Wie schon in meiner Vorstellung angedeutet komme ich aus einer Alkoholikerfamilie. Mein Vater warf sich vor einen fahrenden Zug, als er durch Alkohol Führerschein und Arbeit verloren hatte. Allerdings wäre er ca ein Jahr eh an den Folgen seiner Trinkerei gestorben. Ich war damals 11.Meine Mutter ist eine Bilderbuch-Co-alkoholikerin - sie berauscht sich am Mitleid und der Bewunderung ihrer Umwelt, wenn sie sich um ihren Mann, später um ihre Kinder gekümmert hat.
Der älteste Bruder, Bankier, säuft (noch) unauffällig mindestens 2 Liter Wein zum Feierabend. Er redet nicht mehr mit mir, seit ich ihn auf sein Problem gestoßen habe.
Wir hatten eine schlimme Kindheit und eine zerfahrene Jugend, nachdem meine Mutter einen neuen Partner gefunden hatte. Damals war mein jüngerer Bruder noch nicht volljährig und auf die Gnade dieses Paares angewiesen. Damals schworen wir beide uns, uns immer gegenseitig zu helfen und auch aufeinander aufzupassen.
Ich bin ja jetzt trocken, aber mein "kleiner" Bruder hat sich mein Trinkverhalten abgeschaut und will mit mir nichts mehr zu tun haben, weil ich "vom Fach" bin.
Seit Mo. nun liegt er wieder mal in seiner Ferienwohnung, geht nicht ans Telefon, macht nicht auf und säuft.
Er hat inzwischen etliche Krampfanfälle und einige Delire hinter sich und war bereits 5x auf der Intensiv-Station. Seine Bauchspeicheldrüse will nicht mehr.
Meine Mutter hat ihn immer wieder "gerettet" (und immer erst mir erzählt, wenn die Milch schon verschüttet war) - zu Weihnachten tauchte er sturzbetrunken mit dem Auto bei ihr auf und konnte sich hinterher nicht mehr erinnern, wie er dorthin gekommen war. Meine Ma "entgiftete" ihn mit zugeteiltem Wodka, weil er nicht mehr in ein Krankenhaus gehen will (selbst für einen Privatpatienten zu peinlich - er verdient in der nordafrikanischen Wüste ein Geld, das er dort nicht ausgeben kann. Urlaub ohne seine palästinensische Frau, damit er in Deutschland "den Breiten" machen kann)
Wenn er bei dieser "Behandlung" mehr Durst hatte, wurde ihm von meiner Mutter mit mir gedroht: "Die macht das dann professionell! Willst du das?"
Dann gab sie ihm einen Tag frei und schon lag er betrunken in seiner Wohnung.
Nun ist die alte Dame (78J.) zusammengebrochen und hat alles mir übergeben - außer den Wohnungsschlüsseln, aber mein Bruder würde mir sowieso den Schädel einschlagen, wenn ich auftauchte.
Also habe ich benachrichtigt: Den Sozialpsychiatrischen Dienst (die kennen uns schon von einem 1. Versuch, es richtig zu machen, und haben ihn aber nur in dieses Krankenhaus geschaft), die Betreuungsstelle, die Amtsrichterin, den Amtsarzt, die Polizei (wg. dem Auto)
Fakt ist: Mein Bruder ist für sich und nun auch für andere eine Gefahr!
Gestern war ein Kerlchen von der Betreuungsstelle in der Wohnung (Mein Bruder hatte dem Beamten geöffnet). Er sah, wie er eine Flassche Wodka zur Hälfte austrank "wie Wasser" und sich dann zum Weiterschlafen umdrehte und hörte die deutlichen Worte: Ich gehe nicht ins Krankenhaus. Dann rief er mich an und wies mich zurecht: "Ihr Bruder hat ganz klar seinen Willen geäußert. Mein Job ist für heute erledigt." Hat er recht, weiß ich.
O-Ton Richterin dann am Telefon "In unserer Demokratie hat jeder das Recht sich totzusaufen."
Nun will man bis Montag warten und ein weiteres Mal - diesmal mit Arzt und Richter - meinen Bruder aufsuchen. Der Beschluß ist vorbereitet.
Aber bis Montag kann er schon tot sein und ich bin nun drauf und dran, doch hinzufahren und ihn unter einem für ihn wichtigen Vorwand zum Aufmachen zu bringen. (ich könnte seine Frau erwähnen. Diese hat mich tatsächlich aus Libyen angerufen und erklärt, daß die Firma bereits nach ihm fahndet. Ich soll ihn nun schnellstens nach Libyen verfrachten. Das hat tatsächlich ein Freund neulich fertiggebracht: Mein Bruder reiste gerade hinter der "Formel 1" her, als er in Tokio im Hilton hängenblieb und dort schließlich seine Suite verwüstete. Dieser Freund flog nach Tokio und schaffte ihn ins Krankenhaus - leider ohne Einzelzimmer - und wollte ihn mit Arztbegleitung über Deutschland mit Arztbesuch nach Libyen zurückbringen. Dummerweise ist dann mein Bruder aber aus dem 6-Bett-Zimmer ausgebüxt und selbstständig mit Hilfe von Drogen nach Deutschland geflogen, um dort in seiner Wohnung weiterzusaufen, bis er von meiner Ma "gerettet" und ins Krankenhaus gebracht wurde.
So. Und was mache ich jetzt? Soll ich wirklich bis Montag warten? Ich weiß natürlich auch, daß er im Entzug durchaus in der Lage ist, sich Nachschub per Taxi kommen zu lassen, entgegenzunehmen und auch zu bezahlen. Er hat es auch schonmal hinbekommen, in solch einem Zustand den Krankenwagen zu rufen. Aber das hilft ihm ja nicht weiter. Mit dem Arzt dort ist er schon fast per "Du" - nur leider hat dieser Arzt keine Ahnung von Sucht. Würde mein Bruder die Kurve ins Krankenhaus kriegen, würde das doch sein Elend nur verlängern!
Ich könnte natürlich mit diesem Arzt reden. Aber hat denn schon jemals ein normaler Nicht-Arzt einem Halbgott in Weiß etwas beibringen können?
Also noch einmal mein Problem: Ein gut betuchter Alki säuft sich zu Tode und ist dabei umgeben von Co-Alkoholikern. Mit einer Frau verheiratet, die ein Alkoholproblem nicht kennt und ihn auch noch nie in einem erbärmlichen Zustand erlebt hat.
Ich muß jetzt meine Mutter aufrichten, meinen Bruder auf eine geschlossene Station verfrachten - nur hier hat er ausreichend Zeit, wieder zu klaren Gedanken zu kommen und vor allem ein paar vernünftige Gespräche führen zu müssen - seine Firma vertrösten und seine Gattin informieren über etwas, was über ihren Horizont geht.
Weiß denn keiner, was ich tun soll? Ich will in diesen Co-Alkoholischen Klinsch nicht hineingezogen werden. Aber ich hatte meinem Bruder einmal ein Versprechen gegeben und bisher immer gehalten...
Über Antworten würde ich mich sehr freuen, wenn es jemand geschafft hat, bis zu Ende zu lesen.
Ich fang jetzt nicht von vorne an. Ich schicke jetzt alles ab.
Felix