Hallo Zusammen,
so lange ich denken kann, hatte ich Probleme mit mir, mit meinen Beziehungen zu anderen Menschen, egal welcher Art diese waren. Ich hatte das immer als gegeben hingenommen, so war ich eben. Das hört sich nach mehr Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl an, als es war. Beides war nur schwach entwickelt. Irgendwas mit mir stimmte nicht, irgendwas an mir war falsch. Das war eben so. Als Kind kam ich nicht auf die Idee, zu hinterfragen warum ich diese Probleme hatte, ebenso wenig als Jugendliche. Als Erwachsende habe ich mich nicht getraut, wie ich es heute sehe.
Mit ca. 25 habe ich meine erste Therapie gestartet, wg. massiven psychosomatischen Problemen. Nach ungefähr 18 Sitzung betrachtete ich mich als austhreapiert und habe das ganze beendet. Heute weiß ich, dass es ab da langsam ans Eingemachte ging und davor hatte ich Angst. Ich wollte nicht mit meiner eigenen „Fehlerhaftigkeit“ konfrontiert werden.
Ich habe bis ich 36 wurde so vor mich hin gelebt und die Schicksalsschläge des Lebens ebenso wie die Sauferei meiner Mutter hingenommen und ertragen wie es eben kam. Aktives Handeln, vor allem für mich, war mir sehr fremd. Dann kam der große Knall und ich hatte die Wahl mir Hilfe zu holen oder mein Leben endgültig abzuschreiben. Ich habe mir Hilfe gesucht und u. a. eine Therapie angefangen. Allerdings auch dies nicht, um mit mir klar zu kommen, mein Leben auf die Reihe zu bekommen. Das ich da nicht klar kam, sah ich immer noch als gegeben und nicht zu ändern an. Irgendwas stimmte nicht mit mir und das hatte ich inzwischen als schicksalsgegeben akzeptiert. Ich habe sie begonnen, um zu lernen mit der Sauferei meiner Mutter klar zu kommen.
Im Laufe der Therapie habe ich gelernt, das es um mich geht. Das all meine Probleme, auch die meine Mutter ihr eigenes Leben nicht leben lassen zu können, ihre Ursache in meinem sehr unterentwickelten Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl haben. Die Angst, der Wunsch nach Kontrolle, das krankhafte Klammern an andere Menschen, sich ihnen geradezu aufzudrängen und alles was mir das Leben sonst noch schwer gemacht hat, alles hatte seine Ursache da, in dem fehlen dieser zwei wichtigen Dinge.
Ich bin ein Mensch der sehr schlecht irgend etwas einfach als gegeben hinnehmen kann. Wenn es irgend geht möchte ich die Ursache wissen. Im Laufe der Therapie glaubte ich den Grund für diesen Mangel gefunden zu haben. Ich sah sie in meiner unsicheren Kindheit, geprägt von alkoholabhängigen Erziehungsberechtigten, seit ich auf der Welt war. Mein Austausch mit anderen EKA's oder hier im Forum zu lesen, hat mich in dieser Ansicht bestätigt.
Vor einiger Zeit habe ich einen Teil meiner Familie besucht, zu der ich schon recht lange nicht mehr viel Kontakt hatte. Ich hatte nach einem halben Tag das Gefühl, mir hätte jemand eins mit der Bratpfanne über gezogen. Es war als würde ich meine Mutter und mich betrachten. Als ich meine Verwandten sah, war es wie der Blick in eine Spiegel. Zugegeben in recht schmerzhafter Blick.
Der gleiche Wunsch nach Kontrolle, die gleiche großkotzige Art, um den Mangel an Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein zu überspielen, die gleiche Angst um einen geliebten Menschen, mit den gleichen miesen Folgen für beide Seiten, die gleiche Unfähigkeit nicht loslassen zu können und dem Gegenüber Eigenständigkeit zuzugestehen bei dem Kind. Bei der Mutter die gleiche stumme Verweigerungshaltung, die gleiche vorwurfsvolle Erwartungshaltung, das gleiche miese Sticheln, das gleiche Streit-vom-Zaun-brechen, das gleiche Selbstmitleid.
Auf beiden Seiten die gleichen manipulativen Spielchen, die Unfähigkeit den anderen sein lassen zu können wie er ist und miteinander reden zu können, statt an einander vorbei, weil interpretiert wird anstatt zuzuhören, weil nicht offen ausgesprochen wird was man denkt, sondern erwartet wird.
Der einzige Unterschied zu meiner Mutter und mir ist, keiner der Beteiligten ist alkoholabhängig oder nimmt andere Bewusstseins verändernde Drogen. Es sind zwar gemeinsame Wurzeln da, aber wenig Schnittmengen. Gleiche Familie aber von einander unabhängige Entwicklungen, nicht nur aufgrund geographischer Gegebenheiten. Ich würde es gern näher definieren, aber ich möchte meine Familiengeschichte nicht im www. verewigen.
Ist es also wirklich der Alkohol, der alles kaputt gemacht hat?
Für meine Arbeit an mir selbst hat dieses Erlebnis an sich keine große Bedeutung. Außer, dass es mir zeigt, was ich in den letzten Jahren gelernt habe. Ich habe erkennen können was da abläuft, vor drei Jahren hätte ich noch fröhlich mitgemacht und das ganze auch noch für völlig normal gehalten. Ich hätte es sogar noch um eine großen Schwung eigener Ratschläge bereichert und mich mit Feuereifer in die Probleme der anderen gestürzt. Was ich heute nicht mehr muss und wofür ich dankbar bin.
Trotzdem beschäftigt mich die Sache, es wirft Fragen in mir auf. Ist Alkohol wirklich die Ursache? Oder ist er nur ein Anker an den man sich klammert, weil man eine Erklärung sucht für das, was schief gelaufen ist? Oder ist er nur ein Verstärker von etwas was ohnehin da war und was ohnehin passiert wäre? Ist es sich die Sache einfach machen, wenn man sagt meine Kindheit mit alkoholabhängigen Eltern hat mich so geprägt?
Vielleicht werde ich Antworten finden, wenn nicht ist es auch noch so. Keine zu finden wird mich nicht hindern mich um selbst zu kümmern und jeden Tag ein bisschen mehr zu lernen, was das heißt und was es heißt mich selbst wichtig zu nehmen. Vielleicht wird es für mich zur Übung, etwas einfach als gegeben hinnehmen zu können und weil ich diesmal keine wirkliche Antwort finden kann.
Gruß
Skye