Meine Mutter und der Wodka

  • hallo liebe arv!

    danke für dein vertrauen.

    gar nicht so leicht, ohne schlechtes gewissen über die scheinbar zeitweise
    so perfekte mama zu schreiben!

    bei mir ist es ähnlich. sie kann eine ganz tolle frau sein, selbstbewusst,
    aktiv, sogar aufopfernd!

    aber sie hat, genau wie deine, eine "dunkle seite"- die sucht.

    diese bewirkt, dass die mama, die sonst nie ohne dusche ihr knäcke
    zu sich nehmen würde, die liebend gern wäsche wäscht, die sich pflegt,
    etwas in schmucke kleidung investiert und "was auf sich hält" plötzlich
    wie ein verknittertes häufchen elend ohne jede selbstachtung vor einem
    sitzt.

    das tut verdammt weh. schließlich hat sie es einem ja eingebleut: eine
    frau hat so zu sein, ein mensch hat sich so zu verhalten, ..."-

    plötzlich scheint sie genau der mensch zu sein, den sie selbst mit
    verachtung strafen würde, wenn er so vor ihr stünde!

    und als tochter kann man es nicht fassen. soweit ist es mit ihr gekommen?
    dass ihr alles egal ist? sie "drauf pfeift", dass die familie das auch noch
    mitbekommt? sie sogar aggressiv wird, und andere beschimpft?

    es ist alles teil der krankheit und sie ist jetzt weiter fortgeschritten.

    meine mutter ist auch sehr stolz- SIE braucht doch keinen therapeuten,
    das brauchen irgendwelche unfähigen menschen, die sich für faulheit/
    unfähigkeit bemitleiden lassen wollen und sich von selbst nicht aufraffen
    könne, ein anständiges leben zu führen.
    SIE hingegen hat ja immer gearbeitet und gehört nicht zu solchen
    versagern.

    das ist kein STOLZ, das ist verleumdung von tatsachen!

    du bist weiter als ich und hast dich weitesgehend ausgeklinkt.

    klar, dass du deshalb nicht vollkommen erleichtert bist!

    man macht sich eben sorgen: kapieren sie es irgendwann? werden sie
    die notbremse ziehen? oder "dürfen" wir dem langsamen verfall (und sei
    es auch aus der ferne) zusehen?

    loslassen ist wohl das zauberwort. ganz glücklich und unbeschwert
    wird man in der hinsicht aber wohl nie sein!

    liebe grüße

    fatima

  • liebe arv!

    das war sicher hart für deine mutter- und man muss das auch
    anerkennen.

    auch meine mutter hat dinge erlebt, die hart zu ertragen waren.

    und auch bei uns ist das alkoholproblem, wie in so vielen familien,
    schon in vorigen generationen präsent gewesen.

    es ist total anstrengend, sich diesem mitleid zu entziehen. denn leider
    ist es genau diese mitleid, das einen manchmal zum "förderer" der
    sucht macht!

    ich habe das mitleid sogar noch mitgelernt, weil mein vater mich regelrecht
    dazu animiert hat: die arme, sie arbeitet viel, sie tut soviel für dich,
    sie opfert sich auf, sie ist ein so toller mensch...!

    das hat aber zu immensen schuldgefühlen geführt, wenn ich sie bzw.
    ihre verhaltensweisen dann mal kritisiert habe! somit ließ ich viel mehr
    als nötig "durchgehen".

    ich werde das wahrscheinlich nie ganz ablegen können. und du wahrscheinlich
    genausowenig!

    dennoch finde ich, man kann sich kleine techniken angewöhnen, um nicht
    immer im kreis zu wandern. zb einfachmal in sich gehen, und die lage
    (versuchen) objektiv zu bewerten- genau wie das festgefahrene verhalten
    einiger nahen verwandten!

    je öfter man so "innehält", umso klarer wird einem, man ist auf einem
    "erkenntis-weg" und allein das finde ich, macht einen ein stück weit
    stärker!

    hier zu schreiben bestärkt im übrigen auch.

    man hat einfach mit menschen zu tun, die gewisse strukturen kennen
    und einen notfalls auch mal dran erinnern, worum es in unserem leben
    eigentlich geht: und das ist jedenfalls nicht, dass sich das gesamte
    verhalten nur noch um einen (wenn auch noch so bedauernswerten weil
    unfähig zur eigenen heilung) menschen dreht!

    ich finde aber, du hörst dich an, als hättest du bereits viel über dich
    und deine rolle in der ganzen sache nachgedacht- das ist gut!

    liebe grüße

    fatima

  • Hallo ARV,
    du bist nicht dumm. Ich habe dieses Hin und her die letzten 10Jahre mit meiner Mutter durchgemacht und ich könnte selbst deine Mutter sein!
    Egal was du ihr Gutes tust, sie wird wieder etwas tun, was schlecht für dich ist und dich verletzt. Meine Mutter ist vor knapp 2 Monaten an den Folgen dieser Sucht gestorben und ich habe sie nicht mehr gesehen. Weil ich diese Situation nicht mehr ertragen habe, ständig zwischen ihr, meinem Vater und dem Alkohol zu stehen, habe ich ihr dies auch so mitgeteilt. Ihre Reaktion war die komplette Streichung meiner Person aus ihrem Leben.
    Ich mußte feststellen, dass wohl für sie galt: Wer nicht für mich ist, ist dann eben gegen mich! Und so entschied sie sich gegen mich.
    Jeder hat die gleiche Geschichte und doch gibt es nicht DIE Lösung. Ich kann dir nur raten, mache dich stark, damit du all das aushalten kannst, was noch garantiert auf dich zukommen wird. Deine Mutter hat sich entschieden, lass nicht zu, dass ihre Entscheidungen dich runterziehen.
    Meine Tochter war noch sehr jung, als meine Mutter deshalb fast gestorben ist, sich dann aber nochmals 6 Jahre weiter zerstörte.

    Mein Vater fand sich auch damit ab, er sagte immer: Mit Alkohol muss man eben umgehen können und wer das nicht kann, hat eben Pech. Diese Generation hat aus Scham vieles verleugnet.

    Ich wünsche dir Kraft für DEIN Leben.
    Alles Gute!
    Erwachsen

  • Hallo Arv,

    deine Wortwahl "brauchbar" bzw. "unbrauchbar" fällt mir auf.

    Sollten Menschen brauchbar sein? Möchtest du brauchbar sein oder als unbrauchbar bezeichnet werden?

    Was steht hinter dieser Wortwahl bei dir für eine Einstellung? Ich frage einfach mal..


    Lieber Gruß, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • hallo liebe arv und liebe linde

    die "brauchbar"-wortwahl hab ich auch

    das ist -zumindest bei mir- ein komplex den mir meine "perfekte
    mutter" eingeredet hat

    also grob gesehen haben meine alkoholkranke mutter und mein
    co-vater auch ähnliche züge wie arv ihre eltern beschrieben hat

    nämlich 2 könner, die es offiziell zu was gebracht haben, einen gewissen
    status haben, der ihnen auch SEHR wichtig ist

    zudem ist es wichtig, nie auszusehen wie "unnütze" menschen: also
    leute, die "sich gehen lassen", sowohl äußerlich als auch innerlich

    und angeblich lagen die meisten familienprobleme an meinem ausbruch
    aus dieser fassade

    weil ich merkwürdigerweise nicht so "funktionierte" wie ich sollte-
    also auch etwas in richtung "unbrauchbar"

    ich weiß das ist alles quatsch- aber habe trotzdem ein irre schlechtes
    gewissen zb dass ich noch nicht DEN tollen job etc habe, wie sie es in
    meinem alter längst gebacken gekriegt hatten

    es fällt auch meinem vater total schwer einzusehen, dass eben nicht immer
    alles so toll war, wie es nach außen aussehen sollte

    tja- und so ist auch ein quälender gedanke von mir, wenn ich schlecht
    drauf bin, "bin ich zu irgendwas nütze? bin ich nicht viel zu unfähig?
    was nutzt jemand wie ich einer gesellschaft"usw.

    das ist wie eingeimpft.

    lg

    fatima

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