25 Jahre CO-Abhängigkeit sind genug!

  • Nein, Skybird, darüber mache ich mir keine Gedanken,
    zu dieser Entscheidung kann ich sehr gut stehen, auch wenn andere sie vielleicht nicht verstehen. Ist mir aber egal, was andere denken oder getan hätten, ist schließlich MEIN Leben.
    Nur bei unserem Jungen ist es mir nicht egal, muss einfach den richtigen Augenblick finden, es ihm zu sagen.

    Nein, was mich zum Nachdenken bringt, ist:
    Sie sprachen nur von der medizinischen Betreuung, was ist nun mit allen anderen "Rechten und Pflichten"?

    Aber keine Sorge, es belastet mich nicht.
    Ja, ich werde dort in der Klinik nochmal nachfassen.

  • Soweit ich dies verstanden habe, Maddison, kann die medizinische Betreuung nicht einfach alles andere ausklammern, sondern der sogenannte Betreuer nimmt auch die Rechte und Pflichten des Erkrankten wahr. Details wie gesagt im Betreuungsgesetz und sonst beim Vormundschaftsgericht oder auch Notar nachfragen. Ist mir noch eingefallen... :wink:

    Lebendige Grüsse
    skybird

  • Danke Dir, habe mit Deiner Hilfe schon gefunden, was ich suchte!
    Für Betreuungen gibt es verschiedene "Aufgabenbereiche", darum ging es mir.

  • Mein Wochenende war ruhig, habe mich über vieles zum Thema informiert, habe hier viel gelesen, gefaulenzt.

    Aber warum nur werde ich dieses Bild nicht los, wie mein Mann in diesem Bett liegt? Mit verschleiertem Blick und so gar nicht "mein" Mann.
    Dieses Bild ist schrecklich.

    Da ich heute ohnehin noch einmal mit dem Arzt über die Betreuung reden wollte, bin ich also wieder in die Klinik gefahren und habe wieder am Bett meines Mannes gestanden. Der Blick war klarer, aber er erkannte mich immer noch nicht.

    Ich spürte seine Aggression, die tief in ihm schlummert, und die mir Angst macht. "Will ich das?" fragte ich mich immer wieder selbst.

    Nein, ich habe keine sado-masochistische Ader (falls die Frage hier wieder aufkommt :wink: ), aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich diesen Anblick brauche, um selbst zu "heilen".

    Unmittelbar danach bin ich ins Büro gefahren.
    Ich war zuerst bei der Geschäftsleitung und dann bei meinem Vorgesetzten.
    Beides Männer.

    Es war für sie schockierend, und für mich befreiend, zumindest ein bißchen:
    war auch erst etwas unsicher, ob es richtig ist, aber ich hab` dann einfach ausgepackt.

    Wieder ein Schritt nach vorne!
    Kein Versteckspiel mehr!

    Dann zu meiner Ärztin, habe mir einen Antrag für eine Kur geholt
    "Seeeeehr gute Idee", meinte sie.
    "Ja, ich will zur Ruhe kommen, abnehmen, ein bisschen Sport treiben, weniger rauchen...."
    "Na typisch! Wie immer, alles auf einmal!" :?

    Ich gehe dieses Vorhaben nun an in der Hoffnung, diese Kur wird bewilligt.

    Noch ein Schritt!

  • Habe mich in dieser "freien" Woche ziemlich fallen lassen.
    Rumgelümmelt, viel geschlafen, hier gelesen....
    Konnte mich zu nichts anderem aufraffen.

    Mittwochabend rief besagter Freund wieder hier an,
    was denn nun los sei, er erreiche meinen Mann nicht.
    Er war ganz entsetzt, dass er immer noch auf Intensiv liegt.
    Dachte doch tatsächlich, er sei schon entlassen!

    Und ich solle meinen Mann doch nicht verstoßen, wo er doch so ein lieber Mensch sei.....

    Damit konnte ich erstaunlicherweise ganz gut umgehen.
    Auch wenn es wieder anfing, zu wurmen.


    Es fällt mir ungemein schwer, nicht in der Klinik anzurufen.
    Drei Tage habe ich durchgehalten, gestern habe ich mich nach dem Stand der Dinge erkundigt.

    Das Delirium scheint vorbei zu sein, die Sedierung reduziert, es kommen keine Aggressionen mehr, er ist ansprechbar und reagiert sogar.

    Und wie reagiere ICH?
    Erleichtert.
    Es fiel wie ein dicker Stein von meinem Herzen, und ich wäre am liebsten sofort aufgesprungen und hingefahren. OBWOHL ich weiß, dass es falsch ist. Ich saß hier und zitterte und musste mich regelrecht am Teppich festkrallen.
    Unser Sohn merkte das und sagte nur: "Hier geblieben!"

    Und dann begann es, in mir zu bohren.
    Es zerriss mich fast; längst vergessenes, verdrängtes, vergebenes war plötzlich wieder da; alte Bilder, schlimme Szenen....

    Es schmerzte so sehr.

    Und es machte mich unendlich müde.
    Habe mich abgelenkt mit einem Film und Handarbeiten.

    --------------------

    Heute morgen ging es mir besser.
    Vielleicht sollte ich alles aufschreiben? Und immer dann hervorholen, wenn die CO in mir mich umtreibt?

    Dann habe ich mich aufgerafft und bin schwimmen gegangen.
    Habe eine Stunde lang meine Bahnen gezogen und mich auf dem warmen Wasser treiben lassen.
    Und es tat so gut.

  • liebe maddison,

    es ist doch ganz verständlich das du dir um seinen zustand gedanken machst,das ist auch nichts falsches oder der gleichen.
    wenn wir versuchen einen neuen weg zu gehen weil die vernunft und der verstand uns dahin treiben sind ja damit unsere gefühle nicht abhanden gekommen,oder?
    ich mach mir um meinen ex auch sorgen und gedanken,ist ja nicht so das mir seine gesundheit egal wäre,ich hab halt nur begriffen das ich daran nichts ändern kann und nicht verantwortlich dafür bin.darum kann ich nicht mehr für ihn tun als für ihn zu beten.für mich ist der abstand wichtig weil ich weiss das es mir das herz zerreissen würde wenn es anders wäre,ich muss auch gesund werden und das kann auch niemand für mich tun.du weisst er ist gut aufgehoben in der klinik,wenn du nicht parat stehst,vielleicht wird er mal drüber nachdenken.

    alles liebe kathrin

  • Kathrin,
    einen lieben Dank an Dich für Dein posting.
    Ein bißchen "normal" bin ich also doch noch.
    Es hat mir gut getan.

    Immer und immer wieder lese ich hier.
    Und die Denkanstöße kommen, und es treibt mich um.

    Wenn ich MICH in den Vordergrund stelle, meine eigene Verantwortung für mein Verhalten und für mein Leben, dann bin ich plötzlich nicht mehr in der Opferrolle, ich bin nicht mehr die arme Maddison, die das alles ertragen musste, sondern ich trage selbst die Verantwortung dafür, dass ich es ertragen habe.
    Ich hätte schon vor 20 Jahren den Riegel vorschieben können.
    Hätte ich das?

    Nein, denn wenn Du nicht erkennst, wo Du falsch gepolt bist, kannst Du nichts ändern.

    Aber mein Alki-Partner erkennt es ebenso wenig.

    Sind wir beide Opfer?

    Nun, wie auch immer, ICH für mich habe erkannt, ICH bin kein Opfer (mehr).
    Zugegeben, ich habe furchtbares erlebt und ertragen (müssen?).
    Aber hätte ich früher NEIN gesagt, wäre es nie so weit gekommen.

    Ich erhebe mich also, trete heraus aus der Opferrolle und hinein in die Rolle der Frau, die eigenverantworlich dafür ist, dass sie dies an sich alles geschehen ließ. Es ist wie ein Wachwerden aus einer Passivität (Opfer), nun tue ich aktiv etwas für mich (Täter). Ich bin nicht mehr machtlos, sondern darf die Zügel in die Hand nehmen, für mich, für mein weiteres Leben.

    Es ist eine sehr schmerzhafte Erkenntnis.
    Denn man hört auf, die "Schuld" immer nur beim Partner zu suchen.
    ICH habe mein Teil mit meiner CO-Abhängigkeit dazu beigetragen, dass es soweit kommen konnte.

    Aber: Es ist auch befreiend, denn ich stehe den Geschehnissen nicht mehr machtlos (passiv) gegenüber, sondern ICH kann etwas tun, kann etwas ändern.

    Es bewegt vieles in mir.

    Ich weiß, mein Mann ist ansprechbar,
    ich weiß, was ich zukünftig will für mein Leben.
    Ich weiß, dass es an MIR liegt, dies zu realisieren.
    Ich muss ihm nicht irgendeine Schuld zuweisen, sondern ihm "einfach" nur mitteilen, welchen Weg ich für mich als richtig empfinde und fortan gehen werde. Ohne ihn.

    Also fahre ich in die Klinik.
    Wohlwissend, dass es vielleicht noch nicht der rechte Augenblick ist, dies so rüberzubringen, dass es auch richtig ankommt. Aber zuversichtlich.

    Am Eingang zur Intensivstation werde ich empfangen mit: "Wissen Sie schon, dass....?"
    Nun, so sehr es auch den Anschein hatte, dass es mit meinem Mann (medizinisch gesehen) bergauf geht, so hat es sich dennoch nicht bewahrheitet, denn heute morgen brach schlagartig seine Atmung zusammen und er musste wieder intubiert werden.

    Noch gestern morgen sah alles so gut aus, er unternahm sogar schon Versuche, sein Frühstück allein zu sich zu nehmen und zeigte sich den Ärzte und dem Pflegepersonal gegenüber kooperativ, keine Aggressionen mehr.
    Und heute....

    Und so sitze ich an seinem Bett, nachdenklich, ja, ich halte seine Hand, die sich so kalt und leblos anfühlt trotz des hohen Fiebers, es berührt mich sehr; aber merkwürdig: Ich habe trotzdem Abstand, kann es nicht erklären ......

  • Liebe Maddison

    Dein Post berührt mich sehr und ganz spontan kam mir der Satz:

    Was Du jetzt empfindest für ihn ist Mitgefühl - kein Mitleid mehr!

    Du hast Deinem Mitleiden ein Ende gesetzt, das schliesst das Mitfühlen nicht aus. Ein menschlicher Zug und ein co-abhängiger Zug weniger.

    Komisch, aber ich bin stolz auf Dich!

    Ganz liebe Grüsse und eine liebe Umarmung!
    Herzlich Skybird

    Lebendige Grüsse
    skybird

  • Ja, ja, jaaaaaaaaaaaaaaaa, Skybird,

    das genau ist es, was Dir so spontan in den Sinn kommt,

    wie schön, dass DU siehst, was ich nicht gesehen habe!

    Es ist Mitgefühl, nicht Mitleid!

    DAS ist ein Schlüssel für mich.

    Denn auch das hat mich immer wieder umgetrieben, bei allem Lesen hier,
    denn ich WILL doch mit meinen Menschen mitfühlen, ich WILL nicht hartherzig sein, ich will Mut machen dürfen, ohne immer diesen Hintergedanken haben zu müssen: Du bist falsch gepolt, das ist CO.

    Das hat mit meinem Mann und seiner Alkohohlsucht und meiner Beziehung zu ihm nichts zu tun, das betrifft jeden meiner Menschen in meinem gesamten sozialen Umfeld.

    Du ahnst nicht, wie sehr Du mir heute Abend Befreiuung geschenkt hast.
    (Wobei ich mich gleichzeitig frage, warum ich selbst es nicht erkannt habe, aber egal).

    Ich darf mit jedem Menschen mitfühlen, aber ich werde nicht mit ihm leiden.

    Von ganzem Herzen Danke dafür!

  • Ohhh, Skybird, das sind aber viele Fragen!
    Du bist ganz schön anspruchsvoll: GESTERN, HEUTE, MORGEN... ;-))

    Ich wollte gestern schon schreiben, hatte auch das Bedürfnis, war aber dann zu aufgewühlt, hatte ein 2-StundenTelefonat und war dann schließlich auch zu müde.
    Wie jetzt auch, ist ja auch schon spät.
    Ich danke Dir für Deine Nachfrage!
    Melde mich so bald als möglich wieder.

    Aber vorab: Es geht mir "durchwachsen", mal fett, mal mager.
    Der Kopf weß mittlerweile schon sehr genau, was gut und was schlecht ist, Herz und Bauch sind meist anderer Meinung.
    Ich trainiere aber momentan eher den Kopf, der muss überhand gewinnen!

    Morgen mehr!

  • Lasst mich bei vergangenem Sonntag beginnen:
    Ich war allein hier, mein Junge bei seiner Freundin.
    Habe aufgeräumt, unter anderem die Wäsche gemacht.....,
    waren Teile meines Mannes dabei.
    Er hat in meinem Schrank nur einen wirklich winzigen Platz für Schlafanzug, Unterwäsche, ein Paar Socken , ein T-Shirt....,
    wie man es eben einem Menschen einräumt, der zu Besuch ist.

    Aber selbst dieses winzige Eckchen in meinem Schrank erschien mir zuviel an diesem Sonntag, und so nahm ich mir einen Karton zur Hand...

    Räumte die paar Wäscheteile aus meinem Schrank weg in diesen Karton.
    Ich gestehe: Es tat weh, diesen, wenn auch sehr kleinen, aber doch leeren Raum zu sehen.
    Und fand in einer Ecke des Kleiderschrankes noch eine Jeans, und in der Wäsche die Kleidungsstücke, die er trug, als ich ihn fand; und an meiner Garderobe einen Anzug und ein Hemd, und und und.........
    Viel mehr, als ich je dachte, dass hier bei mir ist.........
    Der Karton reichte nicht, alles aufzunehmen, ich nahm eine große Plastiktüte hinzu, auch diese ist mittlerweile voll.

    Ich fand leider auch etliche Beweisstücke für seine Untreue, und diese waren nicht nur in Rückfall-, sondern auch in Trockenphasen. Das erstaunte mich sehr. Denn ich hatte diese Fehltritte, sofern ich davon erfuhr, immer damit entschuldigt, dass er, wenn er getrunken hatte, nicht „zurechnungsfähig“ ist. Natürlich litt ich darunter, aber in einer CO-Abhängigkeit gewöhnt man sich an Leid und Misshandlungen. Und irgendwann verliert man den Blick dafür, was „normal“ ist.

    Wieder eine schmerzliche Erkenntnis mehr auf meinem Weg nach vorn. Ich will wieder zurück in die „normale“ Welt. Ich will wieder erkennen, was gut und was schlecht ist.
    Und dieses Mal will ich konsequent sein und bleiben.

    Trotzdem denke ich: Ganz schön mies, sein Verhalten! Gleichzeitig aber: Wir leben doch getrennt! Was erwarte ich denn eigentlich?

    Und da wurde mir zum ersten Mal bewusst, dass wir zwar zwei Wohnungen haben, dass er auch tatsächlich allein lebt, ich aber gar nicht.
    Ich habe nie Gebrauch davon gemacht, dass ich die Schlüssel zu seiner Wohnung habe, ich würde nie auf die Idee kommen, dort einfach so reinzuspazieren.
    Er macht das sehr wohl.
    Er hat die Schlüssel zu meiner Wohnung und kommt und geht, wann es ihm beliebt. ER ist frei in seiner Welt, ich aber nicht in meiner. Das ergab sich einfach so mit der Zeit.
    Und ich, die ich von CO-Abhängigkeit und deren Kriterien keinen blassen Schimmer hatte, wurde immer dann wieder rückfällig, wenn es darum ging, ihn seelisch und moralisch oder auch mit Geld oder Nahrung zu unterstützen. Für Spaß und S.. mit ihm waren andere zuständig.

    Es tat weh, brachte mich aber auch wieder einen Schritt nach vorn.
    Und darauf kommt es an.

    Ich sitze hier in meiner Opferrolle, bemitleide mich selbst und lecke meine Wunden.
    Dieses schwarze Loch wird immer größer und dunkler.
    Ich werde antriebslos, lustlos, müde....

    25 Jahre mache ich das nun schon mit!
    „Klacks“, macht es in meinem Kopf: „....mache ICH das mit....“
    Ich habe es zugelassen, zu Beginn habe ich mich noch gewehrt, wie meine mehrfach eingereichten Scheidungen bezeugen, aber in den letzten 15 Jahren erduldete ich es nur noch. MEINE eigene Entscheidung!

    Einerseits eine schreckliche Erkenntnis, andererseits ein Lichtblick.
    Wenn es doch an MIR liegt, dann liegt es auch an MIR, dort wieder raus zu kommen!

    Am Montag habe ich mich wieder aufgerafft, zur Arbeit zu gehen, obwohl es mich eine unendliche Überwindung gekostet hat.
    Ich betrete mein Büro, das ich mir mit drei weiteren Personen teile und sehe die Gesichter:
    Freude!
    Die Begrüßung: "Oh, ist das schön, dass Du wieder da bist, es haben so viele hier nach Dir gefragt, jeden Tag kamen die Kollegen hier ins Büro, um zu schauen, ob du wieder da bist! Herzlich willkommen zurück!"

    Ich muss ehrlich sagen, mich hat das überwältigt.
    Ich stand da und habe geweint.

    Und ganz egal, wem ich an diesem oder auch am Folgetag begegnete, die Kollegen haben mich wahrgenommen und strahlten, als sie mich sahen. Der eine kommt und breitet seine Arme aus und drückt mich; mein Vorgesetzter kommt rein und schaut forschend in mein Gesicht, ob es mir gut geht (er fragte nicht, denn er sah mir wohl an, wie es mir geht); eine Kollegin nahm mich in den Arm und ging mit mir "eine rauchen", obwohl sie Nichtraucher ist, sie wollte mir mit ihrer Gesellschaft einfach gut tun; die andere nahm mich wortlos in den Arm und schenkte mir ein gutes Buch; und so ging es weiter.

    So etwas macht reich!
    Ich bin keine arme Socke in einem tiefen schwarzen Loch!
    Ich habe Freunde, ich habe einen guten Arbeitsplatz, ich habe wunderbare Kollegen.
    Und damit alle Chancen auf dem Weg raus aus meiner Situation.

    Am Montag hatte ich einen schweren Gang auf dem Programm.
    Ich musste eine meiner Katzen einschläfern lassen, die mich 12 Jahre auf meinem Lebensweg begleitet hat.
    So saß ich am Abend zuhause und weinte um sie.
    Mein Mann mochte sie auch sehr.
    Und so begannen die Gedanken wieder um ihn zu kreisen. Er liegt dort und weiß es nicht, und es wird ihm weh tun, wenn er es erfährt..., wird es je wieder wahrnehmen können?
    „Zum Donnerwetter“, sagte eine Stimme in mir. „Du sitzt hier alleine mit Deiner Trauer, keiner da, der Dich mal in den Arm nimmt, niemand zum Anschmiegen, aber bedauerst Deinen Mann!“

    Boah, es ist wirklich schwer, umzudenken, aber ich habe zumindest jetzt die Chancen, früher hätte ich es ja nicht einmal gemerkt, wie falsch ich liege.

    Gestern habe ich meine Unterlagen für meinen Kampf gegen die Unterhaltspflicht zu meiner Anwältin gebracht. JA, ich nehme den Kampf auf! Nicht gegen ihn, sondern FÜR MICH und FÜR MEIN LEBEN!

    Ich erzählte ihr in einem kurzen Abriss etwas über CO-Abhängigkeit.
    Und auch ein wenig über den Zustand meines Mannes und darüber, dass sich keines seiner Geschwister auch nur einmal nach ihm erkundigt hat, obwohl ich sie auf dem laufenden halte.
    Sie sagt: „Nehmen Sie es mir nicht übel, aber Sie kümmern sich ja schon wieder!“

    Ich erschrecke darüber, denn sie hat Recht!

    Und so erkenne ich, dass je mehr meine direkte Umwelt (und damit meine ich jetzt nicht Hinz und Kunz, sondern Menschen, die mir wohl gesonnen sind) über mich und meine Krankheit weiß, je mehr Hilfestellung bekomme ich im Alltag, um aus diesem Strudel heraus zu kommen.

    Ja, das war es, was ich in den letzten Tag erlebt habe.
    Vieles tut sehr weh.
    Die Situation kostet mich immer noch alle meine Kraft, ich merke auch, dass ich im Augenblick überhaupt nicht belastbar bin und mich auch nur sehr schwer konzentrieren kann.

    Morgen ist wieder mein persönlicher Therapietermin.
    Es geht weiter.

  • liebe maddison.

    ich entnehme deinen worten ganz viel erkenntnis.
    es ist gut das du alles sehr reel betrachten kannst,so wirst du auch voran kommen.
    da wos weh tut gibt es auch eine chance auf heilung.
    ich drück dich mal ganz lieb.ganz viel kraft wünscht kathrin

  • Ich hatte gestern meine Therapiesitzung.

    Da sprachen wir darüber, was wäre wenn mein Mann wieder zu klarem Bewusstsein kommt, ich schob es weg, weil für mich spekulativ, und wenn doch, dann noch sooooo weit weg; und dann fahre ich in die Klinik und mein Mann begrüßt mich mit den üblichen Worten: „Hallo Frau!“
    Er ist ansprechbar, wach, wenn auch noch sehr schwach; die sedierenden Medikamente wurden gänzlich abgesetzt, laut Auskunft des Pflegepersonales sind nur noch leichte Nachwirkungen davon zu spüren.

    Man kann ihn kaum verstehen, er spricht sehr undeutlich und leise und ist durch die Intubation heiser.

    Sehr interessant war für mich der Eindruck, dass er jedoch, wenn er verstanden werden WILL, so deutlich sprechen kann, dass man ihn versteht.

    Es kamen Fragen von meinem Mann, deren Sinn ich gar nicht so recht verstand, z.B. seine erste Frage: „Was ist mit Deinen Haaren?“

    In der Folge unseres „Gespräches“ (man kann es nicht wirklich ein Gespräch nennen, es waren eher Fragen von ihm, die ich zu beantworten versuchte) hatte ich den Eindruck, dass er sich zwar erinnert, aber nur an Dinge aus einer sehr vergangenen Zeit.
    Ich glaube, mein Mann befand sich geistig im Jahr 19XX.
    Denn auch seine Fragen waren eindeutig dieser Zeit zuzuordnen.
    Deshalb verstand ich auch erst später die Frage nach meinem Haar (es war damals noch dunkel und nicht grau, wie heute).

    Es sieht so aus, als habe er eine Amnesie, zumindest partiell.

    Und so habe ich mich natürlich hingesetzt an meinen PC und habe gegoogelt.
    Und stieß auf das Korsakow-Syndrom, welches genau diese Symptome widerspiegelt, die ich an meinem Mann erkenne.

    Natürlich stellt sich mir nun die Frage, wie es weiter geht, sollte dies wirklich so sein.
    Wie es mit ihm weiter geht, ahne ich, aber was ist mit mir?
    Wie weit tangiert mich das noch?


    Warum besuche ich meinen Mann eigentlich?

    Ich glaube, im Vordergrund steht die Neugierde. Ich will wissen, was Sache ist, und dann erschließt sich für mich der Weg, wie es weiter gehen kann.

    Ich gestehe, ich möchte retten, was zu retten ist; und damit meine ich Materielles. Ich habe durch mein 25-Jahre-Stillhalten finanziell soviel verloren, dass ich das, was mir nun noch geblieben ist, nicht auch noch riskieren möchte.


    Meine Gefühle? Ich versuche, seit Wochen, sie im Zaum zu halten.
    Natürlich ist es mitleiderregend, ihn weinend dort im Bett liegen zu sehen, aber ich war dennoch erstaunt, wie viel Abstand ich hatte.
    Wenn ich als Frau den Mann in der Klinik besuche und ihn nach geschlagenen vier Wochen wieder ansprechbar auffinde, dann freue ich mich, begrüße ihn mit einem Kuss, nehme seine Hand, streichele seine Wange, tröste, „es wird alles gut werden, nur Mut“.
    Nichts davon war gestern in mir zu spüren, und ich merkte auch, wie mich die junge, sehr liebevolle Pflegerin beobachtete, während SIE meinen Mann fütterte. Ich hätte es ja auch tun können, aber ich stand nur in einiger Entfernung und beobachtete.

    Wo sind die Gefühle? Weg? Oder nur zugedeckt?

    Ich möchte schnellstmöglich wissen, welche Diagnose die Ärzte stellen.
    Und frage mich, ob sie das können, ohne zu wissen, ob mein Mann von 19XX oder von heute redet.
    Denn sie kennen sein soziales Umfeld nicht.
    (Verzeiht, wenn das eine blöde Frage ist, aber ich bin medizinisch völlig unbeleckt und habe davon null Ahnung).

  • Ich befürchte, liebe Maddison, das kann Dir derzeit noch niemand sagen wie der Stand Deines Mannes ist, bleiben wird oder ob sich Jetzt-/Früher Situationen überschneiden oder abwechseln und wenn ja in welcher Prozentigkeit.

    Ich selber habe während meiner Arbeit im Pflegeheim solche Fälle erlebt, die sich kaum im hier und jetzt befunden haben. Aber das lässt sich nicht verallgemeinern. Jedoch ist der Gang der Krankheit ziemlich "allgemein" und gleich - ähnlich wohl der Alkoholikerkariere.

    Damals fand ich es hart, dass die Kinder nicht willens waren die Vormundschaft zu übernehmen, konnte es aber dahingehend verstehen, dass Eltern und Kinder sich oft nicht grün sind - die Auswirkungen der Alkoholsucht konnte ich damals nicht erfassen. Sehr wohl aber den Zustand der betreffenden Personen.

    Ich verstehe sehr wohl Dein Festhalten am finanziellen, denke aber Du solltest Dir fachmännischen - anwaltschaftlichen - Rat holen. Korsakow endet sehr oft in Pflegeheimen, die kostenaufwendig sind - somit auch an Euer eingemachtes gehen. Selbst wenn Ehepaare geschieden sind, so wird eine Teilverantwortung bleiben - das aber kann Dir nur ein Rechtsanwalt richtig sagen, durchrechnen und erklären.

    Meines Erachtens kommt noch erschwerend hinzu, dass es schon schwer ist wenn ein Alkoholiker die Entscheidung trifft nicht mehr zu trinken. Jemand mit Korsakow dürfte aber noch viel weniger in der Lage sein Entscheidungen zu treffen. Auch ist mir nicht klar, ob die gesundheitliche Situation überhaupt "Entzug" ect. erlaubt. Also ganz viele Fragen, wo Du (meiner Meinung nach) fachliche Hilfe benötigst und sehr offene Ärzte.

    Hier gibt es nun ein ganz breites Spektrum, welches sich auftun kann und vielleicht ist es gut, wenn Du vom Fachmann medizinisch wie auch juristisch aufgeklärt wirst.

    Lieben Gruß von Dagmar

  • Danke Dagmar!

    Ich war heute nochmal in der Klinik,
    er scheint wieder ganz der Alte zu werden.
    Bin froh darüber, denn dann handelt es sich irgendwie leichter.

    (Zumindest fühlt es sich im Moment so an).

  • Mein Mann ist tatsächlich wieder ganz der Alte.

    Er liegt nicht mehr auf Intensiv und rief am Mittwochabend (ich war geschäftlich ein paar Tage unterwegs) bei unserem Sohn an, um eine Liste mit Dingen und Kleidungsstücken durchzugeben, die er dringend braucht.

    Bei dieser Gelegenheit teilte er unserem Sohn auch mit, dass er die Scheidung einreichen will.

    Wie immer rief ich vom Hotel aus abends kurz zuhause an, da erzählte mir unser Sohn dies.

    Habe gestern nach meiner Rückkehr seine Sachen, die ich noch in meiner Wohnung hatte, zusammen gepackt und habe sie ihm in die Klinik gebracht.
    Dann folgte ein Gespräch, in dem er sein Vorhaben bestätigte.

    Ich: "Keine Therapie?"
    Er: "Nein, das kommt für mich nicht in Frage, ich kann kontrolliert trinken, ich war ja schon dabei, mir den Pegel wieder runter zu trinken, aber dann ging mir der Alkohol aus. Sonst wäre das nicht passiert!"

    Ich habe gedacht, ich höre nicht recht.
    Und konnte meinen Zynismus nicht verbergen.
    "Kontrolliert ins Koma gesoffen? Und zweimal kontrolliert dem Tod von der Schippe gesprungen? Alle Achtung!"

    Beim Abschied:

    "Wenn Du wieder kommst, rufe vorher an, falls ich was brauche!"

    Ich bin echt platt.
    Sagt mal, geht mit dem Suff auch sämtlicher Anstand über die Wupper?
    "Ich will mich scheiden lassen, aber vorher noch dies und jenes erledigen...."
    Das darf doch wohl nicht wahr sein.

    Heute morgen bekam ich ein SMS: "Wenn möglich, Handy aufladen, danke."

    Ich habe ihm geantwortet, dass ich mich als Ex-Frau und damit nicht mehr zuständig betrachte.

  • ja maddison,da kannst staunen.
    worüber wundern wir uns egentlich,ist doch alles gut gegangen?was hat er eigentlich mitgekriegt?
    ne runde geschlafen,aufgewacht und weiter gehts,oder?
    da denkste du bist im falschen film.
    deinen schlusspfiff hat er wohl nicht mitbekommen,weil er will ja jetzt die scheidung,klare ansage.
    versuche auf deinem weg zu bleiben,das beste was du machen kannst.

    lg kathrin

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