schwester eines jungen alkoholikers

  • Hallo Daniela,

    ich war damals schon ausgezogen. Da ich trotzdem oft daheim war, fiel mir immer die angespannte Situation auf. Entweder schwiegen alle oder es wurde über ihn geredet, aber nicht mit ihm. Seltsame gedrückte Stimmung im Haus. Meine Mutter ist Alkoholikerin, trinkt "heimlich".

    Mein Bruder trank immer mit Freunden am Wochenende, wenn sie unterwegs waren. Irgendwie fand ich das damals normal, aber irgendwie auch nicht. Schwer zu beschreiben. Damals war ich nicht wirklich "wach", wie neben mir. Alles was mit Alkoholismus zu tun hatte blendete ich aus. Ich konnte ja auch das mit meiner Mutter nicht wirklich begreifen. Ich war damals völlig überfordert, auch unfähig für mich selber jemandem von "außen" um Hilfe zu bitten.

    Wegschauen, nichts sehen wollen oder können, Unbehagen, Scham, Überforderung, wenn ich nix sehe dann ist auch nix... Hm. So ungefähr war das für mich. Mit ihm geredet habe ich darüber nie, wir hatten eh nie wirklich guten Kontakt.

    Trocken wurde er nach einem Krankenhausaufenthalt. Er redet nicht über diese Zeit, alles wird totgeschwiegen, ausgeblendet, ignoriert. Wir haben so gut wie keinen Kontakt mehr.

    Beklemmend fand ich die Zeit und niederdrückend. Meiner Mutter versuchte ich eine zeitlang zu "helfen" ohne daß sie das wollte. Da sie daraufhin noch mehr trank, habe ich das gelassen...


    Ich bin die einzige aus der Familie, die aus diesem alkoholkranken System ausgestiegen ist. Die einen trinken, die anderen sind Co-abhängig oder haben Suchtverlagerungen entwickelt. Ich war jahrelang in Therapie.


    Wie geht es dir? Magst du ein wenig erzählen?

    Lieber Gruß, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Hallo Dan,

    mein älterer Bruder ist nasser Alkoholiker. Ich bin inzwischen trocken. Mein Bruder und ich sind früher viel "auf die Rolle" gegangen. Ist heute natürlich eine andere Situation. Ich kann ihn ab einem bestimmten Zustand nicht mehr ertragen, albern, blöd kommt er mir dann vor. Irgendwie macht mich das auch traurig, aber ich habe gelernt, ihn mit seinen Problemen loszulassen. Er muss selber den Willen haben, nicht mehr trinken zu wollen. Habe versucht, ihm die Vorteile des Nicht-mehr-Trinkens aufzuzählen, er hat dazu geschwiegen.

    Ich selber musste erst auf meine ganz persönliche (ist bei jedem anders) Schamgrenze runterfallen und habe mich dann aus eigenen Stücken dazu entschieden, mein Leben wieder lebenswert zu machen und damals mit Hilfe des Blauen Kreuzes Stabilität gefunden.

    In meiner Familie wird das Thema runtergespielt. Als ich vor einigen Monaten mit meiner Mutter über meinen Bruder gesprochen habe und ihr gesagt habe, dass er ja auch alkoholkrank ist, war sie ganz verwundert, er würde manchmal viel trinken, aber abhängig? Das hat mich echt wütend gemacht. Blindheit siegt? Sie selber kann viel vertragen, trinkt aber bei sich zu Hause nichts, nur bei Feiern.

    Alkohol verändert eine ganze Familie. Mir wurde gesagt, so viel hast du ja auch nicht getrunken, eigentlich bist du ja kein richtiger Alkoholiker, hä? Theoretisch hätte ich in meiner Familie einen Freibrief, wieder zu trinken. Inzwischen beginnt es aber so hie und da Klick zu machen. Insbesondere mit meinem Neffen, mit dem ich mich sehr gut verstehe, habe ich über meine Alkoholsucht offen gesprochen. Er selber war früher jedes Wochenende "zu", hat mir aber letztlich mal gesagt, dass er das kaum noch machen würde. Vielleicht hat da ja doch ein Umdenken eingesetzt.

    Ich glaube manchmal, dass die Blindheit gegenüber Alkoholkranken als Begründung dafür genommen wird, sich selber ohne schlechtes Gewissen die Birne zuknallen zu können.

    Mit Hilfe im Sinne von Ratschlägen oder gut zureden erreicht man glaube ich gar nichts. Ich habe, was meinen Neffen betrifft, einfach über meinen eigenen Werdegang und meinen Weg, wie ich immer tiefer gerutscht bin, gesprochen, insbesondere auch darüber, wie ich mich aus Scham, weil es mir peinlich war, nach 2 Bier schon zu stottern anzufangen und nicht mehr zusammenhängen sprechen zu können, nur noch alleine zu Hause mit meinen Bier- und Weinflaschen saß und keine persönlichen Kontakte mehr nach außen hatte.

    Glaube, dass wenn jemand schon zu tief in der Spirale drin steckt, dass man gar nichts machen kann, weil man nicht mehr auf klaren Verstand trifft.

  • Hallo Dan,

    wenn du magst, dann schau mal hier: https://beispiel.rocks/beispiel.rocks…bhaenigkeit.php Vielleicht erkennst du ja ein paar der Muster, die in alkoholkranken Familien vorkommen.

    Dan, du kannst nur für DICH hier sein. Du kannst deinem Bruder oder deinem Vater nicht helfen, wenn sie keine Einsicht in ihre Sucht zeigen und Hilfe gar nicht annehmen möchten. Auch deine Mutter, die immer wieder den Beteuerungen ihres Sohnes glaubt, kannst du nicht helfen. Du würdest gegen Windmühlenflügel ankämpfen... Jeder ist für sich selber verantwortlich, also auch sie.

    Von Außen kann man keinen Alkoholiker trocken bekommen, jeglicher Zwang ist sinnlos gegen die Sucht, der Rückfall vorprogrammiert. Erst am Tiefpunkt angekommen und mit der Einsicht etwas für sich selber verändern zu wollen, kann dein Bruder die Suchterkrankung zum Stoppen bringen.


    Du kannst für DICH etwas tun: dich hier mit anderen Erwachsenen Kindern austauschen zum Beispiel um besser zu verstehen, was der Alkoholismus in deiner Familie mit DIR macht. Und wie du davon inneren Abstand bekommst, Schritt für Schritt.

    Lieber Gruß, Linde


    P.S. wenn du unten auf ANTWORT ERSTELLEN klickst, dann wird nicht immer der vorangegangene Beitrag nochmal mitabgedruckt.

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

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