Wie soll ich anfangen...hab schon ein paar Mal hier geschrieben, und auch ich habe (natürlich) meinen persönlichen Alkoholiker, doch diese Geschichte nur in Kurzform. Er war vor einigen Wochen übers Wochenende bei mir, nachdem er zum 39489237. Mal trocken war...alles gut. Ich blieb skeptisch. Er kam wieder...immer noch alles gut. Ich blieb skeptisch. Am 4. Tag verwandelte er sich wieder in das Monster, das ich kenne...ich tippe auf Entzug. Und wie schon so oft packte er mich da, wo es am meisten weh tut: Er drohte, zu gehen. Packte, wie so oft, seine Reisetasche und teilte mir mit, daß er im Park schlafen würde. Na, soll er doch, mein Hintern wird da nicht kalt. Einige Stunden später ein tränenreiches Telefongespräch, er würde bitte wiederkommen wollen...torkelte die Treppen rauf und lag besoffen im Hausflur. Tolle Sache. Ich habe ihm gestattet, auf der Couch zu schlafen, was er auch tat. Am nächsten Tag fand ich einen völlig dekompensierten Menschen vor, der sich an nichts erinnern konnte und mich bat, ihn in eine Klinik zu bringen. Habe ich getan. Aufnahmewert 4 Promille...
Die Tage im Krankenhaus war er wieder der Mensch, den ich einst kennengelernt habe. Sogar seine rote Säufervisage wandelte sich in ein Gesicht, unglaublich.
Die Zeit nach dem Entzug...na ja, er hat's zwei Tage ausgehalten. Dann folgten wieder die üblichen Beschimpfungen. Und mal wieder drohte er, zu gehen, packte seine Taschen und verschwand im Park. Ach ja, es hat geregnet, wie schade für ihn. Auch diesmal kam er wieder.
Und jetzt zu dem, was ich erzählen will: Ich habe es mir angesehen. Habe mich bewußt ans Fenster gestellt, als er sein Kommen ankündigte. Habe mir angesehen, wie er mit seinen Reisetaschen die Straße langtorkelt. Habe ihn reingelassen. Habe mir bewußt angesehen, wie er im Flur steht und schwankt, sich nicht mehr auf den Beinen halten kann. Sein Gesicht. Ihn. Habe mich ihm gegenüber gesetzt und mir seine bösen und beleidigenden Worte angehört, sein verquollenes Gesicht angesehen, die verschwundenen Augen. Ich habe sogar ein Foto gemacht, das ich mir immer wieder anschauen werde, sollte mich eine Erinnerung an schöne Zeiten überkommen. Ein Foto, auf dem er aussieht wie der letzte Mensch. Ein Foto, das ihn so zeigt, wie er sich benimmt. Und nicht das, was ich in meinem Herzen trage.
Ich habe wie ein Tonband seine Sprüche in mir aufgenommen, wie sehr ich lüge, ihn betrüge, wie viele Probleme ich habe, und daß man mit mir ja keine Beziehung führen kann...und auch das nächtliche Konzert aus dem Wohnzimmer, das aus "Fuck-you-Rufen" bestand. Und damit übertöne ich sein "Ich-liebe-Dich-Geschwafel".
Er sagte mir, wenn er bei mir sei, müsse er ja Schnaps trinken. Daheim trinke er abends (ja, angeblich nichts), nein, eine oder zwei Flaschen Bier oder ein Glas Wein, damit würde er gut klarkommen. Bei mir dürfe er das ja nicht, deshalb müsse er Schnaps trinken...wenn es nicht so traurig wäre, wäre es zum Lachen...Logik eines verspritteten Hirnes. Und clever ist er...er konsumiert jetzt Miniflaschen, die er nach dem Austrinken sofort entsorgen kann, und ich ja nichts finde...er hält sich für sehr clever...
Na ja, und als ich dann feststellen durfte, daß er mir auch noch 50 Euro geklaut hat, kommt der junge Herr jetzt vorerst nicht ins Internet. Wie dumm, daß er meinen Stick benutzt (ja, zahlen darf ich den)...und ich den habe sperren lassen. Ooops, hat er sich deshalb noch nicht gemeldet (das war jetzt Ironie)?
Ach so, es tut ihm leid. Er möchte bald wiederkommen. Er liebt mich. Ach ja...wie war das doch gleich...ach ja, "fuck you" war die Parole der Nacht.
Vielleicht kann der/die eine oder andere was damit anfangen...