• Ich bin heute genau seit 11:30 Uhr eine Woche trocken. Zur feier des Tages bin ich heute mal wieder laufen gegangen. Nichts spektakuläres, aber es war knapp ne dreiviertel Stunde. Normal habe ich immer nen MP3 Player im Ohr. Heute war natürlich der Akku leer und ich musste ohne laufen gehen. Während ich so meine ersten Meter abgespult habe und bei einer langen Geraden mit viel Gegenwind kurz vor dem abbrechen war ist mir aufgefallen, dass das Laufen und der Weg des trocken werdens und trocken bleiben so wie ich ihn mir vorstelle doch viele Sinnbildliche Ähnlichkeiten hat.

    Der erste Schritt, den man zum Laufen braucht ist der Entschluss. Jeder, der nicht regelmäßig laufen geht weiß, dass das erstmal Überwindung kostet. Den inneren Schweinehund hinter sich lassen. Genauso wie das Eingestehen, dass man ein Problem mit dem Alkohol hat.

    Im nächsten Schritt zieht man sich seine Laufschuhe an und ist so für den Lauf selber gut vorbereitet. Diesen Schritt würde ich auf dem Weg ins trockene Leben mit dem aufbrechen zum Arztbesuch vergleichen.

    Von einem guten Bekannten wird einem die Laufstrecke genauestens erklärt. Man bekommt Ratschläge wo man entlang laufen sollte um das Ziel zu erreichen. Hier sehe ich ganz klar die Therapie und die Selbsthilfegruppe. Auch diese Stationen geben einem eine Karte an die Hand, wie man am leichtesten nun durch das Leben finden kann.

    Wenn man dann erstmal auf der Straße ist und die ersten Schritte gemacht hat, merkt man, wie schwer es einem doch fällt. Ein völlig ungewohnter Ablauf der Motorik. Zum Anfang hat man Zweifel, ob man überhaupt durchhält. Doch nach dem ersten Kilometer ist es eigentlich ganz angenehm.

    Man läuft über geteerte Straßen, leicht steinige Feldwege… entlang an grünen Wiesen und vielleicht auch einem See. Das Wetter ändert sich von sonnig, blauem Himmel auch mal zu wolkig, ja gar zu einem windigen, regnerischen Abschnitt.

    Aber es ist wichtig, dass man weiterläuft. Niemals aufhören. Wenn es zu schwer wird, darf man gerne das Tempo rausnehmen. Zur Not laufe ich langsam auf der Stelle. Nur nicht gehen, denn dann fällt das weiter laufen einem doppelt so schwer.

    Während man die verschiedenen Streckenabschnitte läuft kommt man in zum teils merkwürdige Situationen. Vor einem könnte zum Beispiel eine sehr lange und weite Rechtskurve liegen. Auf dem ersten Blick wirkt es, als würde man im Kreise laufen müssen. Doch dann erblickt man in der Ferne einen kleinen Knick und sieht, dass es dort weiter geht. Nach ein paar hundert Metern tut sich plötzlich auf der rechten Seite ein kleiner Weg auf. Es scheint, also wäre dies eine direkte Gerade zu dem Knick. Eine Abkürzung also.

    Symbolisch stelle ich mir diese Abkürzung als Familienfeier, Grillabend oder ähnliches vor. Man könnte an ihr teilnehmen… aber was dann?

    Sollte man diesen Weg gehen sind zwei Szenarien denkbar. Entweder man biegt ein und nach ein paar Schritten merkt man, dass es leicht abschüssig geht. Sehr angenehm für die Beine hier zu laufen. Und noch ein bisschen mehr Gefälle ist spürbar. Doch dann sieht man, dass sich vor einem ein Berg befindet. Man muss nun über ihn laufen. Er ist steinig mit viel Sand. Den Berg würde man eigentlich nur im Gehen schaffen. Sollte man ihn überwinden merkt man, dass dieser Weg nichts anderes ist als eine Schleife, welche unweigerlich zum Anfang des ursprünglichen Weges führt und man anstelle einer Abkürzung einen sehr Kräfte zehrenden Umweg machen musste.

    Zweites denkbares Szenario wäre man geht die vermutetet Abkürzung und kommt plötzlich an einen Abgrund. Ein weiterlaufen ist nicht möglich. Entweder man dreht um oder versucht hinab zu klettern. Bei dem Abstieg könnte man ohne jegliche Sicherung fallen…. Das würde man sicher nicht überleben.

    Also lässt man lieber diese Abkürzung liegen und läuft den beschriebenen Weg einfach weiter. Der Weg wird noch oft steinig und es bilden sich immer wieder Gassen, welche verführerischer zu Laufen sind. Aber weiß man wo man hinkommt….. oder ob man überhaupt ankommt?...

  • Schönen Tag, Leopold

    ist eine interessante Sichtweise und Beschreibung, ich würde es bezeichnen als:

    Eine Gedankenbrücke für den Einstieg in dein neues Leben, das du ja vor einer Woche begonnen hast.

    Auch ich hab das Laufen einige Zeit nach meiner "Trockenlegung" begonnen und was es für mich außer dem gesundheitlichen Aspekt noch interessant macht, ist vor allem:

    Ich spüre mich dabei wieder ganz, ich hab Freude an der Bewegung in der Natur (zu jeder Jahreszeit), und ich hab mir damit etwas zurückgeholt, das ich in meiner Vergangenheit in der Zeit des Alk-Konsums gänzlich verloren hatte, nämlich dieses Gefühl wahrnehmen zu können und im positiven Sinn auf mich einwirken zu lassen.
    Zu abgestumpft und benebelt war ich damals für solche Sachen, ja, ich hatte damals selten die Motivation dazu, laufen zu gehen.

    Inzwischen ist das "sich bewegen in der Natur" ein wichtiger Teil meiner Trockenheitsarbeit geworden, dazu kommt noch ein Yoga-Abend in der Gruppe pro Woche, der mir emotional mindestens gleich viel gibt, usw.

    Ich bin für mich übrigens zur Überzeugung gelangt, daß es für mich besser ist, beim Laufen das "sich steigern wollen" oder den "Wettbewerbsgedanken" außer acht zu lassen, sondern eher "auf meinen Körper zu hören".
    So reichen für mich ca. 60min völlig aus und ich fühle mich absolut gut und zufrieden dabei und danach.

    Genug gefachsimpelt, ich wünsche dir, daß du deinem Vorhaben treu bleibst, die von dir beschriebenen "Abkürzungen" meidest und einen regen Austausch in diesem Forum hältst, um eben am richtigen Weg zu bleiben.
    Vor bald 6 Jahren war ich in der selben Situation und, was soll ich sagen, es ist teilweise ein steiniger Weg, den zu gehen es sich aber lohnt.

    klarerkopf

    Mein abstinentes Leben begann am 25. Okt. 2005

  • Also ich finde diese Sichtweise auch cool....

    Mich würde nur interessieren ob Du da von Dir aus schreibst, oder aus der Sicht von irgend jemanden....

    Ich denke wenn Du anstatt man Formulierungen, ich Formulierungen verwendest hat das schon fast was poetisches,

    wichtiger aber der therapeutische Effekt: 's brennt sich in Dein Hirn rein....

    Weiter so
    greets sven

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