Sind Kinder bei einem alkoholabhängigen Elternteil geschützt

  • Chanell

    ich empfinde deinen ton arrogant, respektlos und verletztend und somit unangemessen.

    ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Hallo Zusammen,

    ich wurde geboren und hatte einen Alkoholiker als Vater. Ich konnte es mir nicht aussuchen, es war einfach so. Ich habe nicht danach gefragt, was er ist oder was er macht. Kein Säugling fragt danach, er nimmt die Wärme wahr, die ihm gegeben wird und nimmt an, vorbehaltlos. Etwas das man mit zunehmenden Alter verliert. Er war da und ich liebte ihn.

    Als ich 2,5 war haben meine Eltern sich getrennt. Ich kann mich heute noch an den Abend erinnern als meine Mutter mich in ein Auto gepackt hat und wir auszogen. Es ist nur eine kurze Momentaufnahme, aber sie ist fest in meiner Erinnerung eingebrannt, ebenso wie das Gefühl der Angst in dem Moment. Angeblich soll man in dem Alter keine Erinnerung haben, ich habe sie und auch noch frühere. Da sollte sich das eine oder andere Elternteil mal fragen an was sich ihre Kinder so erinnern.

    Die nächsten Jahre bis ich 7 war war ich alle 14 Tage bei meinem alkoholabhängigen Vater, seines Zeichens ein klassischer Spiegeltrinker. Mehr oder weniger alle 14 Tage, dass eine oder andere mal war er „unpässlich“ oder hat mich im Suff schlicht und ergreifend vergessen. Die Enttäuschung über sein Ausbleiben kann ich mir auch heute noch recht mühelos in Erinnerung rufen. Er hat mich mit zu meinen Großeltern genommen, wo ich mich nicht wohlgefühlt habe. Ich habe jeden Sonntag morgen den ich bei ihm war, mit ihm in der Kneipe beim Frühschoppen verbracht. Ich habe es gehasst, die ganzen besoffenen alten Männer um mich zu haben. Was wir auch unternommen haben, es gab immer ein „Gedeck“ für ihn, ich bekam ein Eis oder Getränk. Ich mochte es nicht wenn er trank. Es gab da noch so einiges, was nicht so toll war.

    Man sollte meinen, dass das Abschreckung genug ist für ein Kind. Ist es nicht, ich liebte ihn, ich wollte zu ihm. Für mich war das absolut unwichtig ob er abhängig war oder nicht. Er war mein Vater, so wie er war. Punkt, Ende der Diskussion.... War er nicht da, habe ich ihn auf einen Sockel gehoben, war er da hat er sich selbst wieder runter geholt. Trotz allem ich wollte zu meinem Vater und trotz allem liebte ich ihn. Es gab vieles was nicht gut und ideal war, doch mein Vater war der einzige mir nahe stehende Mensch, der mich so genommen hat wie ich war und das seitdem!!!

    Mein „versoffener, alkoholabhängiger“ Vater hat mich als einziger so genommen wie ich war. Er war der einzige innerhalb meiner Familie der jemals geschafft hat mir etwas beizubringen und das weil er mich hat sein lassen, wie ich war. Weder meine Mutter, noch meine Großeltern, Onkel oder Tanten haben es jemals geschafft. Alle sind gescheitert, nur er nicht. Für die anderen Dinge die ich gelernt habe wie z. B. schwimmen mussten andere bezahlt werden, es mir beizubringen. Wie seltsam, wo er doch zu besoffen war sich um ein Kind zu kümmern..... Er hat mich machen lassen,während alle anderen mir vorschreiben wollten, wie ich es zu machen habe und wie ich zu lernen habe. Es gab bei ihm genauso Grenzen, ich konnte lange nicht tun und lassen, was ich wollte, aber er hat mir meinen Kopf gelassen. Er hat als einziger meinen Willen akzeptiert und mich meine Erfahrungen machen lassen. Er war ohne Zeigefinger für mich da, wenn ich mit meinem eigenen Kopf auf die Schnauze gefallen bin, auch als einziger. Wer weiß wie ich die folgenden Jahre ohne diese Erfahrung überstanden hätte. Das kann keiner sagen, aber ich froh, dass ich sie machen durfte, denn ich denke es hat mir sehr geholfen.

    Mit zunehmender räumlicher Entfernung zwischen uns und meinem Älterwerden machte sich seine Sucht negativ bemerkbar und unser Verhältnis wurde immer lockerer. Ich habe als Jugendliche nochmal Kontakt zu ihm aufgenommen und mich mit ihm getroffen. Es hat nicht funktioniert und zwar, weil ich nicht mehr wollte. Ich habe mir nicht die Frage gestellt ob er wollte, ich wollte nicht mehr. Ich wollte nicht mehr, weil er suchtbedingt unzuverlässig war, um es kurz auszudrücken. Diese Entscheidung habe ich getroffen, ich für mich. Ich konnte sie treffen, weil meine Mutter die Größe besessen hat, einen Kontakt zuzulassen. Und es war wirklich Größe, mir ist irgendwann mal das Scheidungsurteil in die Hand gefallen, da standen all die „netten“ Dinge die während der Ehe passiert waren. Ich konnte meine Entscheidung treffen, sie wurde nicht für mich getroffen und dafür bin meiner Mutter sehr dankbar. Ich habe nie an der Richtigkeit gezweifelt, dass sie mich zu ihm gelassen hat. Weder früher, noch heute.

    Man möchte, dass die Kinder sich zu eigenständigen Menschen entwickeln, mit eigener Meinung. Man ist stolz, wenn man sieht, dass sich das Kind dahin entwickelt. Das beinhaltet aber auch, dass das Kind eine andere Meinung entwickeln kann als man selbst, das muss dann auch akzeptiert werden. Wenn das Kind die Abneigung gegen den alkoholabhängigen Partner nicht teilt, muss auch das akzeptiert werden. Das Kind soll schon seinen eigenen Kopf haben, aber nur so wie der eigene oder wie? Es wird ihm viel zugetraut, es soll ja eigenständig werden, aber bitte nur, wenn es etwas so macht, wie man es auch machen würde oder was? Ich habe immer mit den Vorstellung meiner Mutter was gut und richtig ist für mich zu kämpfen gehabt. Ich fand mich gut, sie meinte es geht noch mehr.......

    Kinder lieben beide Elternteile, auch wenn das manchen nicht immer so passt. Kinder haben andere Maßstäbe und Wertvorstellungen als Erwachsene. Eigentlich sind sie gar nicht so anders, sie wenden sie anders an ehrlicher, offener nicht geprägt von Gefühlen die in der Vergangenheit verletzt wurden. Ein Kind lebt nicht in der Vergangenheit oder in der Zukunft, sondern hier und jetzt. Nicht die schlechteste Art zu leben.

    Ein Kind, das zu seinem Vater will, dem sollte die Möglichkeit gegeben werden. Und wenn es begleiteter Umgang ist, mit oder ohne Unterstützung von Staat, Jugendamt oder anderen, egal, es sollte die Möglichkeit erhalten. Der Schaden es nicht zu tun ist unter Umständen größer, als der Schaden der befürchtet wird wenn man es tut. Von dem Schaden, den man anrichtet wenn man seinem Kind sagt oder zu verstehen gibt es soll das andere Elternteil nicht mehr lieben, ganz zu schweigen. Nicht jeder Alkoholiker ist unfähig sich zeitlich begrenzt um ein Kind zu kümmern. Anders sieht es aus, wenn ein Kind tagtäglich mit ihm zusammen lebt, aber darum geht es hier ja nicht, oder?

    Mal ganz provokativ gesagt. Das nüchterne Elternteil lebt meist jahrelang mit dem Alkoholiker zusammen. Es ist sich selbst zu wenig wert und lässt mit sich machen. Es konnte selbst nicht für sich sorgen und das tun was das Beste für es war, nämlich Nägel mit Köpfen zu machen, konsequent sein. Dieses Elternteil, dass jahrelang nicht wusste, was das beste für es ist, weiß aber sofort und ganz genau, was das beste für das Kind ist??????? Hier hinkt was.......

    Sicherlich muss man unterscheiden und es ist mit Sicherheit nicht einfach eine Grenze festzulegen. Ich glaube auch jeder Mutter/jedem Vater, dass sie/er es gut meint. Aber auch hier sei gesagt, gut gemeint ist nicht immer gut gemacht.

    Das ist mal die Sicht eines Kindes, das, wenn ich einige vorangegangene Beiträge so betrachte, wohl bei manchen der hier Anwesenden, keine Chance dazu gehabt hätte seine Erfahrungen zu machen für die es dankbar ist.

    Gruß
    Skye

    P.S.: @ Jule

    Zitat

    Und das ist meines Erachtens der Unterschied zu den vielen EKA's, die sich von BEIDEN Elternteilen verlassen gefühlt haben...

    Oder liege ich hier falsch?

    Ich sehe das genauso.

  • Hi Skye,
    danke für deine Worte! Ich sehe das alles genauso wie du, und ich bin froh darüber, diese Meinung auch mal von einem Kind eines Alkoholabhängigen gelesen zu haben! Das macht mir Mut, und es bestätigt mich darin, mit meinen Kindern genau den richtigen Weg zu gehen!

    LG, Ayki.

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