Abkapseln, aber wie? Gewissensbisse...

  • Hallo Jen,

    es ist doch gut, sich mehr aus sein eigenes Leben zu konzentrieren. Ich habe jahrelang versucht, die perfekte Tochter für meinen Vater zu sein. Wenn alles so läuft, wie er sich das vorstellt, dann gibt es auch kein Grund zu trinken. Aber ein Alkoholiker wird immer einen Grund finden zu trinken.

    Ich habe irgendwann zu ihm gesagt, dass ich es nicht ertragen kann, das er zu viel trinkt. Das ich damit nicht umgehen kann. Aber es natürlich sein Leben ist und ich nicht verlange, dass er mit dem Trinken aufhört, nur das ich es nicht wissen möchte und wenn wir uns treffen, dass er nüchtern sein muss.

    Ich war an einem Punkt, wo ich mich entscheiden musste, er oder ich. Und ich habe mich für mich entschieden. Seitdem haben wir so gut wie keinen Kontakt mehr.

    Bei dem Gespräch, habe ich versucht, nicht den Finger auf ihn zu zeigen. Sondern habe versucht, meine Gefühle dazulegen. Das war natürlich nicht einfach, mir ging es schlecht, weil er trank. Also musste mehr Abstand zu ihm sein. Ich musste versuchen, mein Leben mehr in den Mittelpunkt zu bekommen.

    liebe Grüße
    Laura

  • Hallo Shorty,

    ich glaube, dass ich in einer tendentiell ähnlichen Lage bin. Mein Vater ist nüchtern und betrunken auch sehr nett, aber ich bin es einfach satt, wie er sich selbst kaputt trinkt und ich bin auch die Sprüche wie "es gibt doch Schlimmeres", "die anderen sind viiiel schlimmer, ich trinke doch nur alle paar Wochen mal ein Bier"... usw. sooo leid.

    Ich habe oft mit meinem Vater darüber geredet. Wenn er fragte, wieso hast du dich dann und dann nicht gemeldet, dann habe ich gesagt "weil ich keine Lust hatte, anzurufen, weil ich dachte, du bist dann betrunken". Das wurde immer öfter so. In diesem Jahr hatten wir kaum Kontakt. Ich kann einfach nicht mehr, ich kann nichts Positives erwidern und nur mein Gewissen macht mir noch Kummer. Weil er ja so nett ist und ich weiß, dass ich ihm wichtig bin. Leider weiß ich auch keinen Weg aus diesem Gefühl, aber für mich war immer ein klarer Umgang wichtig (also direkt ansprechen, nicht auf das Verharmlosen eingehen). Leider driftet das nur allzu gern ins Vorwurfsvolle ab. Der Trinker sagt "das ist doch nicht so schlimm" und man sagt "doch, es ist für mich schlimm und es tut mir weh und ich will das nicht mitansehen". Mittlerweile sind mein Vater und ich da auch in einem Teufelskreis aus Schuld, schlechtem Gewissen usw. beiderseis, glaube ich.

    Wenn Dir ein konstruktives Gespräch hilft, dann versuche es, vielleicht löst es bei deiner Mutter ja was aus. Übrigens war mein Vater, nachdem meine Mutter ihn verlassen hat und sich scheiden ließ, in Therapie und immerhin rund sechs oder sieben Jahre trocken - oftmals hilft loslassen wirklich, als Kind finde ich das aber schwieriger.

    Alles Gute Dir!

  • Hallo Shorty,

    hast du dir denn überlegt, das Deiner Mutter mal in einem Brief zu schildern, was vielleicht in einem Gespräch Dir wichtig wäre? Vielleicht könntest du mal einen "Probeschreiben", allein, um zu sortieren, was du ihr gerne sagen würdest? Unabhängig davon, ob du ihn ihr gibst.

    Ich habe mir das bei meinem Vater auch mal überlegt, aaaaber wir sind da irgendwie, von meiner Seite aus, auf einer kühleren Ebene. Ich mag gar nicht mehr meine Verleztlichkeit zeigen, so schiene mir das irgendwie, auch, wenn das ja Blödsinn ist, das kommt ja schließlich auf den Briefinhalt an.

    Aber wie dir geht es mir auch, ich ertrage es einfach nicht mehr, einmal trank er, vor 2,5 Jahren glaube ich, offen auf einem Familienweihnachtsessen, das war ganz schlimm für mich und ich heulte im Restaurant rum und alle anderen (vor allem die Kinder seiner Lebensgefährtin) starrten mich an... Nein, was ein Alptraum, ich mag gar nicht mehr daran denken...! Ich kann das Gefühl jedenfalls sehr gut verstehen, es reißt auch alte Wunden immer auf bei uns, denke ich.

    Über eine Therapie sprachen wir, er war auch mal bei der Entgiftung, ich weiß gar nicht mehr, mit welchem Argument er das vor ein paar Jahren beendete (da sollte es eigentlich danach in die Therapie gehen). Glaube, er denkt, er habe alles im Griff und könnte kontrolliert trinken. Er trinkt eben auch manchmal wochenlang nix, dann ist er wieder paar Tage zu. Er findet das eben nicht so schlimm. Gut, aber für mich ist es das nunmal... Dazu kommt noch, dass seine Lebensgefährtin ihn eben auch ordentlich betüddelt und ihn bekocht und umsorgt und guckt, dass er anständig aus dem Haus geht usw.

    Deine Mutter lebt allein? Ich bin ja irgendwie auch froh für mein Gewissen, dass die Freundin meines Dads da ist, aber manchmal auch wütend, weil sie sich so damit abgefunden hat "er ist ja doch so ein lieber Kerl" - "er ist ja krank, da kann er nix dafür"... Aber ich weiß auch nicht, ob es in seinem Alter so gut wäre, "auf dem Boden" anzukommen um wieder hochzuklettern... Ich weiß nicht, ob das in jedem Alter so gut möglich ist?

    Sorry, nun habe ich auch zuviel von mir geschrieben, aber Deine Schilderungen haben dies gerade auch irgendwie aus mir raussprudeln lassen... Auch diese Schuldgefühle, dass man es irgendwie mitbeeinflusst, ich kenne das alles, seufz...

    Fühl Dich mal gedrückt! Und verworren fand ich Dein Schreiben nicht :)

  • Hallo Jen,

    wer ist denn für dich da? Es ist nicht deine Aufgabe für deine Mutter da zu sein.

    Ganz ehrlich, deine Mutter ist erwachsen. Sie bestimmt ihr Leben. Und wenn sie trinken möchte, soll sie doch trinken. Und wenn sie in der Wohnung bleiben möchte, dann kann sie es. Warum suchst du da denn eine Wohnung? Da könnte sie doch alleine oder sie fragt nach Hilfe.

    Ich glaube, du solltest versuchen mehr an dich zu denken. Du hast deiner Mutter gesagt, warum du auf Abstand gehst. Warum sollst du das denn immer wieder wiederholen?

    Ich finde es richtig, dass du gehst, wenn deine Mutter sich daneben benimmt. Ich rede auch nicht mit meinem betrunkendem Vater. Ich bin doch kein Papagei, der immer wieder das gleiche sagt. Zudem könnte ich dann auch mit einer Wand reden.

    Versuche doch mal die Situation von weiter weg zu betrachen. Bei mir ist es so, dass die Gespräche alle gleich sind. Wie in einer Endlosschleife. Klar kann ich hoffen, dass ich irgendwann bei meinem Vater ankomme. Oder ich fange an, mich auf mich zu konzentrieren. Hoffen oder Leben?

    Du machst doch dein Glück von ihr abhängig. Ich denke mal, du hast Angst es anzusprechen, weil du weißt, dass sie dich enttäuschen wird. Entweder sie wird es abstreiten oder sie wird dir Recht geben. Dann fängst du an zu hoffen, und später merkst du, dass sie nichts ändert.

    Ich habe vor einem Jahr erkannt, dass mein Vater nicht aufhören wird zu trinken. Ich akzeptiere das mein Vater Alkoholiker ist. Nur er alleine kann das ändern. Dennoch habe ich mein Leben. Und da gibt es genug gute Sachen, die mich glücklich machen.

    liebe Grüße
    Laura

  • Hallo Jen,

    ist doch gut, du hast es jetzt ausgesprochen.

    Das Wort Alkoholiker sage ich nicht mehr zu meinem Vater. Er will es nicht hören und füllt sich dadurch angegriffen. Darum geht es mir aber nicht, ich will ihn ja nicht angreifen. Nur mich selber schützen.

    Ich habe letztes Jahr viele Gespräche mit meinem Vater gehabt. Ich glaube, das war für mich sehr wichtig zum loslassen. Natürlich war er bei jedem Gespräch betrunken. Ich habe ihm viele Sachen gesagt, habe dann erkannt, dass wir uns im Kreis drehen.

    Seitdem läuft es bei uns so, dass er mir viel Freiraum gibt. Vielleicht hat er Angst, dass ich auch nicht mehr mit ihm rede. Meine anderen Geschwister haben gar keinen Kontakt. Wenn er betrunken ist, rede ich nicht mit ihm und sage es ihm. Wenn er nüchtern ist, dann gibt es das Thema nicht. Ich verschweige es nicht. Aber er will seinen Alkoholkonsum nicht ändern, darum brauchen wir darüber nicht reden. Wenn er doch mal damit anfängt, dass er ein Problem hat und Hilfe braucht, verweise ich ihn an seinen Hausarzt. Ich kann ihm nicht helfen.

    Ich nehme ihn so wie er ist. Ich freue mich, wenn er nicht getrunken hat und wir normal miteinander reden kommen. Aber auch dann halte ich ihn auf Abstand. Er ist aber froh, dass ich mit ihm rede. Und mehr haben wir noch nie gemacht. Er hat das schon immer mehr als Aufgabe der Mutter gesehen, sich mit den Kindern zu beschäftigen. Er ist ja auch schon über 60.

    liebe Grüße
    Laura

  • Ich habe hier ein paar Tage nicht reingeschaut.. Lustig, ich glaube, ich verdränge das im Alltag sehr sehr oft und dann eben auch den Gedanken an dieses Forum.

    Klasse, dass du mit deiner Mutter geredet hast, shorty! Da war sie nüchtern, oder? Was mein Vater alles im nassen Zustand von sich gegeben hat, da kann man leider überhaupt nix drauf geben. Nüchtern hatten wir auch ähnliche Gespräche, mein Vater sagte mir dann, wieso er gerne mal trinkt, nämlich, um sich ein bisschen "lockerer" zu fühlen. Anfangs dachte ich noch "toll, Selbsterkenntnis ist der erste Schritt" usw., leider hat das aber auch alles nix gebracht und ich will mittlerweile auch nicht wissen, wieso er denn nun trinkt. Man kann "ja" oder "nein" sagen und wenn er "ja" zum Alk sagt, will ich damit gar nix mehr zu tun haben, ich bin es soooo satt!!!

    Dass mit Spanien und einem Studienort in weiter Ferne ist super!! Habe auch sechs Jahre weiter weg gewohnt. Unglaublich, was ich auch alles immer wieder "vergesse", jetzt fällt mir gerade ein, wie er mich mindestens zweimal betrunken besuchte :evil:

    Ich wünsche Dir aber, dass deine Mutter da anders ist und vielleicht hat ihr das Gespräch ja wirklich ein wenig die Augen geöffnet, so dass sie die Therapie am Jahresende wahrnimmt!!

    Wie oft ist denn eigentlich der Kontakt so jetzt? Was für den einen viel ist, ist für den anderen ja schon wieder wenig.

  • Das mit den Freundschaften kenne ich auch nur zu gut.
    Ich habe auch festgestellt, in Freundschaften zu depressiven Menschen in eine Co-Abhängigkeit gelangt zu sein. Sie sind genau so, wie du die eine Freundin beschreibst- von einem Extrem geht's ins andere. Und alles wird an mir ausgelassen. Seitdem mir das klar geworden ist, habe ich mich auch nicht mehr gemeldet. Allerdings scheint es ihr momentan auch gut zu gehen, daher meldet sie sich nicht.

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