollte vorübergehend sein. Im Februar wollten wir uns dann zusammen ne große Wohnung suchen.)

    Er wollte allen Ernstes abends neben mir im Bett liegen. Er hätte kein Problem damit. Hauptsache, wir hätten keine Beziehung mehr. Ich würde ihm nämlich Schuldgefühle machen. Dieses Ding mit den Schuldgefühlen versteh ich einfach nicht.

    Ich bin natürlich gegangen. Ich hab mich noch nie so gedemütigt gefühlt, wie von diesem Mann. Unattraktiv, klein, unsichtbar. In den letzten Wochen hatte er mich nur auflaufen lassen. Eiskalt, keine Umarmung, kein liebes Wort, nichts. Auf Gespräche reagierte er genervt.
    Das war jetzt vor drei oder vier Wochen.

    Letzten Sonntag haben wir uns gesehen und er betonte nochmal, er hätte keine Gefühle mehr. Aber wir sollten uns doch die Freundschaft wahren. Da hab ich ihm erzählt, dass ich was mit nem anderen gehabt hatt (ein alter Bekannter, der einfach im richtigen Moment da war. Hat aber weiter nichts zu bedeuten). Es kam einfach aus meinem Mund
    . Er reagierte - während er Wein Nr. 4 bestellte, wie ich es auch erwartet hätte. Überrascht, aber gelassen. Könne er nachvollziehen etc.

    Aber 2 Tage später bekam ich die gemeinste Mail, die ich je bekommen habe. Er ging absolut unter die Gürtellinie. Richtig bösartig. So hab ich ihn noch nie erlebt. Am nächsten Tag hab ich aus seiner Wohnung die letzten Sachen geholt. Jede Menge leere Weinflaschen standen darum. Er war weg.
    Dann hat er mich noch mal übelst mittels sms beschimpft.

    Entschuldige das Zutexten, aber es musste mal raus. Ich hör mal auf. Danke fürs Lesen.

    Lucy

  • Hi Lucy, so ein Hickhack - so ein Machtkampf - bringt doch nichts ausser noch mehr Verletzungen auf beiden Seiten. Da ist Distanz, das Herausgehen aus der Situation für den Moment das Beste.

    Er schreibt Mails und SMS - lies sie nicht. Fühlst Du Dich beleidigt oder bedroht, wechsle Tel.-Nummer und Mailadresse. Zu so einem Opfer-Täter-Spiel gehören immer zwei, Lucy. Einer, der agiert und einer der reagiert. Fehlt die Reaktion, läuft auch die Aktion ins Leere. Vielleicht mal da drüber nachdenken?

    LG Skybird

    Lebendige Grüsse
    skybird

  • Hallo Skybird,

    vielleicht habe ich mich missverständlich ausgedrückt: Ich fühle mich von ihm nicht belästigt, nicht bedroht und es findet ebenso kein Machtkampf steht. Es ist das Inhaltliche, dass ich mich erschüttert. Warum reagiert jemand, der mit mir durch ist, plötzlich so emotional und geht dabei noch dermaßen unter die Gürtellinie? D a s versteh ich nicht.

    Aber da ich seit einem Jahr von einem Stalker belästigt werde, kann ich Deine Frage dennoch mit "ja" beantworten. Ja, ich hab drüber nachgedacht und so leicht, wie Du denkst, ist Stalking nicht zu beenden. Ich habe Nummern geändert, aber er ruft weiter auf meiner Arbeit an (es heben immer Kollegen ab). Inzwischen bin ich umgezogen. Vorher stand er ständig vor meiner Tür. Immer und immer wieder. Ich habe nicht mit ihm geredet, sondern jedesmal die Polizei gerufen. Ich habe weder auf Geschenke vor der Haustür, noch auf Zettel am Auto reagiert.

    Trotzdem gibt er nicht auf. Ich wünsche niemandem die Angst, die ich seit einem Jahr habe. Aber das kann vermutlich niemand verstehen, der es nicht erlebt hat.

    Lucy

  • Liebe Amenda,

    danke für Deine Antwort.

    Ja, ich weiß, dass ich da noch sehr drinhänge und den Blick weg von ihm auf mich lenken muss. Ich weiß, ich weiß.
    Aber es lässt mich einfach nicht los, es funktioniert nicht. Es geht mir einfach nicht aus dem Kopf, was er geschrieben hat und ich möchte eine plausible Erklärung dafür.

    Mir wäre es am liebsten, jemand würde mir sagen, dass unter Alkoholeinfluss irgendetwas kurzfristig im Gehirn zu einer Art Kurzschluss kommen lässt, der sämtliche Moral- und Wertvorstelllungen kurzfristig (!) auschaltet - dass der Mensch aber nicht so _ist_!

    Er hat wirklich etwas sehr Schlimmes gesagt, etwas, was man niemals, niemals sagt, selbst wenn man extrem wütend ist. Weil es bedeutet, dass man eigentlich so denkt, so _ist_. Ich kann mich nicht so geirrt haben. Ich habe ein Jahr intensiv mit diesem Mann verbracht, ich denke, dass ich ihn ganz gut kenne.

    Aber ich werde diese Antwort nie bekommen. Das weiß ich eigentlich auch.
    Und natürlich mache ich eine Therapie.

    Liebe Grüße,
    Lucy

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