zwei EKAs und die gemeinsame Beziehung

  • Hallo ihr!

    Ich bin jetzt seit einigen Tagen im Forum und fühle mich hier sehr wohl. Es hat mich zum Nachdenken angeregt und ich habe viele Zusammenhänge erkannt, die ich vorher nicht gesehen habe.

    Wie ich hier schon an der ein oder anderen Stelle geschrieben habe, bin ich Tochter einer Alkoholikerin. Sie trinkt seit meinem Kleinkindalter. Also nüchtern kenne ich sie nicht wirklich; das hat mich natürlich stark geprägt.
    Ich bin seit vielen Jahren ausgezogen, aber bin für ein paar Tage alle paar Wochenenden zu Hause. Daher ist der emotionale Absprung nicht wirklich vollzogen. Vielleicht eröffne ich irgendwann dazu einen eigenen Thread.

    Zu meinem Anliegen:
    Ich bin seit mehreren Jahren in einer festen Beziehung; mein Partner ist wunderbar. Er unterstützt mich, wo es nur geht- ich ihn ebenso. Wir gehen sehr achtsam miteinander um.
    Ich bin herzlich in seiner Familie aufgenommen worden und kenne mitlerweile so ziemlich jeden. Mir fiel auch schon das Alkoholproblem von mindestens einer Person in dieser Familie auf- alle sitzen bei Kaffee & Kuchen, nur diese Person bevorzugt Bier & Kuchen. Man sieht es der Person an und ich weiß, dass es den anderen Mitgliedern bewusst ist. In dieser Familie wird, wie in meiner auch, sehr liberal mit Alkohol umgegangen. Vielleicht noch liberaler- Alkohol gehört zu vielen Anlässen dazu. Der Vater ist immer mit Wein dabei; ich weiß von meinem Partner, dass der Vater nahezu täglich Wein trinkt. In dieser Familie existieren die bekannten Strukturen; der Vater ist EKA. Es gibt auch Alkoholiker, die nach langer Sucht gestorben sind- das betrifft die Familienstränge von Vater und Mutter meines Partners.

    So. Niemand macht sich Gedanken um den Vater, da er normal funktioniert und sonst nicht auffällig ist. Heute früh ist mir ein aktuelles Foto in die Hand gefallen- mir wurde übel. Dieses rote Gesicht, die Augen- alles. Das klassische Bild eines Alkoholikers. (Seht diesen Text als therapeutisches Schreiben, mir ist es wie Schuppen von den Augen gefallen.)
    Ich weiß nicht- scheinbar hab ich bisher immer die Augen verschlossen; denn diese Familie ist so anders im Umgang als meine.

    Nunja, und nun? Grad hats "Klick" gemacht, nun bin ich panisch. Ich grüble über meine Beziehung- mein Lebensgefährte hat eben die gleiche Einstellung wie seine Familie. Alkohol immer verfügbar. Wobei ich schon vor langer Zeit das "Standard-Glas Wein" (es war nicht täglich, aber öfters, grundlos )beim Essen gestrichen habe- es gibt dann unseren Lieblingssaft und Wein nur bei besonderen Anlässen. Alkohol wird nicht täglich getrunken- niemals. Aber sicher schon 2 Mal die Woche in kleinen Mengen, manchmal auch wochenlang/monatelang gar nichts. Tja, jetzt sitze ich hier- und mache mir Gedanken. Wenn ich ehrlich bin, sehe ich schon, dass er bei Belastung dann abends (wie sein Vater) mehr trinkt. Ich würde sagen, dass er sich dann, wenn sein Ziel des Tages erreicht ist, ein Glas Wein, einen Cocktail oder ein kleines Glas Schnapps gönnt (wie ich dieses Legitimationswort "gönnen" hasse").
    So beobachte ich das.

    Was habt ihr für Erfahrungen? Wie habt ihr gehandelt oder was würdet ihr mir für Handlungen empfehlen? Stelle ich mich an?

  • Hallo Zimttee,

    frage dich doch, was du jetzt machen möchtest. Was sagt dir dein Gefühl?

    Du kannst doch mit deinem Partner über deine Ängste sprechen. Ich bin auch ein wenig panisch, wenn es um Alkohol geht. Für mich ist es schwer einzuschätzen, was zu viel und was normal ist. Darum hilft es mir, darüber mit anderen zu reden.

    liebe Grüße
    Laura

  • @ Schnuffig: Danke! Ich habe mich etwas beruhigt. Zumindest ist hier der Vorteil, dass er offen damit umgeht und nicht wie in meinem Umfeld, heimlich trinkt. Denke, diese Sozialisation ist schon wichtig, da ich mitbekomme, wieviel er trinkt und dann eben - im worst case- intervenieren kann. Ich hab mich da weiter eingelesen, das Risiko liegt wohl bei ca.30 %. Auch für mich als EKA.

    @ Immergrün: Puh, mein Gefühl. Also, für mich ist ein liberaler Umgang mit Alkohol nicht möglich. Mein Vater hat sehr darauf geachtet, dass wir kaum Berührungskontakte damit haben- er bestellt sogar den Schnapps nach der Rechnung im Restaurant ab. Tja, und in der Familie wird ein "guter Tropfen" gerne unterm Tannenbaum verschenkt. Mein Freund hat auch eine Minibar in unserer gemeinsamen Wohnung stehen- hab grad 20 Flaschen gezählt.
    ABER ich weiß, dass er sehr verlässlich, diszipliniert und verbindlich ist. Ungut sehe ich allerdings, dass er nicht erkennt, dass sein Vater ein Alkoholproblem hat.
    Wir waren diese Woche auf einer Feier und er hat nur ein Glas Sekt auf einem Empfang getrunken, die Tage vorher und nachher auch nicht. Nunja, ich schätze, rational betrachtet, muss ich mir nun keine Gedanken machen. Die Zukunft kann ich jetzt noch nicht beeinflussen und werde mir Mühe geben, zu erkennen, wann er belastet ist und eben sein Konum ansteigt.

    Danke für eure Rückmeldungen!

  • Hallo Zimttee,

    ich habe ja auch Jahre lang nicht erkannt, dass mein Vater Alkoholiker ist. Er trinkt halt nur zuviel, wurde mir immer gesagt, warum das in Frage stellen.

    Als ich mit meiner Schwester ausgezogen sind, hatten wir auch eine Minibar. Wir haben zwar nie alleine getrunken, aber Alkohol hatten wir immer da. Heute habe ich keine mehr, aber ich habe mir letztens einen Likör gekauft.

    Wobei ich mich bei Alkohol immer schon zurückgehalten habe. Ich verstehe es bis heute nicht, warum es allen so wichtig erscheint. Warum muss ich Wein da haben, wenn eine Freundin kommt?

    Erst als ich mir eingestanden habe, dass mein Vater Alkoholiker ist. Hat sich meine Einstellung zu Alkohol geändert. Ich kann es jetzt auch schon mal geniessen, mit einer Freundin ein Glas Wein zutrinken. Aber auf keinen Fall Rotwein oder Bier, das trinkt mein Vater.

    Ich erlaube mir, meine eigene Ansicht zu Alkohol. Ich übernehme weder die von meiner Mutter noch die von meinem Vater.

    Ich entscheide, wann und wie ich Alkohol trinke. Verbanne es nicht mehr aus meinem Leben. Woher habe ich es doch nur gemacht, um meinen Eltern zu zeigen, dass es auch ohne geht.

    liebe Grüße
    Laura

  • Hallo Laura!

    Mir war immer bewusst, dass meine Mutter anders ist- irgendwann wurd dieses Bewusstsein um den Begriff "Alkoholikerin" erweitert.
    Aber mir war sehr lange nicht bewusst, was das genau bedeutet. Ich dachte, wenn man Alkoholikerin ist, hat man ständig Stress und Streit und ist nicht gut drauf ^^
    Die richtige Dimension habe ich wohl erst mit 15 etwa kapiert. Da begann ich, auf Feiern zu gehen und mein Vater machte jedes Mal Stress, wenn ich etwas trinken wollte. In der Zeit bekam ich einen Internetzugang und konnte googlen und verstand, was er meinte.
    Als Teenie habe ich total Glück gehabt- eigentlich zu viel getrunken. Das hörte auf, als ich mich auf Feiern nicht mehr wohl fühlte und ich diesen beduselten Zustand eher ätzend fand und unangenehm, als "cool". Außerdem bin ich Studentin und verschenke nicht gerne mein Wochenende, nur weil ich einen Abend feiern möchte.

    Wie geht es deinen Eltern nun? Hast du dich distanzieren können?

    Ich habe vor etwa 2 Jahren mehr Abstand eingeführt und mit ein paar Leuten Gespräche geführt. Ich habe ihnen erklärt, was bei mir zu Hause los ist, warum niemand mich dort besuchen kann und habe mir Rückmeldungen geholt, wie sie die Situation sehen. Das war dann auch ganz gut, weil ich plötzlich mit einer Freundin mal zu Hause vorbei musste und meine Eltern sich grad anschrien, Mutter betrunken war und flennte.

    Momentan habe ich mein Leben ganz gut im Griff, daher setze ich mich wohl momentan vermehrt mit dem Problem meiner Mutter auseinander.
    Ich gewöhne mir grad erfolgreich das Nägelkauen ab, habe knapp 20kg abgenommen, arbeite viel und habe nun auch gute Noten. Jetzt bleibt "nur noch" die eine Baustelle.

    Aber ich kann nun auch endlich genießen und abschalten- gern bei einem Zimttee :) Alkohol verbanne ich auch nicht mehr 100%ig- ab und an gern mal bei Rotwein. Ich muss sagen, dass ich auch Rotwein trinke- obwohl es Mutters Einstieg war. ABER ich kaufe keinen billigen Fusel, sondern achte auf Qualität. Da achte auch ich auf den Unterschied zu Mutter.
    Bier und Co mag ich nicht- Cocktails bringen mir nichts. Sie schmecken einfach nur süß, haben unzählige Kalorien (die ich meide) und nachher bereuhe ichs, einen für den Preis bestellt zu haben.
    Bei mir gibt es alle paar Wochen einen Wein. Ich habe im Freundeskreis etwa 4 Personen, die definitiv ein Alkoholproblem haben. Zu ihnen bin ich nun auf Abstand, da sie meine Abstinenz gerne mit "Spielverderben und Spaßbremsen" gleichsetzen und nicht akzeptieren. Eine erzählte neulich, dass sie den 15minütigen Weg zu ihrer Stammdisko mit einer Flasche Sekt geht- die Flasche Sekt und sie auf dem Weg. Die Flasche wird dann in ihren Erzählungen personifiziert, sie redet mit ihr und in 15Min geleehrt.
    Die andere Bekannte hat Donnerstag von 11 bis nachts gefeiert, getrunken.. Und regte sich gegen 19 Uhr auf, dass sie schon extra langsam getrunken habe, damit ihr später nicht wieder alle sagen, sie würde nur saufen.. Und dann lief sie leicht torkelnd in den Toilettenraum, machte sich frisch, kämmte die Haare und schminkte sich, damit sie nicht betrunken aussehe. Echt, es ist soo traurig, denen dabei zuzugucken.

    Hast du auch viele Freunde mit Alkoholproblem?

  • Hallo Zimttee,

    für mich ist es schwer zu sagen wie es mir geht. In manchen Bereichen geht es mir gut, in anderen schlecht. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich spät dran bin. Ich habe meine ganze Kraft in meine Familie gesteckt. Nun versuche ich diese Kraft in mich zu stecken.

    Meine Freunde akzeptieren alle, dass ich wenig Alkohol trinke. Je offener ich mit dem Thema umgehe, desto mehr wird mir auch erzählt. Manchmal habe ich das Gefühl, dass in fast jeder Familie ein Alkoholiker ist. Manche nehmen es Ernster, andere nicht. Aber ich habe auch nicht viele Freunde, bisher habe ich mich immer zurückgezogen. Ich konnte einfach niemanden vertrauen, ich wollte nicht mehr enttäuscht werden. Daran arbeite ich gerade.

    Ich weiß nicht, ob mein Abstand zu meinem Vater groß genug ist. Wir sehen uns kaum und reden über nichts privates. Er hat eine neue Freundin, und die kann sich nun mit seinen Wehwehchen auseinander setzen. Keine Ahnung was passiert, wenn sie weg ist. Vermutlich kommt er dann zu mir. Bis dahin versuche ich die Kraft zu sammeln, um ihn abzuweisen. Meine Mutter ist halt meine Mutter. Sie ist wie sie ist. Wir kommen gut miteinander aus, wenn sie meine Grenzen akzeptiert. Ist natürlich nicht immer einfach, aber es wird besser.

    Bei Nagelkauen hilft Nagellack. So habe ich es mir damals abgewöhnt. ;)

    liebe Grüße
    Laura

  • Zitat von Immergrün

    für mich ist es schwer zu sagen wie es mir geht. In manchen Bereichen geht es mir gut, in anderen schlecht. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich spät dran bin. Ich habe meine ganze Kraft in meine Familie gesteckt. Nun versuche ich diese Kraft in mich zu stecken.

    So schauts auch bei mir aus. Ich bin da manchmal sehr zwiegespalten- manchmal hab ich gute Tage, seltener mitlerweile Tage, an denen ich traurig und wütend bin oder mit mir hadere.
    Definitiv hab ich zu lange gewartet, mich zu befreien. Aber als Kind, wenn man abhängig von den Eltern ist, ist es so eine Sache. So hab ich jetzt 6 Jahre verschenkt.
    Naja, wie war das? "Erfahrung ist das, was man kriegt, wenn man nicht
    bekommt, was man will".

    So richtig enge, beste Freunde habe ich nicht. Ich habe mich in der letzten Zeit von sehr vielen distanziert, da ich gemerkt habe, dass es sich um eine sehr einseitige Sache handelt. Die meisten haben Probleme mit sich selbst und laden diese regelmäßig bei mir ab. 3-4 haben ein Alkoholproblem und akzeptieren nicht, dass ich kein Bedarf habe, bei jedem konstruierten Grund zu trinken. Sie drauf hinweisen geht nicht; Hinweise wurden bisher wütend nicht akzeptiert.

    Es freut mich, dass du Distanz zum Vater hast. Ich glaube, ich würde auch zusehen, dass ich vom Acker komme, solange wie er und die Freundin noch zusammen sind.

    Hm, mit Nagellack oder diesem bitteren Öl bringt das leider gar nichts :( Ich bin da sehr hartnäckig :( Momentan mache ich mir einmal pro Woche künstliche Nägel, das hilft zwangsläufig ^^ Gleichs soweit. Ich trage sie seit 2 oder 3 Wochen und habe schon die ersten mm Erfolg ^^ Der neue Nagel ist auch endlich sehr fest :) Bisher waren die so weich, dass sie direkt gesplittet sind. Grad wurden sie jedenfalls wieder gepflegt und geölt, später kommt ein neuer Nagel drauf. Mal gucken, wie lange das klappt. Dann werd ich mich demnächst mal zum Hautarzt trauen, weil die Nagelhaut schlimm ausschaut :( Aber nun, da muss ich durch. Verantwortung übernehmen fürs eigene Handeln, ist die Devise.

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