Hallo!
Ich bin seit heute freigeschaltet (vielen Dank dafür) und will mich euch vorstellen.
Ich bin alkoholsüchtig. Seit etwa 5 Jahren schickt meine innere Stimme warnende Kommentare.
Jetzt ist Zeit und Raum mich mit meiner letzten Sucht zu befassen. Vor 4 Jahren habe ich erfolgreich das Rauchen aufgegeben. Ich habe damals überlegt, mit welcher Sucht ich anfange, ob ich beide gleichzeitig in Angriff nehmen soll, ich habe das aber als zu schwierig empfunden. Ich habe gespürt, dass die Befreiung vom Alkohol das weit größere Problem darstellt.
So ist es auch. Ende März habe ich angefangen aufzuhören. Nach 2 Monaten hatte ich einen Rückfall. Es ging mir vorher sehr schnell sehr gut ohne und ich dachte, dass es reicht, einfach nicht mehr zu trinken. Dann dachte ich, dass wenn alles so leicht ist, ich ja ruhig zum Familienfest mal wieder "ja" sagen kann, zum Anstossen. Dann bin ich wieder in mein übliches Trinkverhalten gefallen. Einen Schluck in Gesellschaft, 3-4 Piccolo allein zu Hause.
Ich habe nach 2 Monaten Nüchternheit aber meine Dosis.. 1 Flasche Sekt... nicht mehr vertragen. Das Trinkverhalten war noch da, aber mein Körper kam nicht mehr zurecht. Die Gewöhnung war weg. Ich hatte einen schmerzhaften Kater..körperlich. Aber was viel schlimmer war...ich hatte das Gefühl mich verlassen zu haben. Mich im Stich gelesen zu haben. Das war so ziemlich das mieseste Gefühl, dass ich erinnern kann. Seit diesem Tag habe ich etwas gewonnen: Ich habe Angst vorm Alkohol bekommen. Der Spaß ist vorbei.
In meiner jetzigen Nüchternheit inzwischen wieder 4 Wochen habe ich es geschafft, mir ein paar Bücher zum Thema zu kaufen. Es hat mich Überwindung gekostet und etwa 2 Monate gedauert, meine Scham zu überwinden und dafür in einen Buchladen zu gehen. Einige Bücher handeln von trockenen Alkoholikern, dann habe ich die Suchtfibel gelesen. Die Bücher helfen mir zu verstehen, mit welchem Teufel ich Tango getanzt habe. Was soll ich sagen?
Ich schäme mich, ich bin wütend auf mich, bin enttäuscht von mir. Damit habe ich so am meisten zu tun. Dem akzeptieren, dass es ist wie es ist.
Das ich mir ein Problem geschaffen habe, dass sich nicht "so einfach" aus der Welt schaffen lässt. Dass es ein Verlangen in mir gibt, etwas, dem ich nicht mehr nachgeben will. Mich so zu fühlen tut mir weh.
Schön am Nüchternsein ist, dass ich mich wie die Chefin meines eigenen Lebens fühle. Ich führe Regie. Darauf stehe ich total. Also darauf, machen zu können, was ich will. Das motiviert mich weiterzumachen, auch wenn gerade vieles nicht leicht ist.
Das trinken hat mich so eingesperrt, mich eingeschränkt und isoliert. In einem Buch wurde so treffend ein typisches Trinkerwochenende beschrieben. Wie man nicht mehr rauskann, aus Angst mit einer Fahne erwischt zu werden und der einzige verbliebene "Freund" eine leere Flasche ist. Da habe ich angefangen zu weinen. Weil ich beim Lesen merkte, dass ich nicht allein bin. Zumindest dem Autor dieses Buches erging es mal genau wie mir. Und um die schönen verlorenen Wochenenden habe ich auch geweint.
Ansonsten treibe ich gern Sport, also laufen, Fitnessstudio, Yoga und noch vieles andere, dass ich nicht regelmäßig ausübe, sondern in Kursform und nur zeitweise. Sport ist mein ein und alles. Und lesen.
Früher habe ich auch viel und gern Musik gehört, aber die ist mit ganz viel alkoholischen Erinnerungen verknüpft, so dass ich sie nur noch beim Laufen höre. Geht im Moment nicht anders. Ich würde sowieso lieber vom zuhören zum machen übergehen. Ein Ziel für das nächste Jahr. Ich möchte gern ein Instrument erlernen. Ich weiß schon welches, habe es auch schon und brauche nur noch einen Lehrer.
Das wars erstmal von mir. Ich freue mich auf Austausch.
LgTT