Hallo zusammen,
lieben Danl für eure Antworten!
Girasole. Das hast du absolut richtig gesehen. Ich spalte meine Gefühle zu meinem Vater. Weil ich weiß, dass er uns schlecht behandelt hat, besonders meine Mutter. Das weiß mein Kopf. Mein Herz tickt da leider anders. Das ist das Kuriose - er hat es nicht verdient.
Was ich von der Therapeutin halten soll, weiß ich nocht nicht. Sie macht mir wiederum ein schlechtes Gewissen. Ich habe ihr erzählt, was er uns angetan hat - und auch, dass ich trotzdem etwas für ihn empfinde. Meiner Mutter gegenüber habe ich ein schlechtes Gewissen deswegen.
Sie sagt, so wie sich meine Geschichte anhört, habe er eine narzisstische Persönlichkeitsstörung. Er sei eben krank. Plus der Alkoholismus sei eben auch noch eine Krankheit. Beide Faktoren zusammen würden bedeuten, dass er quasi keine andere Wahl gehabt habe, als so zu enden wie er eben jetzt geendet ist.
Er habe für seine Krankheit einen hohen Preis gezahlt: Mit seiner Gesundnheit, mit seiner Familie, Freunden, letztendlich seinem Status. Denn nun habe er buchstäblich nichts. Es hörte sich für mich fast so an, als wäre sein Weg von Kindesbeinen vorgezeichnet gewesen, so als hätte er nie einen anderen Weg gehen können. Als sei ihm nichts anderes übrig geblieben, meine Mutter zu schlagen, zu betrügen und zu erniedrigen.
Also quasi ein armer, kranker Mensch, der nicht reflektieren kann. Irgendwie zynisch, finde ich. Trotzdem: Deswegen habe ich auch ein schlechtes Gewissen. Ich bestehe eigentlich nur noch aus Gewissensbissen.
Sie sagte, dass es vielleicht helfen würde zu verstehen, warum er so ist, wie er ist. Dass ich hätte nichts dran ändern können. Ich muss mal schauen, ob das der richtige Weg ist. Ich muss aber für MICH da sein, MEIN Leben leben. Er hatte eines und nichts daraus gemacht.
Ich habe erfahren, dass er eine Hirnatrophie hat.... eine generalsierte. Nicht gerade normal für Anfang 70. Vor allem nicht in unserer Familie, wo einige auf die 100 zugehen. Sonst habe er wohl nichts. Er wurde, bevor er ins Heim kam, untersucht. Blutwerte sehen gut aus.
S.Braun. Danke für den Tipp mit der 8. Den werde ich mal ausprobieren. Vielleicht hilft ja diese Bildlichkeit ja auch schon ein wenig. Auch der Tipp mit dem Strauss ist super. Obwohl er es nicht verdient hat. Dennoch spüre ich leider Liebe für ihn. Diese innere Ambivalenz macht michfertig. Die Psychologin sagte mir aber auch, dass dies normal sei für Alkoholiker-Kinder.
Das mit dem Besuch.. ich weiß es nicht, ich habe ihn in den letzten 12 Jahren einmal gesehen. Das war 2008. Da war der Verfall schon im vollen Gange. DEr war schon vergesslich mit Mitte 60. Nicht extrem, aber es fiel auf, dass er hier und da was durcheinander brachte. Unsauber war es. Unruhig und wütend war er. Es hatte mich nicht gut getan, da gewesen zu sein. Ich war danach erst mal psychisch fertig. Nicht auszudenken, wie es jetzt wäre. Der Pflege sagt, er würde sein Taschengeld regelrecht exzessiv wegsaufen.
Dann sei erstmal wieder Ruhe. Er trinke einfach nicht, zittere nicht mal. Aber wenn er reinhaut, dann richtig. Und pinkelt sich sogar ein, er habe ihn schon widerlich stinkend aufgelesen. Menschenunwürdig.
Ich muss diese seelischen Puzzlestücke, die zwischen "ich weiß, er war ein Arsch" und "leider fühle ich etwas für ihn" und "ich fühle mich schuldig" und "ich muss mich nicht schuldig fühlen" und "ich habe meiner Mutter gegenüber ein schlechtes Gewissen, weil ich etwas für ihn empfinde, obwohl er grausam zu ihr war" zusammenbringen. ich muss aus diesem inneren Dilemma raus. Ich bin gespannt, ob die Therapeutin die richtige für mich ist. Ich hatte nämlich teilweise das Gefühl, dass es mehr um ihn ging, dass er für all das nicht kann.
Danke für eure Worte.