Betrachtung über Alkohol zu Hause

  • Hallo
    sorry, ich werde noch etwas Zeit brauchen, um weiter zu schreiben. Ich nutze dieses Forum _schon_ zum Gedankenaustausch und nicht nur um "Thesen" zu streuen.

    Gruß Manfred

    Aus Steinen die man dir in den Weg legt, kann man auch was Schönes bauen (Johann W.v.Goethe)

  • Schönen Abend,

    bevor ich weiter denke schreibe ich erst mal, in was für einer Situation ich mich gerade befinde: ich befinde mich mitten in einer Langzeittherapie, die ich für 16 Wochen bewilligt bekommen habe. Davon sind jetzt ca. 12 Wochen um. Ging es am Anfang der Therapie erst mal um die Akzeptanz krank zu sein, die Kontrolle über den Alkohol verloren zu haben und alle körperlichen Symptome und Fähigkeiten, so wird jetzt im aufbauenden Teil der Fokus mehr auf die eigene Person gelegt.

    Für meinen Teil kristallisiert sich immer mehr heraus, dass ich nicht gelernt habe Verantwortung zu übernehmen. Um dieses bedrückende Gefühl weg zu bekommen, setzte ich Alkohol ein. Das kann natürlich nur ein kleiner Abriß dessen sein, was sonst noch so schief liegt - auf der anderen Seite aber groß genug sodass ich mich frage: wo fange ich an?

    Es geht also bei mir um Verantwortung. Muß ich nicht vorher etwas tun, um wieder meine Frau, meine Familie wertzuschätzen? Denn wie sonst könnte ich den freien Willen aufbringen, mich darum zu kümmern. Muß ich nicht erst mal wieder lernen Achtung, Aufmerksamkeit, Empfinden und Stolz zu geben und zu spüren? Und zwar für mich und für andere? Kann ich das schlechte Weltbild was ich habe, einfach als nicht änderbar akzeptieren ohne gleich saufen zu müssen?

    Alles Problemfelder, die sich aus dem einzigen Wort "Verantwortung" herauslesen lassen. Alle zielen darauf ab, dass ich was tun soll - das es an mir ist, etwas zu ändern. Und - wer genau gelesen hat, entdeckt nicht eine Formel, wie man Abstinent bleibt. Sondern nur Dinge, die helfen können, mit einer gewissen Zufriedenheit Abstinent zu bleiben.

    Hier in Therapie trifft man Menschen, die es ohne Hilfe mehrere Jahre geschafft haben, sowohl Entgiftung als auch Abstinenz durchzustehen. Der Rückfall kam einfach deshalb, weil sie sich als Mensch nicht im gleichen Maße entwickelt haben. Weil der Ansatz statisch war - ähnlich wie mit dem rauchen aufzuhören. Andere, die schon mehrere Therapien durchlaufen haben sagen meist, dass diese anfängliche Achtsamkeit immer mal wieder durch Müdigkeit unterbrochen wurde.

    So, jetzt komme ich zu meinem eigentlichen Thema zurück. Wie soll ich es denn verarbeiten dass es ok ist, wenn meine Frau mit mir und in Gesellschaft Alkohol trinkt - aber zu hause nicht? Wenn sie Kuchen backen darf - aber bitte nicht mit Alkohol, denn bei uns soll ja nichts davon rumstehen. Soll ich ihr sagen sie möge in die nächste Kneipe gehen, wenn das Bedürfnis da ist? Ja das kann ich machen, aber ich brauche dann nicht mehr in den Spiegel zu schauen. Aufmerksamkeit, Wertschätzung und Mut zur Veränderung funktioniert nur dann, wenn ich bei mir selber anfange - ohne wenn und aber.

    Was nützt mir denn meine Abstinenz, wenn ich bleibe wie ich war? Ich habe noch ganze vier Wochen, um mir Impulse zu holen – ein ganzes Leben um diese Umzusetzen. Mit Fehler, mit Erkenntnissen, aber was ich wichtig finde: mit dem, was mich ausmacht.

    Gruß Manfred

    Aus Steinen die man dir in den Weg legt, kann man auch was Schönes bauen (Johann W.v.Goethe)

  • Hallo !

    Zitat

    Soll ich ihr sagen sie möge in die nächste Kneipe gehen, wenn das Bedürfnis da ist?

    Von mir bekommst Du dazu ein ganz klares Ja ! Mein Mann geht zu seinem Cousin, wenn er sich ein Bier trinken will und es ist völlig ok für ihn, denn eines will er auf keinen Fall wieder zurück: Ein Leben mit einer trinkenden Frau ! Dafür nimmt er einiges "in Kauf".

    Zitat

    Wie soll ich es denn verarbeiten dass es ok ist, wenn meine Frau mit mir und in Gesellschaft Alkohol trinkt - aber zu hause nicht?

    Daran arbeite ich selber noch, denn so läuft es bei uns derzeit. Es ist aber wohl nicht der richtige Weg. Besser wäre es, wenn er auch woanders in meinem Beisein nichts trinken würde. Ich brauche da noch ein wenig Zeit.

    Ich habe Deinen Thread jetzt nicht ganz gelesen, daher frage ich einfach auf die Gefahr, dass Du es schon geschrieben hast: Wie sieht es denn Deine Frau ? Was sagt sie zu dem Gedanken, dass es zu Hause keinen Alkohol mehr geben wird ? Hast Du sie mal gefragt ?
    Ich konnte mir ganz und gar nicht vorstellen, dass mein Mann auf einmal zu Hause nicht mehr trinken soll. Schließlich bin ich krank und nicht er. Aber, wie oben schon geschrieben: Es war für ihn mehr wie ok. Ich gebe zu, ich war sehr verwundert, konnte es kaum glauben und weiß wie ich an seiner Stelle reagiert hätte :oops:. Da zeigt sich dann aber auch der Unterschied zwischen Abhängigen und Nicht-Abhängigen.

    Zitat

    Ich habe noch ganze vier Wochen, um mir Impulse zu holen

    Für Deine Langzeit mag das stimmen, aber das Forum wird - hoffentlich :wink: - noch länger bestehen. Auch hier kannst Du Impulse bekommen, die Dir weiterhelfen können. Veränderungen werden kommen, langsam und stetig. Es braucht seine Zeit.

    Lieben Gruß
    Biene

  • Guten Morgen Manfred!
    Aus deinem Post lese ich schon mal heraus, dass du auf einem Weg der Veränderung bist. Keine Angst, du bleibst nicht wie du warst. Wenn du willst.
    Als Co -abhängige langjährige Ehefrau kann ich dir aus meiner Sicht erzählen, wie wichtig es ist, selber auf jede Art Alkohol zu verzichten.
    Anfangs , die ersten drei, vier Monate, dachte ich mir auch nichts dabei, mal hier und da noch ein Gläschen neben ihm zu trinken. Aber dann kamen die schwachen Momente, dann fand ich das Forum hier - und ich habe sehr schnell umgelernt. Auch zu meinem Eigennutz, denn Spass habe ich auch nüchtern und Probleme und Sorgen löse ich nie mit Alk. Und aus dem "Verdrängungsstress" bin ich auch heraus.
    Kuchen, Speisenzubereitung ohne ist auch "selbstverständlich" geworden. Was habe ich meinen Kindern bisher zugemutet?
    Ich finde, ich habe daraus sehr viel für mich erfahren. Sehr viel Gutes. Bin in Therapie und einer Angehörigen - SHG.
    Mein Mann ist nun fast 16 Monate trocken, besucht seine Gruppe.
    Er hat sich freilich auch verändert. Hat auch immer noch sei
    ne Fehler. Es gibt immer noch Streit, Unstimmigkeiten. Wir sind ja auch "zwei" Menschen!
    Wir sind auch jetzt nach der langen Zeit noch immer "Mittendrin".
    Ich wünsche dir innere Ruhe, Kraft und ganz viel Geduld, für die nächste Zeit, für euer neues Kennenlernen.
    Liebe Grüße, Gotti.

    Wende dein Gesicht der Sonne zu, dann fallen die Schatten hinter dich.

  • Servus Sandmann,

    ich fand es zu Beginn meiner Trockenheit sehr wichtig, dass ich mich primär um meine Bedürfnisse und Angelegenheiten gekümmert habe. Das ist ein großer Fortschritt: Verantwortung für sich selbst zu übernehmen, ohne diese gleich wieder von anderen (oder deren Handeln) abhängig zu machen!

    Warum planst/denkst Du schon wieder "für andere" bzw in die ferne Zukunft? Zum Verarbeiten hast Du alle Zeit der Welt, jetzt kommt erst mal Deine Trockenheit. Der Rest ergibt sich, wenn Zeit dafür ist.

    Erst das Problem Alkohol lösen, dann alle anderen Probleme.

    LG
    Spedi

    P.S.: Sprich das doch mal so in der Gruppe an - und hör Dir die Reaktion der Therapeuten an. Die von dir erwähnten "Rückfallkandidaten" wären für mich kein Maßstab, schließlich haben sie auch nur einen Erfahrungsschatz, der sie wieder zum Saufen gebracht hat.

  • Hey Manfred

    Ich Lese da ist ein Manfred der es packen will. Ich wünsche Dir viel Kraft und Besinnung für die verbleibenden Tage in deiner LZT.
    In meiner letzten LZT rasten mir ähnliche Gedanken im Kopf herum wie Dir. " Wie sag ich´s Mutter, wie sag ich`s Kind". Gerade ich der immer bestrebt war, dafür zusorgen, daß es den anderen gut geht und ich selbst blieb auf der Strecke. Und daran war nur ich selbst schuld und sonst niemand. Also mußte ich eine gehörige Portzion EGOISMUS entwickeln um einen ALKfreien Haushalt durch zusetzen.
    Um meinen Willen letztendlich durch zusetzen habe ich die Hilfe meines Therapeuten in allen Zügen beansprucht. Meine Lebensgefährtin wurde daraufhin für ein Wochenende eingeladen( PAAR-EINZEL-gespräch ). In diesen gesprächen wurden alle Steine aus dem Weg gerollt um einen ALKfreien Haushalt führen zudürfen.
    Ich weis nun nicht op Ihr schon Paar gepräche hattet,
    sonst wäre das ein Vorschlag von mir.

    also manfred- soweit erstmal- wie gesagt, alles erdenklich gute in DEINER lzt.
    lass mal wieder von Dir hören.

    gruß Bernd

  • Hallo Manfred,
    ich schreibe dir einfach mal meine Erfahrungen und Gedanken als Co:

    Seit ich hier im Forum bin, bist du wahrhaftig nicht der Erste, der sich darüber Gedanken macht (was mich immer wieder von Neuem verblüfft), wie man als (trockener) Alkoholiker die „Frechheit“ haben kann, seinem Partner das Alkoholtrinken zu verbieten (ich schreibe das mal so überspitzt, der Verständlichkeit halber).
    Ich kann mich dann immer des Eindrucks nicht erwehren, daß es offenbar für einen Alkoholiker wie ein RIESENverlust, oder -verzicht erscheinen muß, keinen Alkohol zu trinken.
    Soll ich dir mal etwas verraten? Für jemanden, der nicht süchtig ist, ist das weder ein Verlust noch ein nennenwerter Verzicht. Gut, es mag Menschen geben, die nicht süchtig sind und mehr trinken, als ich es je getan habe – die, obzwar nicht süchtig, aber Gewohnheitstrinker sind.
    Nun, für mich ist Alkohol nicht nur schon immer unwichtig gewesen, und jetzt, nachdem ich das Ausmaß dieser Krankheit nicht nur bei meinem Ex-Freund erlebt habe, wird er mir sogar immer widerwärtiger. Jemandem, der hingegen aus Gewohnheit trinkt, wird es vielleicht schwerer fallen als mir, keinen Alkohol mehr zu trinken, aber eine Gewohnheit kann man sich auch abgewöhnen - wenn man denn nicht süchtig ist :idea:
    Und, ganz ehrlich, ich (an eurer Stelle) würde von meinem Partner erwarten, daß er sich eine (schlechte) Gewohnheit mir zuliebe abgewöhnt. Ja, so viel Liebe und darum Entgegenkommen würde ich – bei einer tödlich verlaufenden Krankheit! – von meinem Partner erwarten!

    Zusammenfassend will mir scheinen, daß das Ganze auf einem Verständnisproblem beruht, resp. der Unmöglichkeit, sich in den Anderen hineinversetzen zu können.
    Was ich damit sagen will: wir Cos können uns noch so viel Wissen über die Alkoholkrankheit aneignen – wirklich hineinversetzen kann sich nur in einen Süchtigen, der selber süchtig ist/war. Und umgekehrt habe ich den Eindruck, daß sich ein Süchtiger einfach nicht vorstellen kann, daß es für einen nicht-süchtigen Menschen völlig nebensächlich ist, ob Alkohol getrunken wird oder eben nicht. Oder ob in China ein Sack Reis umfällt, salopp gesagt.
    Kannst du verstehen, was ich meine?

    Vielleicht kannst du jetzt akzeptieren, daß deine Frau dir zuliebe keinen Alkohol mehr trinkt – oder wenn sie nicht darauf „verzichten“ mag, möglicherweise selbst ein Problem hat…

    Dann stellt sich, wie Karsten völlig richtig sagte, in der Tat die Frage, was dir wohl wichtiger ist: deine Frau/Beziehung, oder dein LEBEN :!:

    LG
    Feuervogel

  • Hallo Feuervogel,
    ich hab das jetzt alles gelesen und denke, auch gemerkt zu haben dass dieses Thema ein weites Feld ist.
    Prinzipiell bin ich ja mit den meisten Gedanken einverstanden wenn da nicht immer diese Ungenauigkeit (meist nicht gewollt oder beachtet) von DU_SOLLST, DU_MUßT wäre. Statt zu schreiben ES_HILFT_DIR, ES_WÄRE_BESSER oder VERSUCHE_ES_MAL_MIT...
    Verstehst du was ich meine?

    Gruß Manfred

    Aus Steinen die man dir in den Weg legt, kann man auch was Schönes bauen (Johann W.v.Goethe)

  • Hallo Manfred,
    ich kann dir nicht sagen was Du sollst oder musst, liegt mir auch völlig fern aber Ich kann dir sagen wie ich meinen Weg gehe,und dir von meinen Erfahrungen erzählen mehr kann ich nicht tun,was Du hierbei für dich als brauchbar erachtest das kannst Du dir annehmen oder es eben lassen.

    Auch kann ich dir nicht schreiben es wäre besser,es hilft dir,denn mein Weg ist genauso individuell wie eines jeden hier und das was für mich passt,muss nicht zwingend auch für dich gut sein!

    Hierbei geht es ja um die Hilfe zur Selbsthilfe!

    Wer will,kann sich aus den unzähligen Erfahrungsberichten vieler Forenteilnehmer hier das brauchbare für sich selbst herausziehen aber es wird keinem hier sein Leben auferlegt,denn dieses will selbst gelebt werden :wink:

    Du entscheidest für dich,was Du brauchst,was Du willst,und welchem Weg Du gehen willst,niemand anderes sonst!!

    Bei Dir fängt es an,und dort hört es auch auf!!!

    Lieben Gruß,Andi

Unserer Selbsthilfegruppe beitreten!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!