wie weit darf "nicht-hilfe" gehen?

  • Hallo zusammen,
    nachdem nun mal ein paar Wochen Ruhe war, geht bei meiner Mama alles wieder von vorne los. Der letzt Rückfall (hat sich über ca. 5 Tage gezogen, das ist 8 Wochen her) war so schlimm für mich, dass ich gedacht habe, ich dreh durch. Nun bin ich soweit, dass ich echt nicht mehr will.
    Ich frage mich immer, wie weit darf dieses "Hilfe verweigern" gehen? Ab wann ist es unterlassene Hilfeleistung? Kann man einfach nen Krankenwagne holen? Was ist wenn sie nicht mit will? Kann man sie zwingen ins Krankenhaus zu gehen?
    Ich fliege am Donnerstag in den Urlaub und bin dann eh nicht verfügbar...will ich zumindest nicht sein. Ich hab echt Angst, dass mir das meinen ganzen Urlaub versaut....ist das egoistisch? Und wenn, wärs mir auch egal. Das Theater geht einfach jetzt schon zu lange. Letzhin hat sie mir sogar gesagt, dass sie wohl bis jetzt immer zu weich gefallen ist...aber man kann ja nicht risikieren, dass sie ihren job und alles verliert. Naja, ihr seht schon, ich bin ziemlich hin und hergerissen....
    LG Missi

  • Liebe Missi,

    allein die Frage - Wie weit darf Nicht-Hilfe gehen ist schon völlig verkehrt herum. Die Frage sollte viel mehr lauten, was ist Hilfe und was ist ein "Abnehmen der eigenen Verantwortung?"

    Zitat

    Der letzt Rückfall ... war so schlimm für mich

    Hier geht es schon los. Es ist doch ihr Rückfall. Und er war schlimm für Dich? Ich verstehe gut, was Du damit ausdrücken möchtest, dennoch lädst Du etwas auf Dich was nicht Deins ist.

    Zitat

    Nun bin ich soweit, dass ich echt nicht mehr will.

    Das wäre ein Anfang. Bist Du wirklich so weit? Oder ist es im Augenblick nur die momentan verspürte Wut? Es wäre schön, wenn Du soweit bist, dass Du Dich wirklich abgrenzen willst.

    Zitat

    Kann man einfach nen Krankenwagne holen?

    Ja! Schlicht und einfach Ja.
    Wenn sie sich in's Koma säuft ist das ihre Sache. Hilfeleistung wäre dann noch die Verständigung von Notärzten im Falle eines akuten Bewusstlosigkeitsbesäufnis vor Deiner Haustür. Alles Andere soll nicht Dein Problem sein.

    Zitat

    Ich hab echt Angst, dass mir das meinen ganzen Urlaub versaut....ist das egoistisch?

    Hier gilt es zu trennen.
    1. Ja, es ist Egoismus, gesunder Egoismus.
    2. Wie soll Deine Mum Deinen Urlaub versauen? Fährt sie mit?

    Knallhart gesagt, wenn Du im Urlaub bist wird sie auch nicht anders saufen als wie wenn Du zu Hause bleibst. Also kannst Du auch in den Urlaub fahren.

    Zitat

    Letzhin hat sie mir sogar gesagt, dass sie wohl bis jetzt immer zu weich gefallen ist

    Deine Mum hat vielleicht in einem lichten Moment tatsächlich schon meh verstanden als Dir bewusst ist. Also leg ihr doch nicht dauernd ein Kissen unter wenn sie sich selber runterzieht.

    Zitat

    aber man kann ja nicht risikieren, dass sie ihren job und alles verliert.

    In diesem Satz steckt wohl so ziemlich das gesamte EKA und Co Verhalten in voller Bandbreite.

    Was heisst man? Du meinst Du kannst nicht riskieren, dass Deine Mum ihren Job verliert? Wie alt ist Deine Mum? 12?
    Wenn sie ihren Job riskiert, lass sie doch ihren Job riskieren. Misch Dich nicht in anderer Leute Leben ein!

    Auch das Recht auf eine gescheiterte Existenz ist unantastbar!

    Liebe Grüße

    Kaleu

  • Hallo Missi,

    bei Gefährdung des eigenen - oder fremden Lebens kann ein Mensch zwangsweise ins Krankenhaus eingeliefert werden.

    Wenn deine Mutter also ins Delir rutscht und dabei randaliert, oder Auto fährt oder so, ist es vernünftig, sie Einweisen zu lassen.

    liebe Grüße,
    Mikesch


    - Es gibt Augenblicke, in denen eine Rose wichtiger ist, als ein Stück Brot! - (R.M. Rilke)

  • Hallo Kaleu,
    vielen Dank für deine ehrlichen Worte. Du hast natürlich mit allem Recht, das ist mir klar. Mir fällt auch auf, nachdem ich meinen Beitrag etwas päter gelesen habe, dass mein Verhalten typisch ist.
    Du hast Recht, sie hat sich schon viel mit diesem Thema auseinander gesetzt. Ich eigentlich auch. Allerdings fällt es mir einfach trotzdem schwer, mich da rauszuhalten. Emotional ist das eh fast unmöglich, aber ich werde daran arbeitne müssen. Naiv wie ich bin, habe ich bis zuletzt, also bis Donnerstag letze Woche noch gehofft, dass sich doch alels zum Guten wendet...ja ziemlich naiv, ich weiß...
    Danke dir! LG

  • Liebe Missi,

    also wenn Du mich fragst, ich finde das gar nicht naiv von Dir. Vergiss nicht, dass Du das so Dein Leben lang lernen musstest. Mit Naivität hat das nichts zu tun.

    Acuh wenn ich sehr direkt und auch mit etwas harten Worten geantwortet habe, ging es mir nicht darum irgendetwas zu bewerten, sondern Dir ersichtlich zu machen, wie verstrickt Du in diese ganze verfahrene Kiste bereits bist und wie sehr das Selbst dabei verloren geht. So verschwimmen sehr schnell die Grenzen zwischen dem Ich (in diesem Fall also Du selbst) und dem Du (also Deine Mum).

    Ich kann sehr gut verstehen, dass es Dir nicht leicht fällt diese Grenzen zu finden, weil Du sie ja nie definieren durftest. Die Probleme und Verantwortlichkeiten Deiner Mum wurden ja auf Dich abgewälzt und als Du Dich noch nicht davor schützen konntest, warst Du gezwungen sie anzunehmen.

    heute ist es anders. heute bist Du erwachsen und kannst Dich davor schützen. Dafür ist wichtig zu erkennen, wo denn nun die Grenzen eigentlich sind. Dass Dich das beschäftigt, sieht man am Besten an der Frage. Die hast Du ja nicht aus Langeweile gestellt. Nicht zu wissen was denn nun "normal" oder "gesund" ist, ist nicht naiv. Du hast es doch nie lernen dürfen. Ich finde es sehr gut, dass Du diese Fragen stellst, es zeigt, dass Du Dich um Dich selbst kümmern möchtest. Da gibt es keine dummen Fragen.

    Ich hoffe, dass Du mir nicht böse dafür bist, wenn ich mit solchen direkten und klaren Worten geantwortet habe. Das war in keiner Weise wertend gemeint, sondern ich versuchte es so transparent und deutlich wie nur möglich hervorzugheben wo denn die eigentliche Grenze zwischen Deinen Verantwortlichkeiten und denen Deiner Mum verläuft.

    Am einfachsten zu finden sind diese über das Personalpronomen.

    Ihr Leben!
    Ihr Job!
    Ihr Suff!

    Liebe Grüße & viel Kraft

    Kaleu

  • Hallo Kaleu,

    vielen Dank dafür, ich fand das, was du mir gesagt hast sehr gut! Nicht zu hart, es ist halt nun mal leider die Realität...

    Ich muss sagen dass sich das Problem bei meiner Mum seit ca. 10-13 Jahren durch ihr Leben zieht und somit auch durch meines, d.h. da war ich ca. 16 Jahre als sie anfing, immer mal wieder (also nicht täglich) total abzustürzen. Sie war immer für mich da, ich kann ihr da gar nichts vorwerfen, sie ist eigentlich schon eine starke Frau. Das machts für mich schwieriger, weil ich nicht sagen kann: Sie is eh ne miese Mutter, also soll sie bleiben wo der Pfeffer wächst. Aber trotzdem darf sie meine Geduld und Liebe nicht so überstrapazieren...
    Ja, du hast recht ich bin sehr verstrickt in der Sache. Aber Worte wie Deine helfen mir, die Realität zu sehen.
    Also vielen Dank!
    LG

  • Liebe Missi,

    Zitat von Missi

    Das machts für mich schwieriger, weil ich nicht sagen kann: Sie is eh ne miese Mutter, also soll sie bleiben wo der Pfeffer wächst.

    Das widerum wäre Ignorranz. Es ist und bleibt Familie. Und Menschen die einem was bedeuten, bedeuten einem nun mal was. Das ist auch ganz richtig und wichtig so. Ignorranz führt nur in Gefühlskälte und Abstumpfung und ich finde, damit tut man sich auch keinen Gefallen.
    Das vollständige Ignorrieren eines anderen Menschen sehe ich nur als allerletzte Möglichkeit an, wenn alle Anderen Wege der Verständigung und des Selbstschutzes ausgereizt sind und nicht mehr helfen.

    Das tatsächlich schwierige ist es eine gesunde Mitte zu finden. In diesem Fall ein für Dich gesunde Mitte. Denn um Dich geht es, nicht um Deine Mum!

    Wenn Du ihr helfen willst, sie unterstützen möchtest, so kannst Du das tun. Zeig ihr Möglichkeiten auf die sie nutzen kann. Selbsthilfegruppe, Entgiftung, Therapie, Ärzte. Die Aufgabe diese Möglichkeiten zu nutzen liegt aber nicht bei Dir sondern bei Deiner Mum. Wenn sie ihr Leben weiter ruinieren möchte, so ist das ihre Entscheidung. DU kannst ihr durchaus sagen, was Du davon hälst. Du kannst ihr auch sagen, dass es Dir weh tut sie so zu sehen. Dennoch ist es weder Deine Schuld noch Deine Verantwortung was sie letzten Endes daraus macht.

    Jeder darf Jedem die Hand ausstrecken und ihm Hilfe anbieten. Diese Hand anzunehmen oder auszuschlagen liegt aber bei dem Gegenüber und wie immer er sich entscheidet muss diese Verantwortung bei ihm bleiben dürfen.

    Klar ist es schwierig wenn man emotional da drin steckt die Grenzen zu finden. Um so wichtiger ist es, dass Du für Dich selbst die entsprechende Distanz aufbaust. Nur dann kannst Du auch ein wenig klarer sehen.

    Dafür musst Du nicht unbedingt Distanz zu Deiner Mutter aufbauen. Aber dennoch Distanz zu den Problemen Deiner Mutter. Es sind ihre Probleme.

    Liebe Grüße

    Kaleu

  • Die Möglichkeiten kennt sie alle. Sie ist gut informiert. Machnmal hab ich schon Angst, dass sie ZU gut informiert ist. Weil sie weiß was auf sie zukommen wird. Ich denke die größte Angst hat sie einfach davor, sich stellen zu müssen, endgültig, ohne Ausflüchte. Und dann wieder zu versagen. Hmm, naja, keine Ahnung, bin ja auch kein Psychotherapeut.
    Aber du hast Recht: Die Mitte zu finden ist schwer. Ich versuche das.
    Hat jemand vielelicht eingen guten Buchtip? Im Forum sind zwar einige angegeben, aber ich weiß nicht genau welches da gut ist. Any suggestions?
    Vielen Dank,
    LG Missi

  • Liebe Missi,

    speziell für EKAs fand ich "Um die Kindheit betrogen" sehr schön. Es ist etwas softer und stürzt einen nicht gleich in Depressionen, ist zugleich aber gut geschrieben und enthält eine Handvoll alltagstauglicher Strategien. Ein Allheilmittel ist es aber nicht, mehr so eine Art vorsichtiger Einstieg. Es beschäftigt sich vor allem mit dem EKA selbst, weniger mit der gesamten Familie.

    Wirkliche Klasse und sehr detailliert und wohl noch immer das Beste zum Thema fand ich "Familienkrankheit Alkoholismus". Es ist etwas schwerer zu verköstigen wenn man den nötgen Abstand zum Thema noch nicht finden kann. Dann kann es einen ganz schön runterziehen. Andererseits beleuchtet es wirklich alle Seiten und ist herzerfrischend ehrlich. Für mich persönlich eins der besten Bücher zum Thema was es gibt.

    Liebe Grüße

    Kaleu

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