Schweigen erspart Streit

Hallo zusammen,

erst mal die gute Nachricht: meine Mama erholt sich zunehmend von ihrer Krebsoperation, mein älterer Bruder hat sich gut um sie gekümmert.

Im Anschluss war ich dann wieder 5 Tage bei ihr und hab sie umsorgt, gekocht, geputzt, gewaschen - was in einem Haushalt halt so anfällt.

Letztes Mal hatte ich ja einen heftigen Streit mit meinem Vater (Alkoholiker seit mehr als 40 Jahren). Teile des Streits hatte er meiner Mama vorgeworfen. Dieses Mal habe ich ihn ignoriert und nicht ein Wort mit ihm geredet. Nicht mal "Guten Morgen" oder "Gute Nacht". Ich habe einfach keine Lust mehr, heile Welt zu spielen. Und ich wollte ihm keine Munition mehr liefern.

Das Ganze war insofern sehr wirkungsvoll, als ich ihn damit sehr aus meiner Gedankenwelt ausklammern kann. Um mich zu fragen, warum ich schweige, war er zu feig.

Hilfe bekommt sie von ihm NULL. Er ist zwar in Rente - findet aber ständig Gründe, warum er stundenlang abhauen muss, kümmert sich gar nicht um sie, verbreitet Lügen über sie im Dorf und kommt dann besoffen heim.

Macht eines der erwachsenen Kinder etwas, beschwert er sich lauthals, dass er zurückgestellt wird und nicht helfen darf. Beispiel: ich habe Altglas & Altmetall entsorgt, das seit Wochen im Keller vor seiner Werkstatt stand und er ignoriert hat. Da hiess es dann, dass er das doch auch hätte machen können. Tut er aber ja nicht. Er hatte 4 Wochen Gelegenheit dazu.

Nachdem ich dann weg war, hat Mama mit ihm gestritten und ihm alles an den Kopf geworfen, was sie belastet. Das war für sie sehr befreiend und sie gewinnt zunehmend an Stabilität und Klarheit. Ich habe ihr einiges hier vom Forum erzählt und sie erkennt inzwischen immerhin, dass sie keine Schuld hat und co-abhängig ist. Inwiefern sie dann an ihrer Situation etwas ändern will und kann, muss sie selbst entscheiden.

Ich überlege, ob ich ihr ein gutes Buch zu dem Thema schenken soll. Was meint ihr dazu?

Danke für dieses Forum - es ist echt Gold wert.

Liebe Grüsse,
Heidi

Hi Shirley,

meine Mama ist psychisch erstaunlich stabil, gibt ihm kräftig kontra und hat ein ziemliches "Mach-doch-was-Du-willst"-Gefühl ihm gegenüber entwickelt. So kann sie endlich zur Ruhe kommen.

Ich selber bin dieses Wochenende endlich mal wieder daheim bei mir und versuche, mein Leben wieder zu sortieren und zu organisieren.

Sie ist immer noch sehr schwach und kann sich kaum länger als eine halbe Stunde auf den Beinen halten. Buchhandlung gibt es bei uns im Ort nicht. Internet kann sie nicht bedienen. Insofern macht es schon Sinn, dass ich eins besorg.

Ehrlich gesagt, will ich jetzt auch nicht jede Nettigkeit und Freundlichkeit als Co-Verhalten hinterfragen. Ich denke einfach, ihr würde so ein Buch vielleicht ähnlich helfen und die Augen öffnen wie mir das Forum.

Und wenn nicht, dann war es einen Versuch wert. Was sie daraus macht, muss sie selber wissen.

Liebe Grüsse,
Heidi

Hallo Shirley,

danke für die Nachfrage.

Ich war diese Woche wieder bei ihr und habe sie (wieder mal) heulend nach einem Streit & wortlosem Abhauen von und mit meinem Vater vorgefunden. Er ist zu seinem Saufkumpanen geflüchtet.

Der Ärmste fühlt sich zurückgestossen, weil er nicht informiert wurde, dass ich vorbeikomme (und damit seinen ausgeklügelten Saufplan störe) - ichichich .. nichts anderes kann der Egoist nicht denken. Ich bin unendlich wütend auf ihn und rede nach wie vor nicht mit ihm.

Das Buch habe ich bestellt, werde es ich ihr aber erst geben, wenn sie in der Lage ist, es zu lesen. Momentan geht lesetechnisch noch nicht viel. Sie ist noch sehr schwach. Ausserdem wird sie das psychisch auch sehr mitnehmen - das wäre jetzt wohl noch zu früh. Sie soll erst mal ganz gesund werden und die Bestrahlungen hinter sich bringen.

Liebe Grüsse,
Heidi

Hallo Mikesch,

ja - das ist alles sehr anstrengend. Zumal jeder Besuch mit 1'000 km Fahrt verbunden ist.

Wenn ich nicht sehen würde, wie sie in meiner Anwesenheit aufblüht, könnte ich es vermutlich auch nicht.

Ich kann nach wie vor meinen Vater nicht verstehen, wie man so herzlos sein kann und jemandem, der so krank ist, nicht EINMAL Tee kochen oder fragen kann, wie es geht. Da heisst es nur "die alten Weiber halten schon was aus" und dass ihm auch alles weh tut. Diese dummen Sprüche - ich kann es nicht mehr hören.

Nächste Woche fahr ich auf dem Weg zur Uni nochmals bei ihr vorbei und back Plätzchen mit ihr. Und Weihnachten werde ich vermutlich am 23.12. hoch fahren und ihr mit kochen, Baum schmücken, etc. helfen. Am 25. oder 26. fahr ich spätestens wieder heim. Das wird auch wieder anstrengend werden. Mental und emotional anstrengend. Der Rest macht mir nichts aus - ich arbeite gern.

Liebe Grüsse,
Heidi

Danke Mikesch - das ist lieb von Dir

Ich gehöre zu den funktionierenden EKA's und Mamas Beispiel (ihre Abhängigkeit von meinem Vater) war mir immer Ansporn, niemals von irgendwas abhängig zu sein und mir eine ausgezeichnete Ausbildung selbst zu finanzieren. Nächstes Jahr folgt der 3. akademische Titel (und der vorerst letzte).

Nächstes Jahr muss ich viel aufarbeiten und an mein Seelenleben ran - für mich!

Das Forum hat mir schon sehr viel geholfen, um meine eigenen Muster zu erkennen und auch die Verhaltensweisen von meinem Vater und auch meiner Mutter entsprechend einzuordnen.

Ich bin grad an meiner Doktorarbeit B)

Gibt schlimmeres als Ausbildungssucht ....

Aber - logisch - auch das ist eine Art Kampf um Anerkennung ...

Meine nächste Ausbildung wird das Studium der Selbstliebe.

Die ersten Schritte hab ich auch schon unternommen. Und JA - es lohnt sich definitiv