Papas Alkoholismus macht meine Seele krank

  • Hi Ihr,

    ich habe vor einiger Zeit mal hier von meiner Situation gesprochen. Mein Vater ist Alkoholiker. Ich denke, seitdem er von der einen in die andere Stadt gezogen ist, wurde es schlimmer. Ich hatte ihn ja vor einem Jahr besucht und war geschockt über das, was ich sah. Nunja, seitdem habe ich viele Briefe geschrieben, doch es brachte nichts. Er sieht es nicht ein. Ihr habt mir geraten, den Kontakt abzubrechen. Konnte ich nicht. Schließlich wurde im November letzten Jahres sein Telefon abgestellt. Er ist seitdem nicht erreichbar.

    Ich kann ihn nich mehr - ja, ich sage s bewusst - kontrollieren.
    Und was geschieht mit mir? Ich mache mir mehr Gedanken, dabei geht es um seinen Tod; ich sehe ihn durch die Strraßen torkeln, betrunken in Geschäfte gehen. allein in seiner Wohnung auf dem Boden liegen etc. - das alles befürchte ich.

    Und wie wirkt es sich aus? Bluthochdruck. Bin 28 Jahre alt. Normalerweise liegt der Blutdruck bei 120/80. Neige eigentlich zu niedrigem Blutdruck, doch seit dieser Zeit ist etwas anders geworden, ich bin zu einem kränklichen Menschen geworden und der Blutdruck schnellte auf 150/100. Bekam Beta-Blocker, aber die niedrigste Dosierung überhaupt - aber trotzdem furchtbar! Ich. Mit 28. Eigentlich gesund. Ich ahnte, dass die Ärzte nicht finden würden, und dass meine Probelem durch die Psyche bedingt waren. Und auch der Arzt hatte eine Vorahnung, da er realisierte wie ängstlich ich war. Ja, das war ich allerdings. Ich weiß nicht, woher das alles auf einmal kommt, diese Ängste, diese Todesängste,...ich hatte doch nie Probleme, bis auf....ja, bis ich meinen Vater nicht mehr erreichen konnte - und seit diesem Zeitpunkt steigterte sich alles bis ins Unermessliche.

    Ich vermute ganz stark, dass es damit zutun hat. Ich bin sowieso unzufrieden, weil sich die Dinge in den letzten Jahren so entwickelt haben. Es hat sich so vieles geändert und so viel vertraute Dinge gibt es nicht mehr. Das Haus, in dem ich aufgewachsen bin und in dem wir lebten, wurde verkauft (es gehörte ihm ja leider nicht). Das war hart. Es birgt so viele Erinnerungen...mit dem schönen Garten und dem Kletterbaum, in dem ich öfter saß...Er zog fort. In eine andere Stadt. Wollte alles hinter sich lassen. In diese Stadt wollte er sowieso immer. Schnitt sich damit komplett ab. Ich war die Einzige, die ihn besuche in all den Jahren. Es war kein Vater da, kein Sohn, nur die eine Tochter.

    ja, was soll ich sagen, er ist sicherlich an seinem Schicksal schuld, aber ich Sensibelchen habe trotzdem Mitleid, denn er ist ja mein Vater. Wie kann ich das Gefühlbloß abstellen und mich selber nicht kaputt machen? wie habt ihr es geschafft? wie wird man stark? auf psychologen gebe ich nichts. das sind auch nur menschen...ich will meinen Knackpunkt bzw. meinen Wach-werd-punkt alleine finden, alleine merken, dass er ein Arschloch ist. Schließlich hat meine Mutter auch unter ihm gelitten - trotzdem habe ich Mitleid, weswegen ich mich teilweise auch nicht wohl fühle, wie eine Verräterin. Und dann fühle ich mich gefühllos, wenn ich nicht mehr für ihn tue, weil er mein vater ist, und ich doch eigentlich die Pflicht habe ihm zu helfen. Kennt ihr das? Schildert mir eure Gefühle, Wie geht ihr damit um? Wie schlagt ihr euch jemanden aus dem Kopf?

    DANKE aius tiefstem Herzen.

  • guten morgen natalie!

    schön das du hier bist...herzlich willkommen hier bei uns kindern!

    das es dir psychisch so dermaaßen schlecht geht,kann ich nur allzugut nachvollziehen :cry:

    bin auch freiwillig und unbewusst richtig krank geworden vor SORGE um meine alkoholiker-mutter....

    hm...da du ja ausdrücklich schreibst das DU nichts von psychologen hälst :roll: und DU es aus mir unbegreiflichen gründen ALLEIN schaffen möchtest...

    stellt sich mir die frage WARUM?????)

    DU brauchst nämlich NICHT immer alles ALLEIN zu schaffen 8)

    wir eka`s glauben dies sehr oft,weil wir es NIE anders kennengelernt haben...

    lies dich hier in aller ruhe durch unsere threads,und erkenne das wir ALLE an der selben krankheit leiden...familienkrankheit ALKOHOLKISMUS

    HIER bist du nicht allein,wir begleiten dich sehr gern...

    schreib wann immer dir danach ist...auch das HILFT(vors erste 8)

    liebe grüsse caro :wink:

    dem was über mich einstürmt,möchte ich gelassen gegenüber stehen...

  • Zitat

    ja, was soll ich sagen, er ist sicherlich an seinem Schicksal schuld, aber ich Sensibelchen habe trotzdem Mitleid, denn er ist ja mein Vater. Wie kann ich das Gefühlbloß abstellen und mich selber nicht kaputt machen? wie habt ihr es geschafft? wie wird man stark? auf psychologen gebe ich nichts. das sind auch nur menschen...ich will meinen Knackpunkt bzw. meinen Wach-werd-punkt alleine finden, alleine merken, dass er ein Arschloch ist. Schließlich hat meine Mutter auch unter ihm gelitten - trotzdem habe ich Mitleid, weswegen ich mich teilweise auch nicht wohl fühle, wie eine Verräterin. Und dann fühle ich mich gefühllos, wenn ich nicht mehr für ihn tue, weil er mein vater ist, und ich doch eigentlich die Pflicht habe ihm zu helfen. Kennt ihr das? Schildert mir eure Gefühle, Wie geht ihr damit um? Wie schlagt ihr euch jemanden aus dem Kopf?

    Hallo Natalie,

    Eltern haben die Verantwortung für ihre Kinder zu übernehmen, umgekehrt sollte das nicht sein. Wer seine Kinder achtet, respektiert und liebt, lässt sie nicht so leiden oder verwirrt sie nicht, wie es unsere Alki-Elternteile getan haben.

    Ob Du da alleine heraus findest ohne Therapeuten, glaube ich weniger. ZU früh und zu tief sind unsere Verhaltensmuster in uns eingeprägt worden. Es ist keine Liebe gewesen, was wir von den Trinkenden vermittelt oder verinnerlicht bekommen haben.

    Liebende Eltern verhalten sich so zu ihren Kindern, dass sie diese fördern möchten und sie nicht mit Sorgen belasten.

    Hast Du Bücher gelesen, die sich mit Kindern in einer Alkoholikerfamilie beschäftigen. In diesen fand ich mein Denken und Fühlen gut beschrieben.

    Vielleicht wäre das ein erster Schritt für Dich, da Du einen Therapeuten bisher ablehnst.

    Die Bücher heissen "Um die Kindheit betrogen" und "Familienkrankheit Alkoholismus".

    Das hier schreiben und lesen hat mir zu mehr Klarheit verholfen, das wünsche ich Dir auch.

    Alles Liebe Weitsicht

  • Hallo zusammen,

    es ist nun beinahe 6 Jahre her, als ich hier zum letzten Mal schrieb. Ich habe meinen Vater seit 7 Jahren nicht mehr gesehen, zum letzten Mal vor zwei Jahren mit ihm telefoniert. Das war allerdings unfreiwillig. Ich denke, er hat sein Handy geschrottet - und seitdem konnte ich ihn nicht mehr "überwachen", was wohl auch ganz gut für mich war.

    ich bekam nun einen Brief vom Sozialamt. Darin stand, dass er in einem Pflegeheim untergekommen ist. Ich soll zahlen. Dagegen werde ich natürlich vorgehen. Er hat mein Leben ruiniert. Bis heute weine ich oft, sehe mich selbst nicht mehr. Mein Mann fragt mich immer: "Was ist mit dir? Du denkst immer nur an andere, denk an dich. Du machst dein Leben kaputt." Er hat Recht, ich bin derzeit nicht mal mehr fähig zu arbeiten, die Tränen rollen nur noch. Konzentration gleich null.

    Er hat mein Mitleid nicht verdient, weil er Leid über mich gebracht hat. Schon immer. Meine Mama musste unter ihm leiden (Prügel, Betrug) - und ich bekam das alles mit. Der Alkohol regierte schon immer, sogar schon in seiner ersten Ehe, weit vor meiner Zeit.

    Als ich Kind war, warf er meine Mama raus. Binnen einer Stunde sollte sie das Haus verlassen. Dann ging er weg. Hastig packten wir unsere Sachen, natürlich ging ich mit. Ich musste ihn später alle 14 Tage besuchen fahren. Auch dann war er betrunken.
    Trotz seines Verhaltens hatte ich unerklärlicherweise Gefühle für diesen Menschen.

    Nun also seit 2 Jahren null Komma null Kontakt. Was erfahre ich scheibchenweise: Er hat seine Bude abgefackelt, landete im Obdachlosenheim und befindet sich nun in einem Pflegeheim. Er habe mehrere Dinge, sagte mir eine Heimangestellte. Ich fragte, ob er dement sei. "Ja, auch", sagte sie. Ich kann es mir schon vorstellen... Ich hatte irgendwann über ein Familienmitglied erfahren, dass er irgendwas von Geheimdiensten faselt - hört sich für mich nach Wahnvorstellungen an.

    Genaueres solle mir aber der Pfleger sagen, meinte die Dame am Telefon. Auf dessen Anruf warte ich gerade. Ich weiß, dass es mir den Boden unter den Füßen wegreißen wird, obgleich ich ahnte, dass es soweit kommen würde. Aber wenn es erstmal soweit ist, dann ist es trotzdem irgendwie noch ein anderer Schnack.

    Ich habe mir einen Termin bei einer Therapeutin geholt, weil ich nicht mehr weiter weiß. Er tut mir leid, ich habe Schuldgefühle, weiß aber, dass ich diese nicht haben sollte. Er war kein guter Mensch, ist für sich selbst verantwortlich. Trotzdem: Stelle ich mir vor, wie er da zwischen den Obdachlosen vor sich hin vegetiert, wird mir ganz anders. Scheiß Irrationaliät!

    Ich frage mich: Sollte ich ihn besuchen? Es geht ihm bestimmt extrem schlecht. Andererseits: Soll ich mir das antun? Ich weiß nicht, ob ich zusammenbrechen würde.

  • Hallo Natalie,

    gut, dass Du jetzt professionelle Hilfe annimmst!!!
    Als ich deine ersten Einträge las, sträubten sich mir die Haare. Du hast im Grunde genau so gehandelt, wie dein Vater es dir vorgelebt hat: bloß ums verrecken (im wahrsten Sinne des Wortes!) ja niemals Hilfe annehmen :roll:

    was mir noch aufgefallen ist: du spaltest deine Gefühle zu deinem Vater total- mal ist er dein ärmster Dad, mal der reinste Arsch.
    und du schwankst zwischen beidem. Immer hin und her und leidest sehr unter den Gefühlsschwankungen.
    was ich in meiner Therapie u.a. gelernt habe: die Ambivalenz zulassen und annehmen.
    Er ist beides. Dein Vater, den du natürlich lieben darfst.
    Und ein Alkoholiker,der viel zerstört hat. Du musst dich nicht entscheiden.
    meist geht es einem besser, wenn man dies akzeptiert.

    Für deine Therapie wünsche ich dir viel Erfolg. Dir ist sicher klar, dass dies kein Spaziergang im Frühling wird und dass es u.u. länger dauern kann, zu bearbeiten, was zig Jahre geschehen ist.
    Das eigene Verhalten zu ändern, ist das schwierigste überhaupt für den Menschen.
    Also hab Geduld mit dir.

    Bis dahin kannst du einige Tipps umsetzen, die du hier schon vor einigen Jahren erhalten hast. Bücher zum Thema lesen, hier lesen und dich austauschen.

    LG girasole

  • Hallo zusammen,

    lieben Danl für eure Antworten!

    Girasole. Das hast du absolut richtig gesehen. Ich spalte meine Gefühle zu meinem Vater. Weil ich weiß, dass er uns schlecht behandelt hat, besonders meine Mutter. Das weiß mein Kopf. Mein Herz tickt da leider anders. Das ist das Kuriose - er hat es nicht verdient.

    Was ich von der Therapeutin halten soll, weiß ich nocht nicht. Sie macht mir wiederum ein schlechtes Gewissen. Ich habe ihr erzählt, was er uns angetan hat - und auch, dass ich trotzdem etwas für ihn empfinde. Meiner Mutter gegenüber habe ich ein schlechtes Gewissen deswegen.

    Sie sagt, so wie sich meine Geschichte anhört, habe er eine narzisstische Persönlichkeitsstörung. Er sei eben krank. Plus der Alkoholismus sei eben auch noch eine Krankheit. Beide Faktoren zusammen würden bedeuten, dass er quasi keine andere Wahl gehabt habe, als so zu enden wie er eben jetzt geendet ist.

    Er habe für seine Krankheit einen hohen Preis gezahlt: Mit seiner Gesundnheit, mit seiner Familie, Freunden, letztendlich seinem Status. Denn nun habe er buchstäblich nichts. Es hörte sich für mich fast so an, als wäre sein Weg von Kindesbeinen vorgezeichnet gewesen, so als hätte er nie einen anderen Weg gehen können. Als sei ihm nichts anderes übrig geblieben, meine Mutter zu schlagen, zu betrügen und zu erniedrigen.

    Also quasi ein armer, kranker Mensch, der nicht reflektieren kann. Irgendwie zynisch, finde ich. Trotzdem: Deswegen habe ich auch ein schlechtes Gewissen. Ich bestehe eigentlich nur noch aus Gewissensbissen.

    Sie sagte, dass es vielleicht helfen würde zu verstehen, warum er so ist, wie er ist. Dass ich hätte nichts dran ändern können. Ich muss mal schauen, ob das der richtige Weg ist. Ich muss aber für MICH da sein, MEIN Leben leben. Er hatte eines und nichts daraus gemacht.

    Ich habe erfahren, dass er eine Hirnatrophie hat.... eine generalsierte. Nicht gerade normal für Anfang 70. Vor allem nicht in unserer Familie, wo einige auf die 100 zugehen. Sonst habe er wohl nichts. Er wurde, bevor er ins Heim kam, untersucht. Blutwerte sehen gut aus.

    S.Braun. Danke für den Tipp mit der 8. Den werde ich mal ausprobieren. Vielleicht hilft ja diese Bildlichkeit ja auch schon ein wenig. Auch der Tipp mit dem Strauss ist super. Obwohl er es nicht verdient hat. Dennoch spüre ich leider Liebe für ihn. Diese innere Ambivalenz macht michfertig. Die Psychologin sagte mir aber auch, dass dies normal sei für Alkoholiker-Kinder.

    Das mit dem Besuch.. ich weiß es nicht, ich habe ihn in den letzten 12 Jahren einmal gesehen. Das war 2008. Da war der Verfall schon im vollen Gange. DEr war schon vergesslich mit Mitte 60. Nicht extrem, aber es fiel auf, dass er hier und da was durcheinander brachte. Unsauber war es. Unruhig und wütend war er. Es hatte mich nicht gut getan, da gewesen zu sein. Ich war danach erst mal psychisch fertig. Nicht auszudenken, wie es jetzt wäre. Der Pflege sagt, er würde sein Taschengeld regelrecht exzessiv wegsaufen.

    Dann sei erstmal wieder Ruhe. Er trinke einfach nicht, zittere nicht mal. Aber wenn er reinhaut, dann richtig. Und pinkelt sich sogar ein, er habe ihn schon widerlich stinkend aufgelesen. Menschenunwürdig.

    Ich muss diese seelischen Puzzlestücke, die zwischen "ich weiß, er war ein Arsch" und "leider fühle ich etwas für ihn" und "ich fühle mich schuldig" und "ich muss mich nicht schuldig fühlen" und "ich habe meiner Mutter gegenüber ein schlechtes Gewissen, weil ich etwas für ihn empfinde, obwohl er grausam zu ihr war" zusammenbringen. ich muss aus diesem inneren Dilemma raus. Ich bin gespannt, ob die Therapeutin die richtige für mich ist. Ich hatte nämlich teilweise das Gefühl, dass es mehr um ihn ging, dass er für all das nicht kann.

    Danke für eure Worte. <3

  • Hallo Natalie,

    die Puzzle- Stücke bekommst du nicht zusammen, die gehören nicht zusammen.
    sie sind beide in dir und das ist ok.
    du darfst mal das eine und mal das andere fühlen.
    Du brauchst dich nicht entscheiden.
    was die Therapeutin betrifft würde ich empfehlen, genau das auszusprechen, was du empfindest bzw was du denkst, das sie meinen könnte.
    Also "das hört sich so an als fänden sie ihn als armes Opfer?" zb.
    oft hört gerade ein Klient auf dem "Gefühls- Ohr" und der Therapeut will eigentlich auf etwas ganz anderes hinaus. Zb dir die Last nehmen "mein Vater liebt mich nicht" indem sie skizziert, wie fatal sein Leben war und dass es nie um dich persönlich ging. Nur als Beispiel jetzt.

    LG girasole

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