Mein erster trockener Urlaub - ein neues Leben!

  • Hallo ihr lieben,

    ich habe meinen ersten trockenen Urlaub im Ausland, Tunesien verbracht. Dabei hatte ich mir - gerade im hinblick auf Rückfallrisiken lange Zeit einen Kopf gemacht.

    Sollst du - sollst du nicht - da wird bestimmt viel getrunken, hällst du das ohne aus - waas machst du wenn du die 8 Tage keinen Anschluss findest usw...

    Was soll ich sagen? Ich hab mich deshalb für ein Land entschieden wo ich dachte es wird nicht soviel getrunken, ein Hotel mit Abwechlungsreichen Angeboten, muslimisch weil ich dachte da wird nicht soviel getrunken.

    Ich bin alleine geflogen, von daher hatte ich schon etwas Panik. Es hätte keinen gegeben der mich vor irgendetwas geschützt hätte. Das Küken verlies das schützende Nest. Mein Drang nach weg - Sonne - Freiheit - Ausbrechen war sehr groß nachdem ich lange Zeit doch eingeengt war.

    Erst der Entzug, die Langzeit, die Nachbehandlung. Dann die Arbeit. Kaum Freizeit. Es wurde Zeit wenigstens etwas für mich zu tun, auszubrechen. Das habe ich dann auch getan.

    Der Flug war Nachtflug. Viele Muslime, wenig Urlauber, kaum Alkohol im Spiel. Das richtige Ambiente.

    Am Urlaubsort sah es schon anders aus. Im Hotel wurde sehr viel von den am meisten anwesenden Russen, Polen und Franzosen konsumiert. Beim Essen war es selbstverständlich das Wein angeboten wurde. Die Angestellten sprachen/Verstanden oft schlecht English. So hatte ich schonmal Probleme ihnen klar zu machen - No Alcohol!

    Es dauerte 2 Tage - in denen meine Nerven wirlich strapaziert wurden - bis begriffen war das dieser "Ausländer" keinen Alcohol mag. Dann klappte das und mir wurden alcoholfreie Drinks angeboten und auch gemischt. Nut noch selten das ein Kellner es vergass, ich musste aber schon darauf achten das mir nicht ausversehens etwas eingeschenkt wurde. So wollte mir mein Lieblingskeeper in Gedanken und im Gespräch Alcohol untermischen. Aber ich bekam es ja mit und er entschuldigte sich. Er selbst trank auch keinen.

    Das schöne für mich war das nüchterne Erleben der Schönheit dieses Fleckchens Erde. Ich war von Anfang an faziniert wie schön es sein kann.

    In der Ankunftsnacht schlief ich erst gar nicht weil ich den Sonnenaufgang erleben wollte, ich lag nur knapp 2 Std. zum Ruhen. Es war herrlich als die Sonne aufging und ich vom Zimmer aus das Meer und den Strand sehen konnte, bald daruf die ersten Einheimischen und Gäste.

    Die Luft war herrlich und die Meeresbrise tat mir sehr gut. Tagsüber hatte ich für Gedanken keine Zeit, es gab vieles zu sehen und zu erleben und ich fand auch schnell Anschluss an andere Deutsche Urlauber die auch nüchtern waren und keinen Alkohol tranken.

    Die Tage gingen viel zu schnell vorbei. Abends trafen wir uns noch draussen und klönten schonmal bis nach 01:00. Es kam gar kein Gedanke und keine Ambition auf sich von der Alkhollaune anderer anstecken zu lassen, ganz im Gegentel. Wir konnten uns herrlisch amüsieren wenn sich mancher - vor allem spät Abends/Nachts vollends blamierte weil er sich nicht mehr so wirklich unter Kontrolle hatte und z.b. angezogen meinte im Schwimmbecken Baden zu müssen. Am Meer selbst war es nachts zu kalt und windig so das dort kein Betrieb war.

    Ich habe viel von der Umgebung gesehen und ich muss sagen ich habe diesen Urlaub sehr genossen und viel positives daraus gezogen. Vor allem habe ich dort wieder etwas Lebensfreude gefunden und seit langem wieder etwas was ich auch verloren hatte. Auch wieder Spaß an Bewegung, etwas Tanzen und am Leben.

    Zurück aus dem Urlaub kam natürlich schnell wieder die "tägliche Routine". Aber ich denke ich kann noch lange von den Erinnerungen profitieren. Nach den vielen Jahren in denen ich alles nur im Rausch erlebt habe und nicht bewusst ist dieses nüchterne Erleben eine sehr wertvolle und wichtige Erfahrung. Sie zeigt mir auch wie schön es sein kann bewusst durch das Leben zu gehen, auch wenn es immer wieder mal schmerzhafte Momente geben wird. Doch da ich mich heute bewußt damit auseinandersetzen kann und nüchtern kann ich auch mit schmerzhaften Momenten gut umgehen.

    Ich wünschte ich hätte es früher gelernt, aber das ist nat. jetzt nicht mehr möglich. Die Uhr zurückdrehen kann ich nicht.

    Aber jeden Tag bewußt geniessen und meine Erlebnisse - ob positive oder negative - bewusst verarbeiten und ohne zu verdängen - das kann ich mittlerweile. Und das ist es was mir am wertvollsten und wichtigsten geworden ist.

    Nicht verdrängen, sondern verarbeiten. Nicht weglaufen vor Problemen - sondern auseinandersetzen und Lösungen finden. Nicht nur das negative sehen - sondern auch das schöne. Nach Regen kommt auch wieder Sonnenschein. Und auf diesen kann ich mich freuen.

    Viele Grüße

    hans klein

  • Hallo Hans,

    am Urlaubsort kann man unverhofft in Situationen geraten, die das Suchtgedächtnis massiv triggern. Umgeben von trinkenden Miturlaubern in lockerer Atmosphäre, Gruppendynamik, es sieht ja keiner, dabei sein wollen, nur mal ein Glas, Gedankenlosigkeit usw., all das kann zum Rückfall führen.

    Nicht zuletzt deswegen schreiben wir hier im Forum, daß man mindestens ein Jahr trocken sein sollte, bevor man in Urlaub fährt. Die sichere Burg zuhause, das alkoholfreie Umfeld der eigenen Wohnung, das fehlt auf einmal. Und wenn die Trockenheit da noch nicht stabil ist, begibt man sich unnötig in große Gefahr.

    Ich kann gut verstehen, wie sehr du den Urlaub gebraucht und auch genossen hast. Du hast im Vorfeld hingeschaut und überlegt, wo du als trockener Alkoholiker hinfahren kannst. Daß das sich so schräg entwickelt, war vielleicht nicht absehbar. Eine Nachfrage im Reisebüro hätte vielleicht mehr Klarheit gebracht über die Gegebenheiten vor Ort?

    Eine Sache fiel mir beim Lesen auf, das waren die alkoholfreien Drinks. Oft ist es ja so, daß diese Cocktails in denselben Gläsern serviert werden und auch so aufgemacht sind, wie alkoholhaltige Drinks. Das kann das Suchtgedächtnis triggern und mit Zeitverzögerung nach dem Urlaub zuschlagen.

    Schau da gut bei dir hin, ob sich bei dir da insgeheim die Grenzen etwas aufweichen.

    Wie geht es dir inzwischen im Alltag?

    Lieber Gruß, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Hallo Linde, das Suchtgedächtnis ist individuell -

    wie die Sucht selber.

    Ich hatte heimlich getrunken. Es versteckt. Niemanden anmerken lassen. Selbst vor Arbeitskollegen die sehr eng mit mir arbeiteten konnte ich das sehr lange gut verstecken. So habe ich "in der Öffentlichkeit", in Diskos, Kneipen, Open Air Veranstaltungen sehr selten überhaupt mal über die Stränge geschlagen. Ich war also kein Gesellschaftstrinker.

    So denke ich konnte mein Suchtgedächtnis da nicht groß Alarm schlagen. Zudem hatte ich meistens Bier - und dann meist auch noch aus der Flasche - getrunken, ziemlich viel aber bis auf Ausnahmen keine "Mode" Getränke und schon gar keine Longdrinks. Wenn dann das in kleinen Gläsern und dann meist pur.

    Alkoholfreie Longdrinks kann ich mit angenehmem Verbinden da ich diese schon früher in seltenen fast nüchternen Zeiten getrunken habe und dann schon in angenehmer Gesellschaft. Obwohl mir man da auch Verlagerung vorwerfen könnte, aber da glaube ich jetzt nicht dran. In der "Gruppendynamik" hab ich eher schlechte bis sehr schlechte Bezüge zum Trinken von Alkohol, schlechte Erinnerungen.

    Viel gefährlicher ist ein anderes Erlebnis , ich möchte ich es nicht verheimlichen oder so tun als wäre ich gar nicht mehr gefährdet. Es hat mir ernsthafte Schwierigkeiten bereitet und beschäftigt mich auch noch.

    Ich bin schon länger alleine und hatte eine nette Dame kennengelernt. Ich war auch mit ihr zusammen, ich sage mal ich habe Nähe gebraucht und Zärtlichkeit weiter möchte ich da nicht viel zu sagen. Leider hat sich rausgestellt das sie ein Alkoholproblem hat.

    Erst hat mich der Geruch nach Alkohol abgeschreckt aber bei näherem Kontakt hat mein Suchtgedächtnis versucht zuzuschlagen. Ich bin nicht rückfällig geworden. Aber ich hatte was sich kaum einer vorstellen kann (denke ich zumindest) 2 Tage den Eindruck Biergeschmack im Mund zu haben nur vom Küssen. Ich kam auch in Versuchung selber zu trinken aber ich konnte es lassen.

    Von daher weiss ich das ich mich nicht als "geheilt" betrachten darf. Ich werde sie nicht mehr wiedersehen weil mir das Risiko zu hoch ist rückfällig zu werden. Es schmerzt zwar auch, aber ich bin soweit stabil das ich weiss das ich diesen Weg gehen muss. Obwohl es sich für manchen wahrscheinlich ganz schön Ego anhört.

    Es macht mich ein bisschen traurig zu denken das ich vielleicht den Rest meiner Zeit alleine bleiben sollte, aber ich stufe die Wahrscheinlichkeit als Gering ein nochmal Glück zu haben einen Partner zu treffen bei dem alles passt.

    Sonst geht es mir sehr gut, ich habe Arbeit und habe Hobbys. Ich habe Kontakt zu meiner Familie und Freunde. Ich habe auch wieder Spaß am Leben, auch wenn ich halt etwas vermisse s.o. Das Leben ist nunmal kein Zuckerschlecken und da stimmt der Spruch "Man kann nicht alles haben".

    Liebe Grüße

    hans klein

  • Hallo Hans,

    es gibt ja den gesunden Egoismus und der ist hier völlig angebracht gewesen.

    Warum solltest du keine nicht-trinkende bzw. trockene Partnerin finden? Wenn du dich im trockenen Umfeld bewegst, trockene Hobbies hast, dann wirst du früher oder später die Richtige kennenlernen. :)

    Grüße, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Hallo Hans,

    Zitat

    Ich hatte heimlich getrunken. Es versteckt. Niemanden anmerken lassen. Selbst vor Arbeitskollegen die sehr eng mit mir arbeiteten konnte ich das sehr lange gut verstecken. So habe ich "in der Öffentlichkeit", in Diskos, Kneipen, Open Air Veranstaltungen sehr selten überhaupt mal über die Stränge geschlagen. Ich war also kein Gesellschaftstrinker.

    Ja, so war es bei mir auch. Trotzdem hat es nach 4 Jahren Trockenheit irgendwann einmal so getriggert und ich bin rückfällig geworden. Ich unterschätze es nicht, anderen beim ausgelassenen Trinken in entspannter Atmosphäre zuzuschauen. Einen Moment der Unachtsamkeit, weil es mir vielleicht vorher schlecht gegangen ist und alles ist vorbei.

    Zitat

    So denke ich konnte mein Suchtgedächtnis da nicht groß Alarm schlagen.

    Aus eigener Erfahrung - nicht auf diesem vermeintlichen Wissen ausruhen und sich in Sicherheit wiegen.

    Was die Wahl des Urlaubsortes betrifft, kann ich nur sagen, dass es leider ein Trugschluß ist, dass in muslimischen Ländern kein Alkohol konsumiert wird - überall wo Massentourismus ist, wird gesoffen, besonders dort, wo All-Inclusive vorherrscht.

    Zitat

    Von daher weiss ich das ich mich nicht als "geheilt" betrachten darf.

    Eine Sucht ist nicht heilbar - man kann sie nur stoppen.

    Zitat

    Es macht mich ein bisschen traurig zu denken das ich vielleicht den Rest meiner Zeit alleine bleiben sollte, aber ich stufe die Wahrscheinlichkeit als Gering ein nochmal Glück zu haben einen Partner zu treffen bei dem alles passt.

    Je trockener man selber wird, desto weniger zieht man andere Süchtige an. Sieh es doch einfach so. Ich mache da keine Kompromisse, denn was soll ich mit einem nassen Süchtigen? Habe mit meiner eigenen Sucht doch schon genug zu tun. Und wer selber kein Problem mit Alkohol hat, wird sicherlich auch drauf verzichten können, wenn er mit Dir zusammmen ist.

    Zitat

    da stimmt der Spruch "Man kann nicht alles haben".

    Um Dich zu beruhigen: selbst wenn man nicht süchtig ist, trifft der Spruch zu....


    Gruß

    BC

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